Neuer Boom
Dancing Stars bis Gschnas: Warum alle tanzverrückt sind
Ausverkaufte Bälle, überbuchte Eröffnungs-Komitees, Security vor den Tanzschulen: Es wird wieder gewalzt im Land, und das mehr denn je. Weshalb der aktuelle Tanz-Hype ein österreichisches Spezifikum ist, wie gut Tanzen tut und was der ORF damit zu tun hat.

Tanzen ist wie Sex. Sagt man.
Wenn du wissen möchtest, wie sich ein Mensch im Bett bewegt, beobachte ihn auf der Tanzfläche, so eine alte Weisheit aus der Wissenschaft des Zwischenmenschlichen. Heißt im Umkehrschluss: Wer gerne tanzt, ist auch anderen Paarläufen gegenüber meist aufgeschlossener als jene, die nur am Rand der Tanzfläche stehen und sich an ihren Gläsern festhalten.
Alles drängt aufs Parkett Wenn an dieser Erzählung etwas Wahres ist, dann stehen Österreich – sprichwörtlich – bumsfidele Zeiten bevor. Denn in den Tanzschulen, Ballsälen und Tanzlokalen geht es derzeit rund, dass es eine Freude ist. Alle großen Bälle sind ausverkauft, die Tanzschulen legen Sonderschichten ein und abends Tanzen zu gehen, ist schon lange kein Pensionistenprogramm mehr.

Jetzt auch noch Dancing Stars 16 Und als würde der momentane Hype nicht bereits genügen, kommt jetzt auch der ORF mit der 16. Auflage seiner Erfolgsshow "Dancing Stars". Am 7. März – also 2 Tage nach Aschermittwoch – gibt es eine Aufwärm-Show und ab 14. März wird im ORF-Ballroom wieder jeden Freitag getanzt, was das Zeug hält.
Warum sich halb Österreich im Dreivierteltakt wiegt, was Tanzen grundsätzlich mit uns anstellt und wo es in den nächsten Wochen tanzmäßig so richtig abgeht – alles über den rhythmischsten Hype des Frühjahrs hier:
Alles Walzer, heißt es am Opernball ja – aber ist das auch wirklich so?
Definitiv, die großen und mittelgroßen Traditionsbälle in Wien erfreuen sich heuer einer selten da gewesenen Beliebtheit und sind seit Wochen, manche seit vielen Monaten restlos ausverkauft.

Wie lange geht die Ballsaison in Wien?
Die klassische Ballsaison beginnt am 11. November um 11.11 Uhr , also mit Faschingsbeginn, und geht bis zum Faschingsdienstag. Aber auch in der "Off-Season" von Aschermittwoch bis Sommerbeginn finden zahlreiche Bälle statt. Zu den bekanntesten gehört der Concordia-Ball (der bereits seit 1863 stattfindet) sowie der (2019 eingestellte) Life Ball.
Wie viele Bälle finden insgesamt statt?
Alleine in Wien sind es mehr als 450 Bälle und Gschnase, die jedes Jahr über die Bühne gehen. Damit ist die Bundeshauptstadt auch die Ball-Hauptstadt Österreichs. Angesichts dieser gewaltigen Zahl ist es nur logisch, dass die Ballsaison nicht mit Aschermittwoch endet. Sonst müssten an den (heuer) 115 Tagen zwischen 11. November und Aschermittwoch (5. März) pro Tag 4 Veranstaltungen stattfinden.

Wovon hängt eigentlich ab, wann Aschermittwoch ist?
Davon wann Ostersonntag ist. Die Regel geht so: Ostersonntag ist immer der erste Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang am 20. März. Und der Aschermittwoch ist 46 Tage vor dem Ostersonntag. Aufgrund der unterschiedlichen Kalender-Konstellationen, ist der Aschermittwoch somit frühestens am 4. Februar und spätestens am 10. März. Heuer haben wir also einen besonders langen Fasching.
Darüber freut sich bestimmt auch die Wirtschaft
Kann man so sagen. Für die Hauptstadt ist die Ballsaison ein nicht zu unterschätzender Faktor in einer sonst eher Tourismus-armen Zeit. Die Wiener Wirtschaftskammer schätzt, dass die Wertschöpfung durch die Bälle heuer etwa 190 Millionen Euro ausmachen wird, so der verantwortliche Spartenobmann Markus Grießler. Verantwortlich dafür sind die etwa 550.000 Gäste, die einen Wiener Ball besuchen.

