Podcast-Interview

221 Minuten am Tag: Macht das Handy unsere Kinder krank?

Golli Marboe kümmert sich in Schulen um die mentale Gesundheit unserer Kinder. Was er vom Handyverbot in den Klassenzimmern hält. Warum sich 82 Prozent der Jugendlichen müde fühlen. Und einige Gedanken über seinen Sohn, der Suizid verübt hat.

221 Minuten verbringen Kinder und Jugendliche im Schnitt pro Tag am Smartphone
221 Minuten verbringen Kinder und Jugendliche im Schnitt pro Tag am Smartphone
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Christian Nusser
Akt. Uhr
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Jetzt ist es also fix. Mit 1. Mai werden Smartphones in Klassenzimmern verboten. Der Bildungsminister wird eine Verordnung erlassen, sie gilt bis zur 8. Schulstufe. Ist das klug? Macht das unsere Schulen besser? Und wie denken die Kinder und Jugendlichen darüber?

Golli Marboe ist Journalist, Medienunternehmen und hat im Rahmen von Mental Health Days schon an rund 200 Schulen Vorträge über mentale Gesundheit gehalten. Das durchaus mit persönlichem Bezug. Am Stefanitag 2018 hat sein Sohn Tobias mit 29 Suizid verübt, er war freischaffender Künstler. Marboe geht bewusst offen mit dem Thema um, er hat ein berührendes Buch über Tobias geschrieben.

Das Podcast-Interview mit Golli Marboe

Wie nutzen Kinder und Jugendliche das Handy und welche Auswirkungen hat es auf unsere Psyche. Marboe hat das in einer aktuellen Studie untersucht. Die wichtigsten Passagen aus dem Podcast-Interview. Golli Marboe über:

Wie es zu der Handystudie gekommen ist
Im Rahmen der Mental Health Days sprechen wir über mentale Gesundheit in Schulen. Im Nachgang dieser Veranstaltungen haben wir eine wissenschaftliche Studie durchführen lassen. Da sind im Vorjahr 14.500 junge Erwachsene zu ihrem persönlichen Wohlbefinden und zu ihrem Medienverhalten befragt worden.

Golli Marboe ist Journalist, Vortragender, über den Suizid seines Sohnes hat er ein Buch geschrieben
Golli Marboe ist Journalist, Vortragender, über den Suizid seines Sohnes hat er ein Buch geschrieben
Newsflix

Wie er das Handy generell sieht
Das Handy kann bilden. Das Handy hat wunderbare Dinge hervorgebracht, beispielsweise für höherbehinderte Menschen, für sehbehinderte Menschen. Es hat Barrieren überwunden, die es vorher schier unmöglich war, zu überwinden.

Ob das Handy eine dunkle Seite hat
Wir sehen einen großen Unterschied in der Auswirkung auf das persönliche Wohlbefinden. Wenn die Kinder und jungen Erwachsenen Messengerdienste verwenden, tauschen sie sich nach wie vor mit Freundinnen und Freunden aus. Das schadet dem persönlichen Wohlbefinden kaum, scheinen unsere Zahlen zu belegen.

Aber …
Aber wenn man sich durch Algorithmen treiben lässt, wenn man auf TikTok ist oder auf Insta Idealen folgt, perfekten Bildern von anderen Menschen, die Inszenierungen präsentieren, dann hat das sehr viel mit der Suche nach Selbstwert zu tun. Es belastet das Kind, dass es Ansprüchen gerecht werden soll, die es nicht erfüllen kann, weil es nicht das Team dahinter hat, Maskenbilderinnen etwa.

Wie oft er selbst zum Handy greift
Ich freue mich, dass Sie diesen Gedanken gleich reinbringen. Denn es handelt sich beim Umgang mit dem Handy um ein gesamtgesellschaftliches Thema und keinesfalls um ein Thema der jungen Leute.

Warum das so ist
Es gibt eine wunderbare Studie, die fragt, in welchen sozialen Netzen die meiste Hate Speech ist. Da gewinnt mit Abstand Telegram vor Facebook. Kennen Sie irgendjemand unter 35 auf Telegram oder auf Facebook? Die Alten haben die Hate Speech ins Netz gebracht und nicht die Jungen und die Kinder.

"Notizen an Tobias" von Golli Marboe, 224 Seiten, erschienen 2021 im Residenz Verlag, 26 Euro
"Notizen an Tobias" von Golli Marboe, 224 Seiten, erschienen 2021 im Residenz Verlag, 26 Euro
Residenz Verlag

Wie nun sein persönlicher Nutzen ausschaut
Ich brauche das Handy auch jeden Tag und ich schau garantiert einmal in der halben Stunde drauf.

