(K)ein Nachruf
Der Gast von Loge 11: Warum mit Lugner die Society-Ära zu Ende ging
Der Letzte seiner Art ist nicht mehr. Für Medien ist der Tod von Richard Lugner eine Zäsur, für die Staatsoper ein Kulturwandel. Sie sollte Lugner mit einer leeren Loge am Opernball ehren.
Parterre links, Loge 11, da hielt Richard Lugner zum letzten Mal Hof. Sein erster Gast am Wiener Opernball war Harry Belafonte 1992. 100.000 Schilling, heute 7.000 Euro, kassierte er als Gage, aber der US-Sänger verschwand bald. "Er ist mit einer hübschen Frau in einen Mercedes gestiegen", erzählte Lugner.
2024 hakte sich Priscilla Presley bei ihm unter, sie war sechs Jahre lang mit Elvis, dem King of Rock 'n' Roll, verheiratet. Der King of Vienna soll ihr um die 50.000 Euro fürs Erscheinen gezahlt haben. Er kam gut mit ihr zurecht und sie mit ihm. Es sollte der letzte Auftritt des Baumeisters in seinem Lieblings-Gemäuer sein, aber das ahnte zu diesem Zeitpunkt niemand. Lugner galt als unkaputtbarer als die Oper selbst.
2025 wird Richard Lugner nicht mehr in Loge 11 sitzen, am Montag starb der Umtriebige in seiner Wiener Villa im Alter von 91 Jahren. Sechs Ehefrauen, zahlreiche Begleiterinnen dazwischen, vier Kinder, Erbauer einer Moschee, des Stadttempels der jüdischen Kultusgemeinde in Wien und einer Einkaufsmeile, zwei Kandidaturen zum Bundespräsidenten, eine für den Nationalrat, in diese 91 Jahre passte einiges hinein. Die aktuellste Eheschließung datiert vom 1. Juni.
31 Stars und Sternchen führte er auf den Opernball aus, es war stets eine Mischung aus Pflicht und Kür. Viele Gäste raubten ihm Atem und Nerven, Paris Hilton oder Kim Kardashian etwa, am liebsten erinnerte er sich an Sophia Loren: "Eine Dame." Lugner wusste um den Werbewert seiner Auftritte für seine City, aber Triebfeder war natürlich seine Lust auf Öffentlichkeit, zelebriert in weitgehender Schmerzbefreitheit. Lugner redete über weitgehend alles, und das so, wie ihm der Schnabel gewachsen war.
Oft übersehen wird sein Management-Talent, sein Gefühl für das Geschäft, die Leidenschaft für die Arbeit in und an seinem Einkaufszentrum. "Gemma Lugner" wurde nicht aus einem Zufall heraus ein geflügeltes Wort, seiner City in seiner City verschrieb er sich mit Leib und Seele. "Gemma Lugner", den Spruch gibt es auch auf Badelatschen verewigt.
So sah Lugner seine 31 Opernballgäste
- 1992 Harry Belafonte "Er ist bald gegangen und mit einer hübschen Frau in einen Mercedes gestiegen."
- 1993 Joan Collins "Der Tisch musste mit einer langen Tischdecke verkleidet werden, weil sie Minirock trug."
- 1994 Ivana Trump "Sie wollte später, dass ihre Tochter Ivanka mit dem Papa am Opernball debütiert, daraus wurde nichts."
- 1995 Sophia Loren "Sie war eine Dame, nett und pünktlich. Auch danach hat sie mich immer wieder angerufen."
- 1996 Grace Jones "Sie hat sich davor in einen Belgier verliebt, mit dem sie angereist ist." (und dann drei Mal Sex in der Loge hatte)
- 1997 Sarah Ferguson "Sie wollte als Ex-Royal offiziell begrüßt werden, der Botschafter hat das abgelehnt."
- 1998 Raquel Welch "Sie hatte Angst, dass man ihre Falten sieht. Ich bin mit ihr im Auto gesessen, da habe ich sie sehr wohl gesehen."
- 1999 Faye Dunaway "Sie kam mit ihrem Sohn und wollte ein Leihauto für ihn, obwohl er 16 war und keinen Führerschein hatte."
- 2000 Jacqueline Bisset "Sie war im Flieger 40 Minuten zu spät, dann flog der Pilot schneller."
- 2001 Farrah Fawcett "Als wir im Imperial essen waren, ist sie durch die Küche gekommen, damit sie die Medien nicht sehen."
- 2002 Claudia Cardinale "Sie hat Interesse an mir gezeigt. Mein Sohn hat sie zum Flughafen gebracht, da hat sie extra noch einmal betont, dass sie mich äußerst nett fand."
- 2003 Pamela Anderson "Sie hat den PETA-Chef mitgebracht, mit dem hatte ich mehr Arbeit."
- 2004 Andie MacDowell "Sie wolle ins Freud-Museum, weil Freud dort angeblich mit seiner Schwägerin zugange war."
- 2005 Geri Halliwell "Sie war sehr kompliziert, an mehr kann ich mich bei ihr nicht erinnern."