Und das sind alles Wiener?
Natürlich nicht, obwohl die Bürger der Stadt schon einen großen Teil der Ballbesucher ausmachen. Laut Erhebung der Kammer sind etwa 25 Prozent aller Ballbesucher Touristen. Wieviele Besucher in Wien wohnen und wer aus dem Umland anreist, lässt sich kaum feststellen. Laut WKW-Spartenobmann Grießer waren aber bereits 2 von 3 Wienern in ihrem Leben zumindest auf einem Ball.
Der Ballbesuch als Event?
Exakt, so wie es früher einmal war. Gaben 2021 noch zwei Drittel aller Ballbesucher an, sich kurzfristig und sehr spontan für einen Ballbesuch entschieden zu haben (damals, war allerdings noch Corona), so sagten in der Saison 2024 immerhin wieder 84 Prozent, dass sie ihren Ballbesuch lange vorausplanen und nichts dem Zufall überlassen. Wirtschaftskammer-Mann Grießer: "Es geht zunehmend um den Ball als Event, als Gesamterlebnis. Dieses uralte Wiener Konzept ist gerade wieder am Puls der Zeit."
Wie viel Geld wird für einen Ballbesuch locker gemacht?
Ordentlich. Im Schnitt sind es 365 Euro pro Person und Veranstaltung – dafür kann man sich auch schon einen schönen Skitag gönnen.

Weshalb werden die Bälle derzeit eigentlich so gestürmt?
Dafür gibt es bestimmt eine Vielzahl von Gründen. Aber einer der wichtigsten ist wahrscheinlich, dass Bälle dem momentanen Erlebnishunger der Menschen entsprechen. "Es geht darum, an einzigartigen Veranstaltungen teilzunehmen – und die Welt via Social Media daran teilhaben zu lassen", so Kammer-Obmann Markus Grießler. "Denn die klassischen Wiener Bälle seien extrem "instagrammable", würden also Top-Fotomotive für die Selbstdarstellung auf Instagram und Co bieten.
Wird dem auch von den Veranstaltern Rechnung getragen?
Immer mehr, betont Spartenobmann Grießler. Zunehmend würden Foto-Points geschaffen, um den Ballbesuchern Motive für ihre Shoots zu bieten. Grießer: "Und die werden auch sehr gerne angenommen und dann zu hunderten auf Social Media geteilt." Das erhöhe wiederum die Begehrlichkeit internationaler Gäste, selbst auch einmal einen Wiener Ball zu besuchen.

Weshalb werden dann nicht einfach weitere Bälle geschaffen, wenn die vorhandenen so rasch ausverkauft sind?
Weil sich das Angebot nur schwer ausweiten lässt. Das hat, laut Grießler, zwei Gründe: Den Zeit-Aspekt – ein neuer, großer Ball müsste zwingend in der Ballsaison stattfinden, also bis zum Aschermittwoch. Hier sind aber alle guten Termine längst besetzt, zumal eben die Saison nicht jedes Jahr gleich lang ist. Und zweitens gäbe es nicht genügend Locations, an denen sich ein großer Ball durchführen lässt.
In Wien gibt es zu wenige Ball-Locations?
Tatsächlich scheint es so zu sein, das sieht nicht nur die Wirtschaftskammer so. Auch Thomas Schäfer-Elmayer, Grandseigneur der Wiener Tanzschulen-Szene und Benimm-Kaiser des Landes, ortet diesbezüglich einen Mangel: "Es fehlen zum Beispiel die Redoutensäle in der Hofburg, die nach dem Auszug des Parlaments noch immer darauf warten, wieder als Veranstaltungssaal hergerichtet zu werden."

Das heißt, alles wie gehabt in der Wiener Ballsaison 2025?
Eine Neuerung gibt es heuer doch. Da der offizielle Auftakt der Ballsaison am 11. 11. mit einer Publikums-Quadrille am Stephansplatz seit Jahren ein Mega-Erfolg bei Wienern wie Touristen ist, findet heuer erstmals auch ein Ballsaison-Ausklang in gleicher Weise statt. Und zwar am 4. März, dem Faschings-Dienstag, ab 16.30 Uhr wieder am Stephansplatz. Getanzt werden Walzer, Cha Cha Cha und schließlich – wie immer unter Anleitung von Karin Lemberger von der Tanzschule Dorner – eine Abschluss-Quadrille, ehe es in die Fastenzeit geht.
Spürt Wiens bekannteste Tanzschule, "der Elmayer", auch den aktuellen Tanz-Boom?
Das kann man so sagen. "Bei unserem Elmayer-Kränzchen (heuer am 4. März ab 18 Uhr, Anm.) wollten 900 Personen eröffnen, wir hätten also 450 Paare unterbringen müssen", so Thomas Schäfer-Elmayer. "Wir mussten dann auf 350 Paare reduzieren, und wenn man ehrlich ist, sind selbst das zu viele für die Hofburg. Aber wir wollten so vielen Paaren wie möglich die Chance geben, mitzumachen."

