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Nach Attentat: Sanfter Trump wirft Parteitagsprogramm um
48 Stunden nach dem Attentat stellt ein ruhiger wirkender Donald Trump auf der Nominierungs-Convention alle Weichen gleich am ersten Tag. Jetzt wartet jeder auf seine große Parteitags-Rede.
Der Tag hatte schon gut begonnen für Donald Trump. Montag Vormittag amerikanischer Zeit entschied eine Bezirksrichterin im Bundesstaat Florida völlig überraschend, das Strafverfahren gegen den ehemaligen US-Präsidenten wegen der Mitnahme geheimer Regierungsdokumente in sein Anwesen Mar-a-Lago einzustellen. Im August 2022 hatte das FBI Trumps Anwesen durchsucht und dabei zahlreiche als streng geheim eingestufte Dokumente aus seiner der Zeit als Präsident gefunden und beschlagnahmt. Die Dokumente wurden u.a. in zahlreichen Kisten gefunden, die in einem Badezimmer in Mar-a-Lago lagerten.
Die Klage ist noch nicht vom Tisch Trump war deshalb wegen der Mitnahme geheimer Regierungsakten angeklagt, zahlreiche Experten hielten diese Klage für die gefährlichste der insgesamt vier juristischen Auseinandersetzungen, mit denen sich der ehemalige Präsident zum damaligen Zeitpunkt konfrontiert sah oder heute noch sieht. Detail am Rande: Die Richterin, die das Verfahren jetzt wegen "Zweifel an der rechtmäßigen Ernennung des Sonderermittlers in dem Fall" einstellte, war seinerzeit von Trump ernannt worden. Gegen ihre Entscheidung konnte allerdings Berufung eingelegt werden, was mittlerweile auch geschehen ist. Aber selbst wenn der Berufung stattgegeben wird, geht sich der Prozess nicht mehr vor der Präsidentschaftswahl am 5. November aus.
Nomination Day in Milwaukee Doch die good news aus Florida waren nur der erste von mehreren Höhepunkten, die der Tag noch bringen sollte für den 45. Präsidenten der USA. Denn Montag startete auch die Nominierungs-Convention von Trumps Partei in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin, bei der Trump offiziell zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner gekürt werden sollte.
Dramatische Minuten Dabei war lange gar nicht klar, ob Trump überhaupt schon am Montag in die Stadt am Lake Michigan reisen würde. Denn nach dem Attentat von vergangenem Samstag, dem 13. Juli, habe er überlegt, erst zwei Tage später als geplant nach Wisconsin zu fahren, schrieb Donald Trump auf seiner Plattform "Truth Social", dann aber entschied er sich um. Die Nacht von Samstag auf Sonntag verbrachte Trump in einem Golfclub, der in seinem Besitz ist, und flog dann schließlich doch gleich nach Milwaukee, um den Nominierungs-Parteitag zu seiner ganz großen, persönlichen Show zu machen.
Rückblende: Zentimeter entscheiden Dabei hätte alles ganz anders kommen können. Denn Samstag abends amerikanischer Zeit absolvierte der Ex-Präsident eine Wahlkampfveranstaltung in Butler im US-Bundesstaat Pennsylvania, 50 Kilometer nördlich von Pittsburgh. Sechs Minuten nach Beginn sind plötzlich Knallgeräusche zu hören, sie klingen wie Schüsse. Panik bricht aus, im Publikum und auf der Bühne. Trump ist von Agenten des Secret Service umgeben, sie werfen sich auf ihn, der Ex-Präsident ist verletzt.
Die Szenen laufen um US-TV seit Samstag in Dauerschleife Sie zeigen wie Trump während seiner Rede den Kopf zur Seite neigt. In diesem Moment sind Schüsse zu hören, Trump greift sich sofort ans rechte Ohr, die Bewegung wirkt so als hätte ihn eine Mücke gestochen. Aber rasch realisiert er: Hier wurde auf mich geschossen, er duckt sich hinter das Podium. CNN hat das Audio-Protokoll des Einsatzes veröffentlicht. "Lasst mich meine Schuhe holen, lass mich meine Schuhe holen", ruft Trump mittendrin.
Das Protokoll: Die 81 Sekunden nach dem Attentat
- 18.11.33 Uhr Die Schüsse fallen.
- 18.11.35 Uhr Ein Agent ruft "runter, runter, runter!". Secret-Service-Mitarbeiter stürzen aufs Podium.
