Neu auf Netflix

Botschafterin macht auch als James Bond gute Figur

Die Serie "Diplomatische Beziehungen" macht in Staffel 2 dort weiter, wo die 1. Staffel dramatisch geendet hat. Und die US-Botschafterin gibt in London so nebenbei den 007 – sehr unterhaltsam! Ab 31. Oktober auf Netflix.

Frau Botschafterin und ihr First Husband: Keri Russell als Kate Wyler und Rufus Sewell als ihr Ehemann Hal in "Diplomatische Beziehungen"
Frau Botschafterin und ihr First Husband: Keri Russell als Kate Wyler und Rufus Sewell als ihr Ehemann Hal in "Diplomatische Beziehungen"
COURTESY OF NETFLIX
Martin Kubesch
Akt. Uhr
Teilen

Politik und Diplomatie, das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Doch während die einen permanent im Rampenlicht stehen, machen die anderen ihren Job erst dann wirklich gut, wenn man sie nicht wahrnimmt. Nur ein leiser Diplomat ist ein guter Diplomat.

Hollywood liebt Politiker auf der Leinwand Und dieses Ungleichgewicht in der öffentlichen Wahrnehmung schlägt sich auch in der Resonanz nieder, die diese beiden Berufsbilder im Unterhaltungsbereich bekommen. Filme und Serien über das Geschäft der Politik gibt es wie Politiker-Ansprachen am Aschermittwoch. Vom niederbayrischen Landbürgermeister bis zum Präsidenten der USA reicht dabei das Themenspektrum. Und die Qualität der Ware ist so wechselhaft wie die Haarfarbe von Donald Trump – einen Tag so, am nächsten so.

Es gibt kaum Serien über Diplomaten Aber die hohe Kunst der Diplomatie? Fehlanzeige. Erst in den letzten Jahren ist ein bisschen Bewegung in die Sache gekommen. Die deutsche Serie "Die Diplomatin" stellt eine Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes in den Fokus, eine spanische Mini-Serie namens "The Diplomat" lässt eine Konsulin in Barcelona vermitteln. Und dann gibt es noch seit heuer die superbe Apple TV+-Serie "Franklin" mit Michael Douglas als US-Gründervater auf diplomatischer Mission im Paris der 1780er-Jahre.

Rory Kinnear als Premierminister Nicol Trowbridge: Welches Spiel spielt der Politiker?
Rory Kinnear als Premierminister Nicol Trowbridge: Welches Spiel spielt der Politiker?
COURTESY OF NETFLIX

Und dann kam Kate Doch auch der Streaming-Anbieter Netflix wagt sich seit kurzem aufs diplomatische Parkett. Ende 2023 hatte die Serie mit dem etwas sperrigen deutschen Titel "Diplomatische Beziehungen" Premiere – im Original kurz "The Diplomat". US-Serienstar Keri Russell – in "The Americans" war sie sechs Staffeln lang als KGB-Spionin in den 1980er-Jahren in den USA erschreckend gut – spielt darin Kate Wyler, eine amerikanische Karriere-Diplomatin, die als Botschafterin in London in eine politische Intrige verwickelt wird.

Ein Überraschungserfolg "Diplomatische Beziehungen" erschien bei Netflix eher unter ferner liefen, im Angebots-Überfluss des Branchenprimus wurde der Serie zunächst nicht viel Aufmerksamkeit zuteil. Doch das Publikum fand rasch Gefallen daran, und so beeilte sich Netflix, eine 2. Staffel zu ordern. Die feiert nun Premiere – und macht nahtlos dort weiter, wo Staffel 1 geendet hat.

Worum geht es in "Diplomatische Beziehungen"? Die Serie aus der Feder von Showrunnerin Deborah Cahn (hat u.a. mitgearbeitet an "The West Wing" und "Homeland") besteht primär aus Gesprächen und setzt nur wenige, dann aber hochdramatische Action-Akzente. Dennoch – oder gerade deshalb – zieht sie die Zuseher sofort in ihren Bann. Im Mittelpunkt der Handlung steht das US-Diplomaten-Ehepaar Kate und Hal Wyler (Keri Russel und der Brite Rufus Sewell), die von ihrem Posten in Afghanistan nach London beordert werden.

Ihre Exzellenz, die Botschafterin Und zwar unter vertauschten Voraussetzungen. War zuvor Hal der Botschafter und Kate seine Begleitung, so wird nun Kate als oberste diplomatische Vertretung an die Themse geschickt und Hal wird zum Beiwagen degradiert. Doch der nimmt das nicht nur sportlich, sondern ist über den Rollenwechsel sogar happy. Denn seine guten Verbindungen tragen ihm das Gerücht zu, seine Frau könnte als nächste Vizepräsidentin in Betracht kommen und der Job in London sei dafür der Probe-Galopp.

Verstehen sich nicht nur fachlich gut: David Gyasi als Englands Außenminister Austin Dennison und Keri Russell als Botschafterin Kate Wyler
Verstehen sich nicht nur fachlich gut: David Gyasi als Englands Außenminister Austin Dennison und Keri Russell als Botschafterin Kate Wyler
ALEX BAILEY/NETFLIX

Der Mann an ihrer Seite Der Vollblut-Diplomat erkennt die Chance für seine Frau und will ihr dabei nicht nur nicht im Weg stehen, sondern sie nach Kräften unterstützen. Auch – oder vielleicht gerade weil – es um die Ehe der beiden nicht zum Besten steht. Das Beziehungsverhältnis zwischen dem Ehepaar Wyler ist dabei symptomatisch für die gesamte Serie: Frauen sind in "Diplomatische Beziehungen" nie nur das attraktive Anhängsel von Männern, sondern bestimmen den Fortgang der Handlung maßgeblich mit.