- 2006 Carmen Electra "Sie war nett und unkompliziert. Ich habe einen Spalier aus Soldaten organisiert, aber sie kam zu spät."
- 2007 Paris Hilton "Sie war am Höhepunkt der Karriere, hat nur telefoniert."
- 2008 Dita Von Teese "In unserem Kino hat sie im Champagnerglas gestrippt, heute sagt man Burlesque dazu, das klingt besser."
- 2009 Nicolette Sheridan "Ursprünglich wollte ich Eva Longoria, aber die war schwanger. Ich war nicht glücklich, aber sie war nett."
- 2010 Dieter Bohlen "Ausnahmsweise ein männlicher Stargast. Er war nett."
- 2011 Karima "Ruby" el-Mahroug (mit Larry Hagman) "Die Chemie hat absolut gepasst."
- 2012 Brigitte Nielsen, Roger Moore "Er wollte nie Stiegen steigen."
- 2013 Gina Lollobrigida "Sie war meine Jugenschwärmerei. Da sie schon recht alt war, war sie nicht gut drauf."
- 2014 Kim Kardashian "Äußerst schwierig. Sie kam mit einem eigenen Fernsehteam, nichts wurde eingehalten."
- 2015 Elisabetta Canalis "Ich habe mit ihr getanzt, da ist ihr Kleid hinuntergerutscht. Das war in allen Medien."
- 2016 Brooke Shields "Sie war nett und unkompliziert, an Details kann ich mich nicht erinnern."
- 2017 Goldie Hawn "Sehr nett, aber schon älter. Hawn war mir ein Begriff, ich habe viele lustige Filme mit ihre gesehen."
- 2018 Melanie Griffith "Da weiß ich nichts mehr, sie war nicht aufregend."
- 2019 Elle Macpherson "Sie lässt sich wie ich bei Professor Bader in Leipzig behandeln. Putin auch, jetzt wohl nicht mehr."
- 2020 Ornella Muti "Ich wollte eine Skifahrerin, die habe ich auf Nacktfotos angesprochen, da sagte sie ab. Muti war pflegeleicht."
- 2023 Jane Fonda "Sie hat sich über das enge Tanzen gewundert. Das kannte sie aus den USA nicht."
- 2024 Priscilla Presley "Sie schaut für ihr Alter super aus. Ich bin ja auch schon 91 und noch zum Anschauen.“
Dass Lugner eine Lücke hinterlässt, ist eine Binsenweisheit. Aber vermutlich ist nicht allen in den Binsen bewusst, wie tief und breit diese Lücke sein wird, vor allem auch für den Opernball. Lugner hat dem Ereignis die erforderliche gesellschaftliche Breite verliehen. Er war das Bindeglied zwischen Opernkunst und Lebenskunst. Er war das Organisator der Scheinwerfer, die von der ganzen Welt aus auf dieses an sich lächerliche Fest gerichtet waren. Einige Direktoren, vor allem aber Organisatorinnen der Veranstaltung haben das zu seinen Lebzeiten nicht erkannt, es war ihnen vielleicht auch lästig.
Erst der aktuelle Direktor Bogdan Roščić ist Lugner mit der angemessenen wohlwollenden Ernsthaftigkeit gegenübergetreten. Der Society-Baumeister mit dem politisch wenig korrekten privaten Streichelzoo, der Lebensführung eines pubertierenden Teenagers, der Vorliebe für Austern mit Ketchup und dem oft verhaltensauffälligen Kleidungsstil war zuletzt Donator der Oper, bei vielen Vorpremieren zu Gast, zuweilen auch im goldenen Anzug. 2023 bekam er endlich eine Parterre-Loge, die Verbannung auf die oberen Etagen wurde aufgehoben.
Während jedem Hutständer ein goldenes Irgendwas an die Brust geheftet wird, blieb Lugner Zeit seines Lebens weitgehend ordenlos. Das kränkte ihn, aber er sagte nichts. Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer soll sich einmal erfolglos für ihn verwendet haben, schreibt "Krone"-Interviewerin Conny Bischofberger, die mit Lugner lange vertraut war.
Auch für die Medien ist der Tod von Lugner ein Abschied von einer Ära. Der Society-Löwe hatte immer was zu brüllen. Wenn Quote fehlte, dann wurde im Handyspeicher flink nach seiner Nummer gesucht. In Zeiten, in denen Society-Events reine Marketingtermine sind, auf denen gesichtslose Menschen ihr aktuelles Produkt zu Markte tragen, war Lugner ein grandioser Verkäufer seiner selbst. Das wird fehlen, denn es gibt keine Nachfolge, nicht einmal eine Kopie.
Es wäre eine schöne Geste: Wenn der Opernball 2025 über die Bühne geht, dann könnte man doch eine Loge freilassen, ein Bild von Richard Lugner hineinstellen und es zur Tanzfläche hin ausrichten. Dann könnte er dabei zuschauen, wie es am Ball nach seiner Ära zugeht. Der letzte Stargast, den er für den Abend engagiert hat, wäre er selbst. Nebenbei auch der bisher kostengünstigste.