- 18.11.41 Uhr Eine Agentin ist zu hören: "Was tun wir, was tun wir?" "Wohin gehen wir?"
- 18.11.58 Uhr Als Antwort kommt ein Befehl: "Gehen Sie zum Ersatz, gehen Sie zum Ersatz!" (gemeint ist Trumps Limo).
- 18.12.01 Uhr Wortfetzen sind zu hören. "Bereit!" "Bewegung!" "Hoch!" Wieder "Bewegung". Dann ein Funkspruch "Hawkeye ist hier" (gemeint ist das Secret-Service-Team für die Evakuierung).
- 18.12.09 Uhr Ein Agent gibt das Kommando; "Ersatz bereitmachen, Ersatz bereitmachen!" Dann: "Seid ihr bereit?"
- 18.12.16 Uhr Zu hören ist: "Der Schütze ist am Boden, der Schütze ist am Boden! Können wir gehen?"Antwort: "Der Schütze ist am Boden, wir können gehen!"
- 18.12.23 Uhr Aufbruch.
- 18.12.33 Uhr Trump ruft: "Lasst mich meine Schuhe holen, lass mich meine Schuhe holen." Der Secret-Service-Agent antwortet: "Ich habe Sie, Sir, ich habe Sie, Sir." Trump wiederholt: "Lasst mich meine Schuhe anziehen".
- 18.12.37 Uhr Ein Agent redet mit Trump. "Warten Sie, Ihr Kopf ist blutig." Ein weiterer Secret-Service-Mann mengt sich ein: "Sir, wir müssen zum Auto gehen, Sir."
- 18.12.47 Uhr Trump stoppt plötzlich. "Warten Sie, warten Sie, warten Sie", ruft er, reckt seine Faust in die Luft und ruft "kämpfen, kämpfen, kämpfen!" zu den Zuschauern.
- 18.12.54 Uhr Wieder eine Agentin: "Wir müssen uns bewegen, wir müssen uns bewegen." Ende des Protokolls.
In diesem Moment entstehen Bilder, die um die Welt gehen und die den Wahlkampf wohl endgültig entscheiden werden. Trump, Blut im Gesicht, reckt die Faust Richtung Himmel, das Publikum johlt.
Trump hat einen Streifschuss erlitten Mehrere Menschen, die während der Rede hinter ihm standen, haben weniger Glück. Ein Mann stirbt, zwei werden schwer verletzt, beide sind im kritischen Zustand. Später meldet sich die Familie des Todesopfers mit einem rührenden Statement auf Facebook zu Wort. "Er starb als Superheld im echten Leben", schreibt die Tochter von Corey C., eben 50 geworden. Denn der Feuerwehrmann warf sich schützend vor seine Familie, als die Schüsse losbrachen, wurde getroffen. Inzwischen wurde eine Spendenseite für die Familie eingerichtet. Bis Sonntagabend kamen bereits über 200.000 Dollar zusammen.
Auch der Schütze stirbt, er wird von Scharfschützen getötet Wenige Stunden nach dem Attentat ist er identifiziert, Thomas Matthew C. aus Bethel Park, Pennsylvania. Ein wirkliches Motiv für die Tat wurde bisher nicht gefunden. Aber in seinem Haus fand das FBI später Anleitungen zum Bombenbauen, in seinem Wagen, den er in der Nähe der Trump-Veranstaltung geparkt hatte, wurde Sprengstoff entdeckt. Der 20-Jährige soll ein eingeschriebenes Mitglied der Republikaner sein.
Es sind immer mehr Fragen, die nach den Schüssen auftauchen und sie stellen der Bewachung von Trump ein desaströses Zeugnis aus. Wie kann es sein, dass ein Attentäter mit einer Waffe in der Hand auf ein Dach steigt, von wo er freie Sicht und freie Schussbahn auf den Ex-Präsidenten hat?
Auch unglaublich: Nach den Schüssen meldete sich ein Augenzeuge und erzählte der BBC, dass er den Secret Service vor dem Mann gewarnt habe. Zusammen mit einem Begleiter habe er den Attentäter beobachtet, wie er auf das Dach kletterte. Er habe die Sicherheitsleute davon informiert, nichts passierte. "Warum spricht Trump immer noch, warum haben sie ihn nicht von der Bühne geholt", habe er sich gedacht, dann fielen die Schüsse.
Noch viel unglaublicher: Ein Polizist kletterte nach den Hinweisen selbst aufs Dach und stieß dort auf den Schützen, berichtet die Presseagentur AP. Der Mann bedrohte den Beamten jedoch mit seiner Waffe, was den Polizisten dazu veranlasste, das Dach wieder zu verlassen. Anschließend eröffnete der Bewaffnete das Feuer auf Trump und die Anwesenden.
