Streaming
"Clarkson's Farm": Der Millionär als Bauer hat ab jetzt Schwein
Die dritte Staffel der britischen "Stadtmensch wird Landwirt"-Reality-Serie mit TV-Wüterich Jeremy Clarkson startet auf Amazon Prime. Was neu ist.
Es kommt eher selten vor, dass Fachmedien wie "Agrar heute" oder "Top Agrar" den Start einer neuen Amazon-Serie bereits vorab lautstark feiern. Zu gering ist für gewöhnlich die Schnittmenge zwischen diesen beiden Welten. Doch bei "Clarkson's Farm" ist alles anders. Die Versuche des britischen TV-Stars und Autonarren Jeremy Clarkson, seine riesige Farm in den Cotswolds, einer Region nordwestlich von London, zum Laufen zu bringen, waren als Reality-TV-Serie auf Amazon Prime in den ersten beiden Staffeln ein solcher Erfolg, dass nun Staffel 3 online geht, während bereits am vierten Durchgang gearbeitet wird.
Darum geht es bei "Clarkson's Farm Die Idee ist leicht erklärt: Jeremy Clarkson, seit bald 30 Jahren TV-Star in Großbritannien ("Top Gear", "The Grand Tour") und auch abseits des Bildschirms aufgrund diverser Spleens in den Medien omnipräsent, kaufte bereits im Jahr 2008 eine 400 Hektar große Farm gut zwei Autostunden von London entfernt, ließ sie allerdings von einem örtlichen Landwirt bewirtschaften. Als dieser 2019 in Pension ging, beschloss Clarkson – in Absprache mit dem Streaminganbieter Amazon Prime, der auch bereits seine Auto-Formate produziert hatte – die Farm künftig selbst zu führen und daraus ein Reality-TV-Serie zu machen.
Frischer Blick auf die Landwirtschaft "Clarkson's Farm" schlug auf den Inseln ein wie eine Bombe und wurde auf Anhieb eine der erfolgreichsten Streaming-Serien. Die Serie begleitet den lebenslangen Stadtmenschen und nunmehrigen Neo-Bauern von Anfang an dabei, wie er sich mit der Landwirtschaft und ihren Tücken vertraut macht. Vom Kauf eines Traktors und der notwendigen Geräte – Clarkson besorgt etwa gleich in der ersten Folge einen viel zu großen Lamborghini-Traktor, anstatt ein bescheideneres und für die Gegebenheiten besser geeignetes Modell – über die Basics des Bauernlebens – als Landwirt ist man etwa bedingungslos vom Wetter abhängig, und wenn der Boden aufgeweicht ist, kann man keine Feldarbeit machen – bis zu den Überlegungen, was man denn eigentlich mit dem Ackerland vor hat und was sinnvoll wäre.
Crashkurs für Stadtmenschen Es ist ein Crashkurs in angewandter Landwirtschaft für einen Stadtmenschen, und das erklärt auch den immensen Erfolg der Serie. Weil sich Jeremy Clarkson nie zu schade ist, als unwissender Depp dazustehen, fühlt man sich selbst vor dem Bildschirm weniger blöd, wenn man bemerkt, dass man eigentlich keine Ahnung davon hat, was die Menschen, die uns mit ihren Produkten ernähren, tagein tagaus so machen.
Viele Aspekte werden berücksichtigt Die Serie, obwohl natürlich von A bis Z gescripted und professionell produziert, spart dabei auch manche der weniger schönen Aspekte am Landleben nicht aus. Ob es jetzt der Zeitdruck ist, unter dem Bauern in gewissen Phasen der Jahreskreises stehen, um den möglichst besten Ertrag zu erwirtschaften. Oder die Ambivalenz die sich aus der Haltung von Tieren ergeben kann, wenn man diese nicht nur als Ware, sondern als lebendige, fühlende Individuen betrachtet. So schafft Clarkson etwa nach und nach diverse Nutztiere an – Schafe, Schweine, Kühe – , um ihre Produkte zu vermarkten, stellt dann aber bald fest, dass diese nicht nur witzig, störrisch oder krank, sondern vor allem auch interessant und liebenswert sein können.
Darum geht es in Staffel 3 Clarkson und seine Lebensgefährtin, das irische Model Lisa Hogan, hatten neben einem Farmshop auch ein Restaurant eröffnet, um ihre Produkte zu vermarkten. Aber über diesen Unternehmungen steht kein guter Stern. Die Stadtverwaltung macht das Lokal zu und dann ruiniert auch noch das Wetter die Ernte. Also probiert es Jeremy mit der Schweinezucht
Mit seinem wichtigsten Helfer, dem lokalen Landwirt Kaleb Cooper, lässt sich der Farmer auf einen Wettkampf ein, wer aus "seinem" Stück Land mehr Ertrag zu erwirtschaften vermag. Und es werden auch neue "Sidekicks" eingeführt, die Clarkson, jeder auf seine Art und in seinem Bereich, immer wieder vorführen, dass er von einem Landwirt nach wie vor so weit weg ist wie London vom Himalaya. Aber das alles, wie gehabt, immer sehr sympathisch, unaufgeregt und "typisch britisch".
Millionär und Reizfigur In Großbritannien fällt Jeremy Clarkson seit Jahrzehnten auf, und das liegt nicht nur daran, dass er 1,96 Meter groß und bullig wie ein Footballspieler ist. Der frühere Moderator des Erfolgsformats "Top Gear" macht auch immer wieder durch verbale Ausrutscher, höchst unpassende Vergleiche und einen generellen Mangel an Respekt gegenüber allem und jedem von sich reden, sei es gegenüber Mitgliedern der königlichen Familie, Klimaaktivisten oder Deutschland ganz generell. Eine Zeit lang war es so schlimm, dass die BBC, seine frühere mediale Heimat, ihn schließlich 2015 vor die Tür setzte – und ihn Amazon mit offenen Armen empfing. Dort darf der auf ein Vermögen von etwa 50 Millionen Pfund geschätzte TV-Mann seither weiter seine Auto-Shows machen (durfte er zumindest, "The Grand Tour" wurde vor kurzem nicht mehr verlängert) und den Neo-Bauern geben.
Alles nur Show? Und auch wenn dem Publikum klar sein dürfte, dass dem TV-Millionär Clarkson, er ist inzwischen auch bereits 64, sieht aber noch wesentlich älter aus – allfällige finanzielle Einbußen, die die Farm durch seinen Mangel an Erfahrung treffen, nicht wirklich schaden, fiebert man dennoch mit, wenn es sintflutartig regnet und die Saat nicht ausgebracht werden kann und zigtausende Pfund Schaden drohen. Denn Jeremy Clarksons Begleiter auf seiner TV-Reise zum Bauernleben, ob der junge Landwirt Kaleb oder der priesterlich agierende Agronom Charlie, sind echte Menschen aus dem echten Leben.
Fernsehen at it's best Und sie vermitteln dem Publikum, dass all die Dinge, die es sieht, in diesem Zusammenhang vielleicht witzig sein mögen, aber letztlich echte Probleme sind, mit denen sie ihr ganzes Berufsleben lang zu kämpfen haben. Vor allem in diesen Momenten zeigt die Serie, wozu gut gemachtes Reality-Fernsehen imstande ist: Es ist unterhaltsam, witzig, überraschend, sympathisch und verschließt nicht die Augen vor der Realität, ohne dabei jemals die Betroffenheitskarte zu spielen. Bitte mehr davon!
"Clarkson's Farm", Staffel 3, acht Folgen à ca. 50 Minuten, ab 3. Mai auf Amazon Prime