Das heißt, die Wiener drängen in die Tanzschulen?
Es sieht so aus. Elmayer hat aktuell 22 Jugendtanzkurse laufen. Wenn am 1. Mai die Einschreibungen für die kommende Saison im Herbst beginnen, stehen hunderte Jugendliche stundenlang Schlange, um einen Platz zu bekommen. Schäfer-Elmayer: "Wir haben dann Security vor der Tanzschule, damit alles in geregelten Bahnen läuft."
Und wie viele Bälle eröffnet die Tanzschule Elmayer heuer?
In der noch laufenden Ballsaison seien es gar nicht mehr so viele, so Thomas Schäfer-Elmayer, neben dem eigenen Kränzchen nur mehr Kaffeesiederball, Juristenball, Piaristenball sowie der Kleine Neubau-Opernball im Rathaus, eine Veranstaltung der Neubauer ÖVP. Aber die Off-Season wird Schwerarbeit für ihn: "Ab Ostern haben wir nochmals 30 bis 40 Veranstaltungen, ehe der Sommer beginnt."
Ist der Ball-Boom ein österreichisches Phänomen?
Offensichtlich. Thomas Schäfer-Elmayer hört aus dem Ausland jedenfalls keine vergleichbaren Erfolgs-Storys: "Tanzen ist scheinbar etwas typisch österreichisches. Und der Boom hat in den letzten Jahren sogar noch zugenommen."

Woher kommt eigentlich diese Lust am Tanzen?
Dafür gibt es naturgemäß unzählige Erklärungen. Für Tanzschul-Papst Thomas Schäfer-Elmayer ist die Bewegung zur Musik ein Ur-Bedürfnis des Menschen. "Ich erlebe das sehr häufig, wenn wir etwa nach Gala-Diners noch Tanz-Einlagen mit den Gästen choreografieren. Die Menschen lösen und entspannen sich und genießen die rhythmische Bewegung."
Tanzen als Stimmungsaufheller?
Unbedingt! Das beobachtet auch Profi-Tänzerin Conny Kreuter. Die mehrfache Staatsmeisterin und Dancing Stars-Tänzerin sieht im Tanzen "den schönsten Sport der Welt", der gesund erhalte, Körper und Geist gleichermaßen fordere und fördere, die Stimmung verbessere und Glücksgefühle schaffe. Kreuter: "Tanzen ist das Beste, was es gibt!"

Was sagt die Wissenschaft dazu?
Die ist vollkommen einer Meinung mit Tanz-Profi Conny Kreuter und sieht Tanzen als Breitband-Therapeutikum für Körper und Geist.
Was macht Tanzen mit uns?
- Es verbessert die Herz-Kreislauf-Gesundheit^ Tanzen fördert die Durchblutung, stärkt das Herz und senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
- Es ist ein Ganzkörpertraining Tanzen beansprucht viele Muskelgruppen gleichzeitig, verbessert die Koordination und kräftigt die Muskulatur.
- Es macht schlank Je nach Intensität kann Tanzen ein effektives Training zur Fettverbrennung sein.
- Es erhöht das Balance-Gefühl Regelmäßiges Tanzen stärkt die Stabilität des Körpers, reduziert das Sturzrisiko und verbessert die Beweglichkeit.
- Es beugt Haltungsschäden vor Tanzen schult eine aufrechte und gesunde Körperhaltung.
- Es baut Stress ab Cortisol, das mit Stress in Verbindung steht, wird durch Bewegung abgebaut.
- Es setzt Glückshormone frei Beim Tanzen werden Endorphine und Dopamin ausgeschüttet, die für ein Glücksgefühl sorgen.
- Es unterstützt unsere kognitiven Fähigkeiten Komplexe Schrittfolgen und Choreografien fordern das Gehirn, verbessern das Gedächtnis und können das Demenzrisiko senken.
- Es fördert die Kreativität Tanzen ist eine künstlerische Ausdrucksform, die kreatives Denken anregt.
- Es stärkt das Wir-Gefühl Ob im Tanzkurs oder auf der Tanzfläche – Tanzen verbindet Menschen und stärkt soziale Kontakte.
- Es erhöht das Selbstbewusstsein Wer tanzt, fühlt sich oft selbstsicherer und wohler in seinem Körper.
- Es verringert Depressionen Tanzen kann depressive Symptome und Ängste lindern kann, da es positive Emotionen verstärkt.
- Es baut ein positives Körpergefühl auf Tanzen verbessert die Körperwahrnehmung und fördert ein positives Selbstbild.
- Es macht selbstsicher Wer regelmäßig tanzt, gewinnt an Selbstsicherheit – sowohl auf als auch abseits der Tanzfläche.