Zeitnah nach den Schüssen wurde Präsident Joe Biden informiert Er befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer Kirche in Delaware, kehrte umgehend ins Weiße Haus zurück und verurteilte das Attentat. "Ich bin froh, dass er in Sicherheit ist", schreibt Biden in einem Statement. "Es darf keinen Platz für Gewalt in den USA geben." Am Sonntag gab Biden ein Statement ab, Vizepräsidentin Kamala Harris an seiner Seite. Er kündigte eine "Rede an die Nation" aus dem Oval Office an. "Im Moment ist nichts wichtiger als das: Einheit", sagte Biden. Er habe mit Trump ein "kurzes, aber gutes Gespräch" gehabt. "Ich bin aufrichtig dankbar, dass es ihm gut geht und er sich erholt."
Trump selbst meldete sich noch am Samstag auf "Truth Social" zu Wort. "Ich wurde von einer Kugel getroffen, die den oberen Teil meines rechten Ohrs durchschlug", schrieb er. "Ich wusste gleich, dass etwas nicht stimmte, denn ich hörte ein zischendes Geräusch, Schüsse, und spürte sofort, wie sich die Kugel durch die Haut bohrte. Es blutete stark, und da wurde mir klar, was los war."
Sogar Melania gab ein Statement ab Nach dem Attentat veröffentlichte Trumps Ehefrau unter anderem auf X eine Erklärung: "Als ich sah, wie die Kugel meinen Mann Donald traf, wurde mir klar, dass mein Leben und das Leben von Barron (ihr gemeinsamer Sohn, Anm. d. Red.) am Rande einer zerstörerischen Veränderung stand", heißt es in dem Statement. Den Attentäter nennt sie ein "Monster". Ihren Ehemann beschrieb sie so: "Donald, der großzügige und liebevolle Mann, mit dem ich die besten und die schlimmsten Zeiten erlebt habe."
Der Attentatsversuch heizt die Stimmung am Parteitag an "Sie versuchen, ihn einzusperren. Sie versuchen ihn zu töten. Es wird nicht funktionieren. Er ist unbezwingbar", sagte Greg Abbott, Gouverneur von Texas, nach den dramatischen Stunden am Samstag. Auch Joe Biden wird – direkt und indirekt – für die Schüsse verantwortlich gemacht. "Der Plan der Biden-Kampagne ist, es so darzustellen, dass Präsident Donald Trump ein autoritärer Faschist ist, der um jeden Preis gestoppt werden muss", sagte J. D. Vance, Senator von Ohio. "Diese Rhetorik führte direkt zum versuchten Attentat auf Präsident Trump."
Nominierung des "Running Mate" vorgezogen J. D. Vance, Senator aus dem Swing State Ohio, der Anfang August 40 Jahre alt wird, galt schon vor dem Attentat als aussichtsreichster Kandidat für die Nominierung als "Running Mate", wie der Bewerber für die Vizepräsidentschaft auch genannt wird, obwohl er zu Beginn von Trumps Polit-Ambitionen diesen alles andere als positiv gegenüber stand. Und so überraschte Trump zahlreiche Beobachter gleich am ersten Tag der Convention, als er durchsickern ließ, dass er noch am selben Tag seinen Kandidaten für die Vizepräsidentschaft benennen werde – ein Schritt, der für gewöhnlich erst später während eines Parteitags stattfindet. Doch nur zwei Stunden später machte Trump Senator Vance zu seinem Vize – auch das via "Truth Social".
Make Trump President Again Und auch die Nominierung von Trump selbst durch die republikanischen Wahlmänner wurde gleich am ersten Tag abgewickelt – ebenfalls ungewöhnlich, denn das Procedere findet sonst immer am letzten Tag einer Convention statt. Die Zeremonie, an sich ein Formalakt, nachdem das parteieigene Wahlvolk bereits bei den Vorwahlen bestimmt hat, wer für die Republikaner ins Rennen gehen soll, gestaltete sich langwierig. Doch schon bald zeichnete sich ab, dass es, wie erwartet, keinerlei Überraschungen geben würde und Trump der offizielle republikanische Kandidat für die Präsidentschaftswahl am 5. November ist.