Wie oft er ein schlechtes Gewissen dabei hat
Gar nicht so sehr, weil ich noch andere Dinge sehr gern habe. Suchtverhalten formuliert sich darüber, dass man nur mehr die eine Sache macht. Es gibt in der Psychologie-Welt ein schönes Bild, das nennt sich "Wohlfühlkavier".

Was darunter zu verstehen ist
Wenn wir Erwachsenen oder Jugendliche und Kinder sagen, dass wir auf jede Taste etwas schreiben, was wir gern tun. Tanzen, Essen, Sex, Kochen, Handy. Wenn wir viele Tasten bespielen können, dann haben wir Melodien im Leben. Wenn wir nur mehr eine Taste haben, mit dieser Angst, etwas zu versäumen. Oder um beim Handy zu bleiben, fear of missing out, dann ist das monoton. Deshalb sollte man versuchen, den Handyumgang zu kontrollieren.

Worum er die Mental Health Days gegründet hat
Der Grund der Gründung war leider ein sehr tragischer. Nämlich, dass sich eines meiner vier Kinder vor ein bisschen mehr als sechs Jahren das Leben genommen hat. Der Tobias war damals 29 und nichts ist, wie es war. Wir alle fragen uns, was haben wir übersehen, was hätten wir besser machen können? Warum haben wir nicht gespürt, dass der Tobias nicht einfach nur schlecht drauf war, sondern eine schwere Krankheit hatte? Und warum hat auch der Tobias uns irgendwann nicht mehr lesen können?

Ob es darauf Antworten gibt
Auf diese Fragen werde ich keine Antwort kriegen. Ich werde Sie mitnehmen, in das gleiche Grab, in dem der Bub jetzt schon liegt, am Meidlinger Friedhof, vielleicht kennen Sie es, gleich neben dem Bahnhof. Aber einen Befund, den gibt es. Wir wussten zu wenig über Fragen des psychischen Wohlbefindens.

Regierung fixierte Handyverbot in Schulen: Christoph Wiederkehr, Claudia Plakolm, Michaela Schmidt
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Helmut Graf

Warum das zu den Mental Health Days geführt hat
Wenn er sich beim Sport den Haxen gebrochen hätte, weiß jede und jeder in unserer Gesellschaft, was es zu tun gibt. Bei psychischen Fragen nicht. Und deshalb haben wir dieses Projekt gegründet, wo wir jungen Erwachsenen in der Sekundarstufe 1 und 2 in den Schulen, also ab dem 10. Lebensjahr, über Mobbing, über Essstörungen, über Handysucht, über Leistungsdruck, über Sucht, über Depressions-Suizidalität und Ängste kurze Module präsentieren.

Was das Ziel ist
Nicht die Idee, dass wir was heilen könnten, sondern dass wir diejenigen noch erreichen, die stiller sind, die vielleicht eben nicht krank sind und die trotzdem aber vom Thema was hören sollten. Damit eine Irritation emotionaler Art nicht gleich zu einer Krankheit führt, sondern schnell besprochen und betreut werden kann.

Ob er mit dem Wissen von heute die Krankheit bei seinem Sohn erkennen würde
Wahrscheinlich ja.

Ob er bei Vorträgen in der Schule gefährdete Kinder erkennt
Nein, dazu ist unsere Kommunikation viel zu kurz. Aber was ich spüre, ist das Interesse an den Themen und die ungeheure Neugierde. Dann wirklich auch die Dankbarkeit, dass die Kinder und die jungen Erwachsenen ernst genommen werden mit ihren Themen.

Ob die Vermittlung schwierig ist
Ich werde oft gefragt: "Wieso ist denn das heute so viel in der Öffentlichkeit rund um Mental Health zu hören? Redet ihr das nicht nur herbei?" Und da sind wir der festen Überzeugung, nein, das ist nicht so. Früher, hat man nicht darüber geredet. Deshalb hat jeder und jeder das mit sich herumtragen müssen und für sich irgendwie lösen, aber ohne Expertise.

Wie viel Technik ist in den Schulen gut und ab wann wird sie zur Plage?
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Warum das selbst kaum lösbar ist
Wenn man einen geblähten Bauch hat und die Lebenserfahrung einem sagt, es könnte ein entzündeter Blinddarm sein, dann käme niemand auf die Idee, ein Skalpell zu nehmen, den Bauch aufzuschneiden, den Blinddarm rauszuholen und den Bauch wieder zuzunähen. Aber viele von uns denken immer noch, dass man eine Depression, eine Essstörung, ADHS mit den Hausmittelchen eines netten Gesprächs, einer Playlist auf Spotify oder einem Spaziergang an einem schönen Gewässer begegnen kann. Nein, das können wir nicht. Wir müssen lernen, dass wir die psychischen Themen genauso ernst nehmen müssen, wie ein gebrochenes Bein oder Blinddarm-Entzündung.