Dann wird es kompliziert Doch würde es nicht schon genügen, die Ehefrau zur Vizepräsidentin zu machen, Uncle Sam gut dastehen zu lassen und die angeknackste ehe zu kitten, wird im Persischen Golf ein britisches Kriegsschiff beschossen, wobei 41 Seeleute sterben. Der Tat dringend verdächtig: der Iran, weshalb der britische Premier (erschreckend lebensecht: Rory Kinnear) "Feuer auf die Übeltäter" regnen lassen will. Da ist rasch Feuer am diplomatischen Dach, denn so etwas geht natürlich nicht ohne Zustimmung aus Washington.

Ein ungleiches Sidekick-Paar: Ato Essandoh als Stuart Hayford, Deputy Missionschef der britischen Botschaft in London, und Alison Ahn as Eidra Park, die Chefin der CIA-Station in London
Ein ungleiches Sidekick-Paar: Ato Essandoh als Stuart Hayford, Deputy Missionschef der britischen Botschaft in London, und Alison Ahn as Eidra Park, die Chefin der CIA-Station in London
COURTESY OF NETFLIX

Waren es wirklich die Perser? Die alten Kontakte von First Husband Hal funktionieren noch und so findet er bald heraus, dass die Perser nur als vermeintliche Täter herhalten sollen, denn die Rakete auf das Kriegsschiff wurde in Wahrheit von russischen Söldnern abgefeuert – und das auf britischen Geheiß. Also versuchen Hal und Kate, den Irrtum aufzuklären – und kommen einer Verschwörung auf die Spur, die bis in höchste Regierungskreise reicht.

Feuriges Finale Am Ende von Staffel 1 trifft sich Hal in London mit einem britischen Informanten, der ihm verraten will, wer in der Regierung hinter den sinistren Plänen steckt, als plötzlich eine Autobombe detoniert. Von dieser dramatischen Nachricht wird Kate in Paris überrascht, wo sie mit dem britischen Außenminister (David Gyasi) weilt – nicht zuletzt deshalb, weil die beiden jeweils ein Auge auf den anderen geworfen haben.

Kommt in Staffel 2 als US-Vizepräsidentin neu ins Spiel: Allison Janney als Grace Penn
Kommt in Staffel 2 als US-Vizepräsidentin neu ins Spiel: Allison Janney als Grace Penn
ALEX BAILEY/NETFLIX

Und so geht es weiter Der Sprengstoffanschlag auf Hal und seinen Informanten hat dramatische Folgen, die britischen Sicherheitskräfte ermitteln im Akkord und einmal mehr sieht es so aus, als wäre Moskau der Übeltäter. Doch Kate mag nicht so recht daran glauben und macht sich mit der CIA-Stationsleiterin (Alison Ahn) auf, die wahren Täter endlich zu demaskieren.

Kolportagehaft und spannend Wer nach der Serie ernsthaft denkt, dass wirkliche Diplomaten tatsächlich so agieren wie Kate und ihr Gespons, der sollte besser noch einmal recherchieren, ehe er sich an der diplomatischen Akademie bewirbt. Natürlich ist "Diplomatische Beziehungen" maßlos übertrieben in jeder Hinsicht. Aber andererseits ist die Serie gut geschrieben, die Story ist spannend und kurzweilig und die Chemie zwischen den handelnden Personen ist spürbar gut.

Am Ende hängt alles an ihr: Keri Russell als Botschafterin Kate Wyler mit einem Marineinfanteristen bei einer Trauerfeier
Am Ende hängt alles an ihr: Keri Russell als Botschafterin Kate Wyler mit einem Marineinfanteristen bei einer Trauerfeier
COURTESY OF NETFLIX

London macht den Unterschied Dazu kommt die Kulisse – die Produzenten haben sich die größte Mühe gegeben, London so prächtig und mächtig aussehen zu lassen, wie es der Kapitale eines ehemaligen Empire gebührt. Jedes Ministerbüro sieht aus die ein Salon in einem britischen Herrenclub, das Krankenhaus, in dem Hal nach dem Attentat liegt, wirkt wie die Lobby des Dorchester und die US-Residenz macht dem Buckingham Palast ernsthaft Konkurrenz. Schon lange nicht mehr war die britische Metropole in einer Serie so pompös.

Fazit Alles in allem ist auch die 2. Staffel von "Diplomatische Beziehungen" eine gelungene, fein abgestimmte Mischung aus Kolportage-Roman, Agentenstory und Beziehungsdrama. Nicht zu seicht, nicht zu schwer, ideal für ein entspanntes Binge-Wochenende. Und am Beginn von Episode 2 kommt zudem eine nette Hommage an den 1999er-Film "Die Thomas Crown Affäre" mit Pierce Brosnan vor – Stichwort "Männer in grauen Mänteln". Cineasten wird's freuen. Nachvollziehbar, dass Netflix bereits Staffel 3 in Auftrag gegeben hat.

"Diplomatische Beziehungen", Staffel 2, USA 2024, 6 Episoden à ca. 45 Minuten, ab 31. Oktober auf Netflix

Akt. Uhr
#Auszeit
Newsletter
Werden Sie ein BesserWisser!
Wissen, was ist: Der Newsletter von Newsflix mit allen relevanten Themen des Tages und den Hintergründen dazu.