Marcello Gandini, 1938-2024
Der Meister aller Automobilquartette hat seine letzte Karte ausgespielt
Der italienische Automobildesigner Marcello Gandini schuf einige der schönsten Autos der Welt. Am 13. März starb Gandini mit 86.
Niemand schuf in den 1970er-Jahren aufregendere Autos als Marcello Gandini. Der Designer, 1938 in Turin geboren, arbeitete ab 1965 für den berühmten Karosseriehersteller Bertone und entwarf dort als Chefdesigner Automobil-Meilensteine wie den Miura und den Countach für Lamborghini, den Stratos für Lancia oder den Montreal für Alfa Romeo.
Gandinis Autos waren nicht nur die schönsten, sondern meist auch die stärksten, weshalb es damals auch kein Autoquartett gab – jene analogen Kartenspiele, die vor allem bei Buben in der Schule zur Grundausrüstung gehörten –, das ohne die Schöpfungen des Maestros auskam. Und je mehr Kreationen von Marcello Gandini man auf der Hand hatte, desto sicherer war einem der Sieg.
Benzin im Blut Dabei war dem Sohn eines Orchesterdirigenten eigentlich eine Karriere als Pianist vorbestimmt, sein Vater war mit der Berufswahl Gandinis zunächst sehr unglücklich. "Dann ist er einmal mit mir in einem Lamborghini Miura mitgefahren und meinte danach, jetzt hätte er verstanden, dass ich ganz andere Töne zu erzeugen verstehe, die aber ebenso die Menschen verzücken können", erzählte Marcello Gandini einmal lächelnd.
Mehr Techniker als Künstler Dabei war Gandini im Grunde gar kein klassischer Designer, sondern näherte sich seinen Aufgaben immer sehr technisch und rational: Seine Designinteressen würden sich sich auf die Fahrzeugarchitektur, die Konstruktion, die Montage und die Mechanismen des Wagens konzentrieren, nicht auf das Aussehen, erklärte Marcello Gandini im Jahr 2009 dem englischsprachigen "Automobile Magazine". Dass seine Entwürfe dennoch die Fachwelt wie Millionen Laien gleichermaßen zu Begeisterungsstürmen hinrissen, war wohl der Beweis für seinen "Magic Touch", wie er nur sehr selten vorkommt.
Die schönsten Autos der Welt Für die italienische Sportwagenschmiede Lamborghini kreierte Gandini einige der schönsten Autos, die je gebaut wurden. Der Miura, überhaupt der erste Wagen, den der Turiner gestaltete, schlug 1966 ein wie eine Bombe und gehört auch heute noch zu den begehrtesten und teuersten Sportwagen aller Zeiten. Nicht einmal 800 Fahrzeuge entstanden zwischen 1966 und 1972, wer heute einen Lamborghini Miura haben möchte, muss dafür bis zu drei Millionen Euro auf den Tisch legen.
Kuntasch! Der Nachfolger des Miura, der Countach (Achtung: das Wort stammt aus dem piemontesischen Dialekt und wird Kuntasch ausgesprochen, alle Kauntäk-Fans disqualifizieren sich selbst) war optisch wie technisch nochmals radikaler. Seine Karosserie besteht nahezu ausschließlich aus Elementen in Trapezform, sein brachialer Zwölfzylinder-V-Motor mit damals vollkommen übertriebenen 455 PS sorgte für absurde Beschleunigungswerte. Und seine Scherentüren (die Türen klappen dabei beim Öffnen nach oben statt zur Seite) etablierten eine neue Mode im Supersportwagenbau.
Bella Figura Aber Marcello Gandini konnte es, bei allem Faible für Kraft und Hightech, aber auch eleganter. Sein Alfa Romeo Montreal gehört mit zu den schönsten Sportautos, die die Mailänder Schmiede je zustande gebracht hat. Und sein Lancia Stratos, gebaut primär für den Rallyesport und da extrem erfolgreich, war so elegant und fein gezeichnet, dass er auch in jeder Innenstadt eine hervorragende Figur machte. Dazu kamen unzählige Designstudien und Prototypen, von denen der Lancia Stratos Zero hervorgehoben sei – er ist bis heute das flachste Auto, das je gebaut wurde, und seine Lösung mit einer einzigen Türe, die gleichzeitig die Windschutzscheibe ist, gehört auch heute noch zu den kühnsten Ideen im Automobilbau.
Erfolg in Groß-Serie Abseits der italienischen Edelschmieden, schwenkte Marcello Gandini seinen Zauberstab auch über einigen Großserienmodellen und war dabei ausnehmend erfolgreich. Für BMW gestaltete er den ersten BMW-Fünfer mit, seine Designstudie Garmisch für den Hersteller nahm Anfang der 1970er-Jahre diverse Ideen vorweg, die sich Jahre später in den Coupés der Münchner wiederfinden sollten. Für Renault überarbeitete er den Renault 5 grundlegend, für Fiat schuf er mit dem X1/9 ein kleines, feines Sportcoupé, das 15 Jahre im Programm blieb.
Vive la France Seinen – finanziell – größten Erfolg hatte Marcello Gandini allerdings mit dem Citroën BX. Das Mittelklassemodell vereinte die sehr spezielle Designsprache des Italieners mit der technischen Avantgarde der Franzosen, über 2,3 Millionen produzierte Einheiten waren der Lohn für die gelungene Arbeit.
Marcello Gandini starb am 13. März in Rivoli westlich von Turin. Er wurde 86 Jahre alt.