Ob die Schülerinnen und Schüler nur dasitzen und sagen: "Jetzt hören wir uns einmal den netten Onkel an, der aus Wien kommt"
Der nette Onkel aus Wien, der macht das übrigens nie alleine, sondern in jedem Modul ist auch eine Psychotherapeutin oder eine Psychologin, damit die Fachexpertise gewährleistet ist. Wir Journalisten mögen zwar glauben, dass wir alles wissen, aber wir wissen dann ja vielleicht doch nicht alles.

Wie er die Aufmerksamkeit der jungen Leute bekommt
Wir verwenden eine App. Lustig, wir sind beim Handy. Die App heißt Mentimeter, da kann jeder und jede seine eigenen Gedanken reintippen und die finden sich dann auf der Projektionswand.

Warum das gut funktioniert
Es ist nicht nur sehr demokratisch, weil sich alle wiederfinden und gerade in der Klasse sonst sehr oft die üblichen Verdächtigen dominieren mit Wortmeldungen. Es ist außerdem so, dass es nicht irgendwie in die Intimsphäre der Kinder eindringt, weil wir nicht wissen, wer was reinschreibt. Das ist ganz anonym und so führt das zu einer Bewusstseinsbildung, die alle erreicht. Die dann auf der Leinwand Begriffe von Mitschülerinnen lesen, denen es ja genauso geht wie ihnen selbst und sie sind gar nicht so einsam wie sie vielleicht dachten.

Befragungen müssen so erfolgen, dass sie nicht in die Intimsphäre von Schülerinnen und Schülern eindringen
Befragungen müssen so erfolgen, dass sie nicht in die Intimsphäre von Schülerinnen und Schülern eindringen
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Ob die Sprachlosigkeit zwischen den Kindern groß ist
Die Sprachlosigkeit ist unfassbar groß. Die Kinder können nur das erleben, was sie von den Eltern mitbekommen und beobachten. Wir fragen am Anfang jedes Moduls, wer von euch, hat heute schon Zähne geputzt? Da zeigen alle auf. Ausnahmslos. Aber dann stellen wir die Frage, wer von euch hat heute schon über die eigenen Gefühle nachgedacht? Und da zeigt praktisch niemand auf.

Ob das vor allem Buben betrifft
Sie sprechen es an. Drei Viertel aller Suizidtoten sind männlich. Ich darf seit einigen Jahren in der Koordinationsstelle für Suizidprävention im Bundesministerium für Gesundheit mitwirken und da wird natürlich geforscht, wieso es zu dem Gender-Gap kommt. Es gibt keine andere wissenschaftliche Erklärung als unser nach wie vor bestehendes Rollenverständnis.

Was dieses Rollenverständnis für Folgen hat
Männer fragen nicht um Hilfe. Männer kennen keinen Schmerz und Männer glauben, sie müssen alles selber lösen. Daher die Bitte an alle, die mit Burschen zu tun haben, und das darf natürlich nicht heißen, dass wir Mädchen vernachlässigen: Aber die Burschen brauchen mehr Unterstützung bei der Suche nach Worten für Gefühle. Und sie brauchen noch mehr Begleitung beim Verständnis, dass um Hilfe zu fragen kein Zeichen von Schwäche ist, sondern ein Zeichen von Stärke.

Ob er das Handyverbot in den Schulen für eine gute Idee hält
Ja.

Warum?
Weil es viele Studien gibt, die gelten auch für uns Erwachsene. Es reicht schon, wenn ich das Handy neben mir am Tisch liegen habe, das irritiert. Wenn dann ein Anruf reinkommt, ohne dass man den abheben muss, ist man rausgerissen. Man braucht dann ungefähr 20 Minuten, um sich wieder auf das zu konzentrieren, was man eigentlich gerade zu erarbeiten gehabt hätte.

Problem männliche Sprachlosigkeit: "Drei Viertel aller Suizidtoten sind männlich"
Problem männliche Sprachlosigkeit: "Drei Viertel aller Suizidtoten sind männlich"
ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

Ob das Handy also weggesperrt gehört
Ja! Selbst wenn es in der Schultasche liegt, ist die Versuchung groß, wieder einmal nachzuschauen. Es hilft wirklich, wenn es im Spind ist oder in diesen Handyhotels.

