Trend Longevity
Alt werden, aber nicht alt sein: Das müssen Sie dafür tun
"Soziale Kontakt sind ein entscheidender Faktor": Bestseller-Autor und Molekularbiologe Slaven Stekovic über Longevity, den Effekt von Kältekammern und Fasten, die Gefahr von Ozempic. Und warum er jetzt nur mehr 105 Jahre alt werden will.

Viele von uns träumen von einem langen und vor allem gesunden Leben – genau darum geht es beim Longevity-Trend. Wer sich intensiver damit beschäftigt, stößt schnell auf Slaven Stekovic. Der Molekularbiologe und Langlebigkeitsforscher hat an der Elite Uni Cambridge studiert und eine wegweisende Fastenstudie an der Karl-Franzens-Universität in Graz durchgeführt.
Stekovic stammt aus Banja Luka, Bosnien und Herzegowina, mit 18 Jahren zum Studieren nach Österreich. Heute ist er erfolgreicher Autor und widmet sich der Anwendung neuer Technologien, um Gesundheit zu erhalten und die Lebensspanne zu verlängern. Zuletzt erschien von ihm das Buch "Jung bleiben, alt werden". Slaven Stekovich über:
Was ihn zum Thema Langlebigkeit gebracht hat
Das war zum Teil ein Zufall, zum Teil geplant. Ich bin in einem Ärztehaushalt groß geworden, habe Bücher gelesen und die Enzyklopädien meiner Mutter angeschaut.

Woher das Interesse Longevity kam
In meiner Familie gab es vor allem unglaublich viele alte Frauen, von meiner Uroma bis zu meinen Omas, aber alte Männer gab es nicht. Männer sind in unserer Familie auf beiden Seiten relativ früh gestorben, und deshalb habe ich mich immer gefragt, woran das liegt. Können Männer überhaupt alt werden? So bin ich langsam in dieses Thema eingetaucht.
Was es mit den Blue Zones auf sich hat, also Regionen, in denen die Menschen besonders alt werden
Wir wissen, dass es viele Faktoren gibt, die für die Langlebigkeit in den Blue Zones verantwortlich sind: Eine ausgewogene Ernährung sowie regelmäßige Bewegung sind sehr wichtig. Dabei bedeutet Bewegung nicht nur, ein paar Mal ins Fitnessstudio zu gehen, sondern sich täglich zu bewegen und diese Bewegung in den Alltag zu integrieren.
Was noch relevant ist
Ein weiterer entscheidender Faktor sind die sozialen Kontakte: Die Menschen in den Blue Zones leben miteinander, nicht nur nebeneinander. Besonders im höheren Alter werden Großeltern in die Familie eingebunden, anstatt an den Rand gedrängt zu werden, wie es oft in westlichen Ländern der Fall ist.
Welche Rolle die Gestaltung des Alltags spielt
Nicht zu vergessen ist der gesunde Schlaf. In diesen Regionen leben die Menschen wirklich nach ihrem eigenen Rhythmus. Oft gibt es Siesta-Zeiten am Nachmittag, die für viele Menschen sehr erholsam sind. Es ist also eine Kombination aus verschiedenen Elementen eines gesunden Lebensstils, die diese Menschen alt und gesund macht.

Welche Entwicklung Blue Zones nahmen
Was wir beobachten, ist, dass die Lebenserwartung in den Blue Zones nicht mehr so hoch ist, wie wir es früher erwartet haben. Sie leiden zunehmend unter dem modernen Lebensstil, wahrscheinlich aufgrund der Digitalisierung, Veränderung in der Ernährungsweise und des Einflusses neuer Trends.
Welche Effekte Fasten hat
Unsere Zellen sind darauf angewiesen, ständig Nahrung zu erhalten, um die komplexen chemischen Prozesse mit Energie zu versorgen. Diese Energie stammt aus Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen, die wir über die Nahrung aufnehmen. Fehlen diese Nährstoffe, muss die Zelle auf interne Energiequellen zurückgreifen. Dabei handelt es sich um alte Moleküle, die im besten Fall defekt sind.
Warum das gut ist
Wenn sie defekt sind, brauchen wir sie nicht mehr. Diese Moleküle können dann abgebaut werden, wodurch chemische Energie entsteht, die eine Zelle für lebenswichtige Prozesse nutzen kann - das ist dann der positive Nebeneffekt.
Was der negative Effekt ist
Defekte Moleküle, die nicht aus der Zelle entfernt oder gereinigt werden, können nämlich Schäden verursachen. Das sehen wir etwa bei Alzheimer sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zunehmend beobachten wir diese Effekte auch bei Komplikationen von Diabetes und anderen Stoffwechselerkrankungen.

