FRAGE FÜR FREUND

Darf ich mit Fan-Bemalung ins Büro oder kann mich mein Chef feuern?

Vorm Achtelfinale am Dienstag gegen die Türkei: Arbeitsrechts-Spezialistin Katharina Körber-Risak sagt Ihnen jetzt, wie viel Fußball-EM am Arbeitsplatz sein darf. Und was nicht geht.

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Was für eine Fußballfest, das bisher "geilste Spiel der EM", schrieb die "Bild, und das fast auf den Tag genau 46 Jahre nach Córdoba (und wieder ein 3:2): Österreich siegte sich im dritten EM-Vorrundenspiel gegen die Niederländer auf Platz 1 der Tabelle, nun geht es am Dienstag gegen die Türkei, Georgien oder Tschechien. Das Land liegt im Freudentaumel und die Frage stellt sich: Wie weit darf dieser Taumel gehen? Kann ich heute bemalt ins Büro? Mit Österreich-Hut kellnern in der Gastro? Im Nationaltrikot am Bankschalter arbeiten?

In der Vorrunde fanden Spiele teilweise schon ab 15 Uhr statt, am Dienstag spielte Österreich um 18 Uhr. Nicht jeder und jede hat das Glück, dass um diese Uhrzeit bereits Feierabend ist. Im Schichtdienst, bei Rufbereitschaft, im Einzelhandel oder in der Gastronomie müssen auch – oder gerade – während der Spiele viele Menschen arbeiten. Dazu kommt: Viele schauen die Spiele im Streaming nach, oft nur die Tore oder die wichtigsten Szenen. Sie werden im Büro hergezeigt. Aber darf man das? Und wenn ja, wann und wie (lange)?

Ohne Fanbemalung: Katharina Körber-Risak ist Gründerin und Partnerin der Körber-Risak Rechtsanwalts GmbH und seit 2004 schwerpunktmäßig im Arbeitsrecht tätig
Ohne Fanbemalung: Katharina Körber-Risak ist Gründerin und Partnerin der Körber-Risak Rechtsanwalts GmbH und seit 2004 schwerpunktmäßig im Arbeitsrecht tätig
Helmut Graf

Bekomme ich fürs Achtelfinale arbeitsfrei?

Selbstverständlich kennt das Arbeitsrecht keine Dienstfreistellungsgründe "Fußball EM", sodass für ganz besondere Spiele Urlaub oder Zeitausgleich vereinbart werden muss, wenn man der Arbeit ganz fernbleiben und zum Beispiel zum Public Viewing gehen möchte.

Darf ich für Fußball Pause machen?

Glücklich können sich diejenigen Fußballfans schätzen, die im (Ruf-)Bereitschaftsdienst sind. Bereitschaften zeichnen sich dadurch aus, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich eben nur zur Arbeitsaufnahme "bereithalten" müssen, nicht aber akut Arbeitsleistungen erbringen. Daher ist es natürlich erlaubt, sich das Spiel anzusehen. Die Spannung dabei ist aber doppelt – nicht nur auf Tore der richtigen Mannschaft, sondern vor allem darauf das Spiel zu Ende sehen zu können muss gehofft werden. Wenn nämlich ein Arbeitseinsatz angeordnet wird, muss dieser sofort angetreten werden.

Sind Arbeitnehmer ganz normal "im Dienst", können sie die Arbeitsleistung in aller Regel nicht für die Dauer des Spiels unterbrechen. Supermarktmitarbeitende, Zugschaffnerinnen oder Krankenhauspersonal müssen weiter Kunden bzw Patienten versorgen und schulden auch die entsprechende Sorgfalt.

Ein offensichtlicher Fan des österreichischen Teams beim EM-Match gegen die Niederlande in Berlin
Ein offensichtlicher Fan des österreichischen Teams beim EM-Match gegen die Niederlande in Berlin
Sunday Alamba / AP / picturedesk.com

Darf ich einen Liveticker laufen lassen?

Ein am Handy mitlaufender Liveticker oder Stream kann in kurzen Arbeitspausen gecheckt werden, wenn es keine internen Regelungen des Arbeitgebers gibt, die dies verbieten. Wenn aber die Aufmerksamkeit durch diese Aktivitäten so weit getrübt ist, dass die eigentliche Arbeit darunter leidet, liegt ein Verstoß gegen die Dienstpflichten vor. In Berufen, in denen direkter Kundenkontakt besteht bzw die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in öffentlicher Wahrnehmung stehen, ist besondere Zurückhaltung geboten.

Darf mir der Chef Push-Meldungen verbieten?

Natürlich können auch gesetzliche Verbote gegen ein Checken des Handys sprechen – Buschauffeure und Straßenbahnfahrerinnen, Uber-Driver und andere Menschen, die ein Fahrzeug lenken, dürfen nicht aufs Handy schauen; allenfalls aber das Spiel im Radio mitverfolgen.