Ob das Handyverbot generell sein muss
Das heißt nicht, dass man nicht digitale Ressourcen nützen soll. Erstens gibt es in allen Mittelschulen und Unterstufen inzwischen Tablets oder Laptops. Zweitens kann man ja gezielt sagen: "Für die Stunde nehmt das Handy raus aus dem Handyhotel!" So wie man auch beim Turnen in die Bälle aus dem Gerätekammerl holt.

Was es bedeutet, dass Kinder und Jugendliche im Schnitt 221 Minuten am Tag am Handy hängen
Das ist ungeheuer. Ich möchte nicht so wirken, als wäre das nicht ein Thema. Aber ich habe schon den Wunsch, dass wir es entspannter angehen, als wir es im Augenblick tun.

Warum?
Ich denke, dass wir mit den Kindern und jungen Erwachsenen gemeinsam Regeln formulieren können. Auch wenn das vielleicht auf den ersten Blick irritiert, sie können mit Regeln viel anfangen. Niemand würde sagen, es ist beim Fußball verboten, ein drittes Tor aufzustellen. Es macht einfach keinen Sinn. Wenn es uns gelingt, einen Diskurs zu führen, in dem klar wird, dass Schlafentzug eine Foltermethode ist und es daher keinen Sinn macht, in der Nacht das Handy angedreht zu lassen, dann sind wir, glaube ich, auf dem Weg, wo wir hinkommen müssen.

Warum der Weg dorthin schwer ist
Das iPhone gibt es erst seit 2008. Ich glaube, 17 Jahre nach Erfindung des Autos hatten wir auch noch keine Straßenverkehrsordnung, wie wir sie heute kennen. Als wir Kinder waren, haben uns die Eltern am Weg nach Lignano für den Sommerurlaub auf der Rückbank Lager gebaut. Da war eine Schwester auf der Sitzbank, eine Schwester am Boden und ich war am Fensterbrett. Stellen Sie sich vor, Sie würden heute jemanden sehen, der seine Kinder so transportiert.

"Das iPhone gibt es erst seit 2008, ich glaube, 17 Jahre nach Erfindung des Autos hatten wir auch noch keine Straßenverkehrsordnung
"Das iPhone gibt es erst seit 2008, ich glaube, 17 Jahre nach Erfindung des Autos hatten wir auch noch keine Straßenverkehrsordnung
Paul Sakuma / AP / picturedesk.com

Warum die Diskussion eigentlich eine andere ist
Wenn wir über Handysucht, dann sollten wir überlegen: Wollen wir in Westeuropa, im freien Europa, Social Media-Plattformen, die keinen Fakten-Check machen? Wir würden nie akzeptieren, dass ein Hendlbauer Eier liefert, in denen Salmonellen drin sind.

Welche Folgen diese Erkenntnisse haben sollte
Wieso lassen wir uns Informationslebensmittel auftischen, bei denen wir selber verantwortlich sind, ob da Salmonellen drin sind oder nicht? Nein, wir müssen TikTok nicht zulassen. Nein, wir müssen Instagram nicht zulassen und wir müssen als Europa Grenzen ziehen. Die Toleranz hat ihre Grenze, wo die Intoleranz dominiert. Eine Medienplattform, die keinen Faktencheck macht, soll nicht erscheinen dürfen.

Wie Kinder und Jugendliche reagieren, wenn man ihnen das Handy wegnimmt
Wir versuchen mit den Kindern nicht notwendigerweise darüber zu reden, das Handy wegzulegen. Sondern wir fragen sie: "Denkt ihr wirklich, dass eine Freundin oder ein Freund euch am nächsten Tag nicht mehr mögen oder gar nicht mehr grüßen würde, wenn ihr nicht innerhalb von drei Minuten auf einen Snap antwortet?" Dann sagen die Kinder, "um Gottes Willen, mein Freund ist sicher nicht böse, wenn ich einmal nicht antworte." Es geht um solche ganz niederschwelligen bewusstseinsbildenden Gespräche, die wir führen müssen.

Warum 82 Prozent der Kinder über Müdigkeit klagen, es ist die am häufigsten genannte Beschwerde
Dieses Thema haben wir im deutschsprachigen Raum ganz stark, vor allem deshalb, weil die Schule um acht beginnt. Paul Plener, der Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie des AKH, präsentiert in allen unseren Veranstaltungen Studien, die zeigen, dass ein Kind in der Pubertät vor halb zwölf, zwölf aus hormonellen Gründen nicht einschlafen kann. Dazu kommt dann noch der Medienkonsum.