Welche Rolle der Stoffwechsel spielt
Wir sind unserem Stoffwechsel ein Stück weit ausgeliefert. Allerdings können wir viel tun, um ihn auch zu steuern. Ein gezieltes Training, insbesondere Muskelaufbautraining, hilft uns beispielsweise, die Stoffwechselrate zu erhöhen. Durch die höhere Muskelmasse steigern wir unseren Grundumsatz und damit auch den Kalorienverbrauch bzw. die Energieverwertung.
Welche Rolle der Ernährung zukommt
Bestimmte Ernährung unterstützt uns. Komplexe Kohlenhydrate sind hier ein gutes Beispiel. Nahrungsmittel, die schwieriger zu verdauen sind, verlangen mehr Arbeit von unserem Körper, ohne biochemisch schwer verdaulich zu sein.
Zum Beispiel?
Einfache Kohlenhydrate wie Zucker oder Kuchen sowie verarbeitete Lebensmittel stehen im Gegensatz dazu, da sie kaum Verdauungsarbeit erfordern. Zusätzlich können gesunder Schlaf und andere gesunde Gewohnheiten uns helfen, unseren Stoffwechsel auch im höheren Alter zu unterstützen.
IHHT, also Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Therapie, und Kältekammer sehr im Trend. Zurecht?
Bei vielen dieser Methoden sind die kurzfristigen bis mittelfristigen Ergebnisse noch nicht eindeutig belegt. Bei einigen Methoden jedoch wie der Kältetherapie, kann man bereits über längere Zeiträume eine kontinuierliche Senkung von Entzündungsparametern beobachten. Dadurch verringert sich das Risiko von Erkrankungen, die mit Entzündungen zusammenhängen.

Welche Maßnahmen sinnvoll sind
Da muss man differenzieren. Wenn ich heute Muskelaufbautraining gemacht habe und dadurch Entzündungen in meinen Muskeln entstehen, ist eine Kältetherapie in den Stunden nach dem Training kontraproduktiv, da diese Entzündung zur Aktivierung und zum Wiederaufbau der Muskeln benötigt wird.
Das bedeutet...
Dass Eisbaden oder Kältetherapie nicht direkt vor oder nach dem Krafttraining angewendet werden sollten. Stattdessen ist Sauna nach dem Training deutlich effektiver als Kältetherapie oder kalte Duschen.
Welchen Anteil Vererbung und Epigenetik an der Lebensdauer und Gesundheit haben
Überraschenderweise spielt die Genetik eine eher geringe Rolle, wenn es um unsere Lebenserwartung geht. Studien haben ergeben, dass 25 Prozent unserer Lebenserwartung von der Genetik bestimmt werden, während 75 Prozent auf den Lebensstil zurückzuführen sind – also die Epigenetik.
Ob das gut oder schlecht ist
Das Schöne an der Epigenetik ist, dass sie veränderbar ist. Ein Beispiel dafür sind Studien, die sogar bei 80-jährigen Damen zeigen, die nie Sport getrieben haben, aber plötzlich täglich kurze Spaziergänge machen. Bereits diese kleinen Änderungen konnten den Stoffwechsel und die Muskulatur ändern. Es ist also nie zu spät, mit solchen Veränderungen zu beginnen.