Wo ist Trump? Doch der eigentliche Star der Show machte sich lange rar an diesem ersten Tag der Convention und kommunizierte nur über Truth Social. Während sich die republikanischen Massen im Fiserv Forum in Milwaukee selbst in Stimmung brachten und vor dem Forum hunderte Demonstranten gegen Trump und seine Politik skandierten, ließ Trump auf sich warten. Erst um 21 Uhr Ortszeit – vier Uhr früh in Europa – trat Donald Trump auf die Bühne des Fiserv Forums, begleitet vom frenetischen Jubel Tausender und geschützt von einem Heer an Secret-Service-Agenten. Sein beim Attentat verletztes rechtes Ohr war von einem weißen Verband bedeckt.
Standing Ovations für Trump Der Kandidat erhielt minutenlange Standing Ovations, winkte und setzte sich dann zu seinem "Running Mate" J. D. Vance, um mit ihm gemeinsam eine knappe Stunde lang den Reden von Kleinunternehmern, Gewerkschaftsbossen und schließlich den Segnungen mehrerer Geistlicher zuzuhören. Danach wurde der erste Tag der republikanischen Convention beendet und Trump verabschiedete sich von seinem Publikum, ohne selbst gesprochen zu haben.
Was Beobachtern auffiel Vor allem liberale Beobachter des Auftritts waren von der unerwarteten Milde der Darbietung überrascht. Der Kommentator der "Washington Post" meinte im Anschluss an den Trump-Auftritt, dieser sei wesentlich sanfter und zivilisierter verlaufen als erwartet, und auch die Redner hätten weit weniger Öl ins Feuer gegossen, als dies sonst bei Trump-Veranstaltungen üblich wäre. Und es fiel auch auf, dass der frühere Präsident emotionaler und gerührter wirkte von den Bekundungen seiner Anhänger, als das für gewöhnlich der Fall ist. Möglich, dass der Anschlag mehr Spuren auf der Seele Trumps hinterlassen hat, als es den Anschein hatte.
Wie geht der Parteitag weiter? Nachdem die beiden nominellen Höhepunkte der Convention – Trumps offizielle Kür sowie die Benennung des Vizepräsidentschaftskandidaten – bereits am ersten Tag abgehandelt worden sind, gibt es natürlich zahlreiche Spekulationen, wie die Spannung des bis Donnerstag Abend angesetzten Parteitages aufrecht erhalten werden soll. Das offizielle Programm ist nicht wirklich erhellend: "Make America Great Once Again", "Make America Wealthy Once Again", also wieder reich, und "Make America Safe Once Again", also wieder sicher, sind hier die einzigen kolportierten Schlagworte.
Präsidenten, gestern und heute Dazu gibt es unzählige Workshops, Präsentationen und Partys. In einem Kino läuft der biographische Hollywoodfilm "Reagan" über den ehemaligen Hollywoodschauspieler und republikanischen Gouverneur, der als Präsident den Kalten Krieg beendete, indem er die Sowjetunion zu Tode wettrüstete. Der Film, in dem Hollywoodstar Dennis Quaid Reagan spielt, hat erst Ende August offizielle Premiere, wird aber auf der Convention vier Tage lang in Dauerschleife gezeigt.
Und noch ein weiterer "Film" hat am Mittwoch, dem 17. Juli, am republikanischen Parteitag Premiere: "Trumps Rescue Mission: Saving America". In dem Zusammenschnitt aus Nachrichtenclips und Interviews (u.a. mit Trump) werden die USA unter Joe Biden als "failed state" darstellt, der von Trump und seinen republikanischen Mitstreitern gerettet werden muss. Das produzierende Studio heißt "Citizens United Movies", die weiteren Filme des Unternehmens tragen Titel wie "Ronald Reagan: Rendezvous mit dem Schicksal" oder "Gott wieder entdecken in Amerika".
Wann spricht Trump? Aber letztlich warten alle auf die eine große Rede Trumps. Unmittelbar nach dem Attentat hatte der Ex-Präsident verlautbart, dass er bereits einen Redentext fertig gehabt habe, der "besonders hart" gewesen sei. Doch unter dem Eindruck der Ereignisse hätte er, Trump, diesen Text verworfen und eine neue Rede für den Parteitag geschrieben. Diese neue Rede stünde unter dem Motto "Amerika wieder vereinen". Die kommenden Tage werden zeigen, ob und wenn ja zu welchen Zugeständnissen an seine Gegner der nun offizielle Präsidentschaftsbewerber der Republikaner bereit ist, nachdem er vor wenigen Tagen dem Tod ins Auge geblickt hat.