Gilt das alles auch für die Promis bei "Dancing Stars"?
Ganz bestimmt sogar, auch wenn sich viele der 10 Promis der 16. Staffel des Events dessen vielleicht noch nicht so ganz bewusst sind. Bei vielen von ihnen überwiegt derzeit wohl noch die Neugier, was da denn auf sie zukommt.
Was kommt denn auf die Kandidaten zu?
Training, Training und noch mehr Training. Der Comedian Paulus Bohl bringt es auf den Punkt: "Ab sofort und bis zur ersten Show am 14. März habe ich jetzt jeden Tag 3 Stunden Tanztraining, und zwar 7 Tage die Woche."

Und hat der Kabarettist damit ein Problem?
Ganz im Gegenteil: "Ich war zwar mit 17 beim Elmayer, wie sich das gehört, seither war aber nix mit Tanzen. Jetzt auf Kosten der Österreicher das Tanzen nochmals beigebracht zu bekommen, das hat man nur selten."
Sieht der Spaßmacher das Tanzen eher als Spaß, oder als ernste Sache?
"Als totalen Spaß eigentlich, weil wenn ich tanze, bin ich immer gut drauf", so Paulus Bohl. "Aber ich habe schon festgestellt, dass das für meine Tanzpartnerin totaler Ernst isrt – klar, es ist ja auch ihr Job. Da müssen wir uns also noch finden …"
Wird er den Pfannenheber, der ihn bei seinen Auftritten auf Social Media begleitet, auch im Ballroom des ORF dabei haben?
"Das sollte ich schon, keine Frage! er war ja sogar beim Opernball bereits dabei", so Bohl. "Da muss ich mir noch was einfallen lassen."
Wer tanzt heuer eigentlich bei "Dancing Stars"?
- Der Comedian Paulus Bohl mit Profi-Tänzerin Katharina Malek
- Die Schauspielerin Julia Cencig und Patrick Seebauer
- Die Ex-Politikerin und Unternehmerin Eva Glawischnig und Dimitar Stefanin
- Der Schauspieler Aaron Karl und Kateryna Mizera
- Ex-Tennisprofi Stefan Koubek und Manuela Stöckl
- Unternehmerin Simone Lugner und Danilo Campisi
- Die Moderatorin Heilwig Pfanzelter und Florian Gschaider
- Der Kabarettist und Schauspieler Wolfgang "Fifi" Pissecker und Conny Kreuter
- Die Social Media-Content Kreatorin Anna Strigl und Herbert Stanonik
- Der Koch Andreas Wojta und Kati Kallus
Ist die Show denn überhaupt noch erfolgreich?
Sieht ganz danach aus. Staffel 14, die 2021 ausgestrahlt wurde, hatte im Schnitt 668.000 Zuseher und damit einen Marktanteil von 24 Prozent. Das Finale sahen damals im Schnitt 934.000 Zuseher (30 Prozent Marktanteil). Und Staffel 15 im Jahr 2023 hatte sogar 722.000 Seher im Schnitt (27 Prozent Marktanteil) und im Finale mit 767.000 Zusehern im Schnitt einen Marktanteil von 31 Prozent.

Wann geht es denn damit los?
Am 7. März findet eine "Aufwärm-Show" statt, bei der alle Kandidaten einmal vorgestellt werden, am 14. März wird das erste Mal getanzt. Am 21. März muss dann schließlich das erste paar die Show verlassen. Das Finale findet am 23. Mai statt.