Es empfiehlt sich daher für eingefleischte Fußballfans, den Dienstplan schon vor Sportereignissen so abzustimmen, dass an wichtigen Spieltagen kein Dienst liegt. Wenn das nicht möglich ist, bleibt nur der Urlaubsantrag. In allen Jobs, die nicht kritische Infrastruktur oder Dienstleistung beinhalten, werden Arbeitgeber oftmals aber gerade für die Österreich-Spiele ein oder zwei Augen zudrücken oder sogar selbst ein Public Viewing für das Team organisieren. Weder der Fußball, noch die Arbeitswelt ist gerecht.

Marcel Sabitzer gelang der entscheidende Treffen zum 3:2-Sieg
Marcel Sabitzer gelang der entscheidende Treffen zum 3:2-Sieg
Sebastian Christoph Gollnow / dpa / picturedesk.com

Sind Fußballdress und Fahne im Gesicht am Arbeitsplatz erlaubt?

Viele Fußballfans bringen ihre Unterstützung für ihr Team gerne schon im Vorfeld eines Spiels zum Ausdruck, in dem sie ein Nationaldress tragen. Auch Fahnenbemalung im Gesicht oder Kappen und Perücken in den Nationalfarben sind gern getragene Accessoires bei Eingefleischten. Es stellt sich die Frage, ob Arbeitnehmer ungefragt in solchen Outfits am Arbeitsplatz erscheinen können.

Die Antwort ist typisch juristisch – es kommt darauf an. Besteht Uniformpflicht bzw die Pflicht eine bestimmte Arbeitskleidung zu tragen, können Abweichungen davon nur mit dem Arbeitgeber vereinbart werden (wenn nicht Hygieneauflagen ohnehin dagegensprechen, dann bleibt nur die Fußball-Unterwäsche).

Das Mannschafts-Jubelfoto nach dem Triumph im Olympiastadion
Das Mannschafts-Jubelfoto nach dem Triumph im Olympiastadion
Andreas Gora / dpa / picturedesk.com

Geht Nationaltrikot überall (und nackt nirgends)?

An Arbeitsplätzen ohne strenge Kleidungsauflagen wird ein Nationalmannschafts-T-Shirt in aller Regel unproblematisch sein. Mitarbeitende mit Kundenkontakt müssen freilich die Besonderheiten ihrer Branche berücksichtigen. So wird es an der Rezeption des Luxushotels nicht möglich sein, seine Unterstützung für das Nationalteam durch Kleidung oder Bemalung zum Ausdruck zu bringen. Im Hostel oder Pub kann dies aber die Erwartungshaltung der Gäste bzw Kunden sogar treffen. An einem Bankschalter wird seriöse Kleidung erwartet, bei Taxifahrern besteht vielleicht sogar eine gewisse Erwartungshaltung, dass verschiedene Nationaltrikots zum Einsatz kommen.

Mitarbeiter ohne Kundenkontakt und Kleidungsauflagen sind grundsätzlich frei in ihrer Kleidungswahl, solange es nicht anstößig wird und damit andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter behelligt werden könnten. Eine reine Körperbemalung in Nationalfarben ohne Kleidung wird daher auch im Callcenter unzulässig sein.

Darf ich auch ein Deutschland-Trikot tragen?

Lässt der Arbeitgeber (implizit oder explizit) Fußballfankleidung zu, ist zu berücksichtigen, dass dies natürlich für alle teilnehmenden Nationen gelten muss. Kolleginnen und Kollegen, die – mutigerweise – ein pinkes Deutschlanddress zur Arbeit tragen dürfen ebenso wenig diskriminiert werden, wie Angehörige anderer Nationen. Sollte der Arbeitgeber aufgrund bestimmter Spielkonstellationen ethnische Konflikte am Arbeitsplatz erwarten, kann er deswegen das Tragen der Spielfarben untersagen. Das gilt dann aber natürlich auch für die Fans der österreichischen Mannschaft. Ethnische Diskriminierung am Arbeitsplatz ist auch in Zeiten der Fußball EM untersagt.

Was ist, wenn ich kein anderes Leiberl mithabe?

Hat der Arbeitnehmer im Einzelfall die Toleranz des Arbeitgebers überschätzt, kann es dazu kommen, dass er über Aufforderung die Gesichtsbemalung entfernen muss. Ein Leiberltausch wird freilich nur zumutbar sein, wenn ein anderes, für den Arbeitnehmer zumutbares Shirt zur Verfügung steht. Sollte der Arbeitgeber so reagieren, sollte auch in der Zukunft auf Fankleidung verzichtet werden, um sich nicht der Gefahr einer Ermahnung oder anderer Konsequenzen auszusetzen.

Katharina Körber-Risak ist Gründerin und Partnerin der Körber-Risak Rechtsanwalts GmbH und seit 2004 schwerpunktmäßig im Arbeitsrecht tätig. Sie ist Autorin zahlreicher Fachpublikationen, Lektorin an Unis und gefragte TV-Expertin

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