Wo Fasten hilft
Eine der größten Risikogruppen sind Personen, die an Krebserkrankungen leiden. Es gibt bereits Studien, die zeigen, dass Fasten in bestimmten Phasen bei bestimmten Erkrankungen auch die Nebenwirkungen verschiedener Medikamente verringern kann.
Im späteren Stadium von Krebserkrankungen allerdings haben Krebszellen nicht genügend Nahrung, wodurch sie die Autophagie in den umgebenden Zellen aktivieren, die sich wortwörtlich "zu Tode fressen". Diese Zellen bauen sich selbst ab, und die dabei freigesetzte Energie wird zur Versorgung der Krebszellen verwendet.
Wo ist Fasten auch nicht ratsam
Bei Personen, die in der Vergangenheit mit Essstörungen zu kämpfen hatten, ist Fasten nicht empfehlenswert, da es zu starken Veränderungen des Körpers führen oder diese Störungen wieder auslösen könnte. Außerdem sollte Fasten bei Kindern und Jugendlichen vor dem 20. bis 22. Lebensjahr vermieden werden, ebenso wie während der Wechseljahre oder bei hormonellen Veränderungen.
Welche Auswirkungen Spritzen wie Ozempic auf unsere Langlebigkeit haben
Für stark übergewichtige Patienten, die schwere Formen von Diabetes haben und anders nicht abnehmen können, sind diese Spritzen oder Medikamente wirklich von großem Wert.
Was der Nachteil ist
Die Spritze als Ersatz für ausreichend Bewegung und gesunde Ernährung zu nehmen, birgt Risiken. "Ich nehme die Spritze und verzichte auf Training und gesunde Ernährung", das kann nicht funktionieren. Denn was bei der Anwendung der Spritze passiert, ist, dass Fettgewebe abgebaut wird, aber auch Muskelgewebe, da dieses nicht den nötigen Wachstumsreiz erhält.

Was die Folge davon ist
Nach der Spritze kehrt man dann oft zum alten Körpergewicht zurück. Die verlorenen Muskeln werden nicht wieder aufgebaut, sondern durch Fettgewebe ersetzt. Nach mehreren Behandlungen über Jahre hinweg, kann es dazu führen, dass die Muskelmasse so stark abgebaut wird, dass der Körper nicht mehr richtig funktioniert. Und genau hier entstehen Probleme mit Stoffwechselerkrankungen.
Betroffene werden sozusagen "skinny fat", oder?
Ja, genau, sie werden „Skinny fat" und sie bekommen das 'Ozempic Face'. Das bedeutet, dass man die deutlichen Anzeichen einer Unterernährung sieht, weil man nicht genug trainiert und die Spritze zum Abnehmen verwendet.
Welche Auswirkungen Ozempic & Co für Longevity haben
Die GLP-1-Stoffe sind aus der Langlebigkeitsperspektive sehr wichtig. Diese ganze Gruppe hat eine große Bedeutung, weil wir sehen, dass mit diesen Medikamenten bestimmte Erkrankungen reduziert werden können, wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch bei Nierenerkrankungen gibt es positive Effekte. Bei bestimmten Erkrankungen, wie Schlafapnoe, kann es ebenfalls zu einer Verbesserung kommen.
Warum das so ist
Wenn wir jedoch in diesen Studien nachschauen, woher diese positiven Effekte kommen, liegt es hauptsächlich an der Gewichtsreduktion.

Was er für seine Langlebigkeit tut
Ich habe früher immer gesagt, dass ich 115 Jahre alt werden möchte. Aber ab und zu möchte ich schon einen guten österreichischen Wein genießen. Daher sage ich jetzt, dass ich 105 Jahre alt werden möchte und die 10 Jahre schenke ich mir, um ab und zu etwas trinken zu können (lacht).
Wie er die 105 Jahre erreichen will
Ich achte auf genügend Schlaf, Proteine und ein gutes Stressmanagement. Vor eineinhalb Jahren habe ich meine Messungen gemacht, und da war mein Immunsystem so alt wie das eines 62-Jährigen – ein Schock.
Warum das so war
Ich habe gut geschlafen, regelmäßig Sport gemacht und mich gesund ernährt. Das, was ich nicht gut gemacht habe, war das Stressmanagement. Deshalb habe ich bewusst über die sechs Monate nach der Messung verschiedene Stressabbau-Techniken angewendet, wie Meditation, Yoga und besseres Zeitmanagement.
Was die Folge war
Nach sechs Monaten war ich wieder bei meinem ursprünglichen Alter – also 34. Mittlerweile ist mein biologisches Alter sogar unter 30, es liegt bei 28, und darüber freue ich mich sehr.