Mit den Kindern über alles reden, ja, ohne ihr Wissen auf ihr Handy schauen, nein
Mit den Kindern über alles reden, ja, ohne ihr Wissen auf ihr Handy schauen, nein
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Was daraus für Schlüsse zu ziehen sind
Warum nehmen wir uns kein Beispiel an England, wo die Schule um 9 beginnt, Kalifornien um halb neun, in skandinavischen Ländern, in südeuropäischen Ländern beginnt die Schule überall später. Nur bei uns muss es acht sein und in etlichen ländlichen Regionen beginnt sie sogar früher, weil der Postbus um die Zeit fährt.

Welche Unterschiede es bei Schulen gibt
Ich war in etwas mehr als 200 Schulen. Das wunderbarste und sympathischste Schulklima herrscht in Mittelschulen am Land.

Warum das so ist
Der Grund ist schnell gefunden. Es kennen sich die Kinder aus anderen Bezugssystemen, der Freiwilligen Feuerwehr, der Blasmusik, dem Sportverein, mit anderen Hierarchien als den leistungsorientierten Hierarchien in der Schule. Diese Heterogenität sorgt dafür, dass ich das Anderssein nicht bewerte, sondern das Anderssein nicht gut oder schlecht ist, sondern einfach nur anders. Das führt zu einem Schulklima, wo ich aufeinander Rücksicht nehme, wo ich weiß, die eine kann das besser, der andere kann das besser.

Ob er am Handy seines Sohnes nach dem Tod Hinweise auf seine Erkrankung entdeckt hat
Es ist lustig. Ich habe das gar nicht in Erinnerung gehabt. Ihre Frage bringt mich jetzt drauf. Ich habe natürlich nicht in sein Handy geschaut. Es wäre von meinem Verständnis her total übergriffig. Wir raten das übrigens auch allen Eltern.

Warum?
Es gibt Eltern, die schauen ohne Wissen des Kindes in das Handy des Kindes, um es zu schützen. Dann fragen wir: "Gehen Sie auch ins Badezimmer, wenn Ihr Kind sich duscht, oder lesen Sie das Tagebuch?" Wenn Eltern nicht in der Lage sind, eine Beziehung zum Kind zu haben, wo das Kind ihnen zeigt, was es mehrheitlich anschaut, dann haben die Eltern ein anderes Problem. So gesehen kann ich ihnen nur sagen. Ich weiß nicht, was am Handy vom Tobias war, weil ich nicht reingeschaut habe.

Das Handy kann für Kinder und Jugendliche eine Wunderwaffe sein, oder aber toxisch
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Warum er mit dem Suizid so offen umgeht
Ich bin nach dem Tod vom Tobias auf einmal Mitglied einer Art Geheimloge geworden. Fast jeden Tag spricht mich jemand an und sagt. "Golli, wir verstehen, wie es euch geht. Bei uns in der Familie hat sich der Papa das Leben genommen. Und auch im Jahr 2025 enden sicher mehr als 90 Prozent dieser so wertschätzenden Vertrauensbekundungen mit dem Satz: "Aber bitte sag's niemanden!"

Warum das falsch ist
Aus vielen Gründen, zwei möchte ich hervorheben. Wenn man so eine Katastrophe zu verarbeiten hat, so einen Verlust eines nahen Menschen, dann hat man keine Kraft mehr für irgendetwas. Und dann verwenden viel zu viele von uns diese verbliebene Energie dafür, um vor den Arbeitskolleginnen, um vor den Nachbarinnen und vielleicht sogar vor der eigenen Familie etwas geheim zu halten, statt diese Energie zu verwenden, um wieder halbwegs in die Spur zu kommen.

Der zweite Grund
Das ist das viel Dramatischere und deshalb appelliere ich wirklich an alle, über solche Dinge zu reden. Menschen, die ein psychisches Thema haben, die haben den Eindruck, sie wären die Einzigen, denen es so ginge, weil rund um sie redet ja keiner drüber. Dann ziehen die viel öfter, als wir glauben, den schrecklich fatalen Schluss.: Den anderen ging es wahrscheinlich besser, wenn ich nicht mehr da wäre.

Wie man mit einem solchen Verlust umgeht
Wir müssen vor allem nicht so tun, als wäre das Leben nach einem Verlust und dem Tod eines nahen Menschen, so wie es vorher war. Es wird nie wieder so werden. Wie sollte ich je wieder wie früher sein können? Das geht nicht. Das weiß jeder, der wen Lieben verloren hat.

Sollten Sie Suizid-Gedanken haben, dann holen Sie sich bitte Hilfe. Der Notruf 142 steht rund um die Uhr zur Verfügung.

Akt. Uhr
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