Eugen Freund

Die Angelobungen und ich: So ist das mit US-Präsidenten

Eugen Freund hat viele Angelobungen live erlebt. Volle leere Plätze, ein Präsident im Mafia-Auto und ein Streich: die Geschichte eines Welt-Ereignisses. Und warum unser Bundespräsident nicht dabei ist (und Kurz auch nicht).

Eugen Freund war Moderator der ZiB 1, lebte von 1979 bis 1984 in New York und von 1995 bis 2001 in Washington
Eugen Freund war Moderator der ZiB 1, lebte von 1979 bis 1984 in New York und von 1995 bis 2001 in Washington
Helmut Graf
Eugen Freund
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Die Ordner hatten alle Hände voll zu tun: der Empfang, den der eben angelobte Präsident geplant hatte, geriet völlig aus den Fugen. Die Kellner verschütteten die riesigen Orangenjuice-Behälter, weil ihnen die Menschenmassen entgegen stürmten, Gläser und Porzellan-Geschirr wurden zertrümmert, Männer mit völlig verschmutzten Stiefeln stellten sich auf die mit Damast bedeckten Sessel, um einen besseren Blick auf den Präsidenten werfen zu können. Als der endlich auftauchte, wurde er von den begeisterten Besuchern fast zerdrückt.

Eine (fiktive) Vorschau auf die Inauguration von Donald Trump als neuer US-Präsident? Nein, so ging es nach der Angelobung von Andrew Jackson im Jahre 1829 in Washington zu.

Bei der Angelobung von Andrew Jackson 1829 "zerlegten" Besucher das Weiße Haus
Bei der Angelobung von Andrew Jackson 1829 "zerlegten" Besucher das Weiße Haus
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Zugegeben, daran kann ich mich nicht persönlich erinnern, doch meine erste Inauguration, an der ich in den USA teilgenommen habe, liegt auch schon genau 44 Jahre zurück. Damals war Ronald Reagan mit seinen fast 67 Jahren der älteste Präsident, später sollten ihn Joe Biden und jetzt Donald Trump klar überholen.

Doch nicht das Alter war an diesem Tag das große Thema. Denn während Reagan seinen Eid ablegte, näherte sich ein Flugzeug mit außergewöhnlicher Fracht der Hauptstadt Algeriens, Algier. Drinnen sassen 52 amerikanische Diplomaten, die 444 Tage als Geiseln in Teheran gehalten worden waren.

Ich saß gebannt vor dem Bildschirm, wo die US-Fernsehstationen ständig zwischen der Amtseinführungs-Zeremonie und dem Flughafen in Algier hin und her schalteten. Die Inauguration wurde total überschattet von diesem historischen Ereignis, das die amerikanische Öffentlichkeit - ohne Ausnahme - so lange in Atem gehalten hatte.

Donald Trump mit Ehefrau Melania am Neujahrsball in Mar-a-Lago, Palm Beach, Florida
Donald Trump mit Ehefrau Melania am Neujahrsball in Mar-a-Lago, Palm Beach, Florida
REUTERS/Marco Bello

Diesmal, und das schon lange, sind die USA gespalten wie noch nie. Donald Trump hat schon vor seiner Amtseinführung Angst und Schrecken verbreitet - international vorerst im Bereich des Panama-Kanals, in Grönland aber auch in Kanada. All diese Territorien würde er aus Gründen der "nationalen Sicherheit" - natürlich der der USA - auch mit militärischen Mitteln einverleiben.

Mehr als ein ungutes Gefühl haben national all seine Gegner, gleich ob das nun politische Kontrahenten sind oder solche, die sich bei seinen vielen Gerichtsverfahren nicht gescheut haben, gegen den (Ex-)Präsidenten aufzutreten. Ihnen allen drohte er, sie hinter Gitter zu bringen.

Genau das, was mit ihm nicht passieren wird: er wurde zwar zuletzt in New York wegen der Schweigegeld-Zahlung an eine Prostituierte („Stormy Daniels“), verurteilt, doch er muss dafür keine Strafe absitzen. Dass er freilich als erster Straftäter einen Platz im Weißen Haus einnehmen wird, dürfte er eher wie einen Orden tragen, so viel hat er schon in der Vergangenheit bei ähnlichen Anlässen erkennen lassen.

Van der Bellen bleibt in Wien, hier ist es auch spannend
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Helmut Graf

Wer zur Angelobung kommt, wer nicht

Es gibt keine offizielle Einladungsliste, wer am Montag dabei sein wird, aber einige Namen sickerten durch. Trump hat Chinas Präsident Xi Jinping eingeladen, aber niemand rechnet damit, dass er kommt. Argentinian Präsident Javier Milei dagegen will dabei sein, Italiens Premierministerin Giorgia Meloni ebenfalls, wenn es ihr Terminkalender erlaubt. Auch Ungarn-Premier Viktor Orbán hat sich angesagt.

Brasiliens früherer Präsident Jair Bolsonaro bestätigte eine Einladung, Japans Außenminister Takeshi Iwaya hat zugesagt, ebenso El Salvadors Präsident Nayub Bukele. Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj soll ebenfalls eingeladen sein, ob er kommt, ist unklar.

Die Angelobung besuchen in der Regel die Botschafter der jeweiligen Länder, einzelne Staats- und Regierungschefs sind zu den Partys und Bällen am Rande eingeladen und nehmen dann gegebenenfalls auch an der Vereidigung teil.

Für Österreich besucht diesmal Botschafterin Petra Schneebauer die Veranstaltung. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat (wie viele andere Präsidenten) keine Einladung zu den Side Events und fliegt nicht nach Washington. Und, ach ja, auch Sebastian Kurz ist – Stand jetzt – ebenfalls nicht vor Ort. Dafür FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst, verriet Herbert Kickl am Samstag bei der Neujahrstagung der Partei in Vösendorf.

Angesagt haben sich natürlich Tesla- und X-Eigentümer Elon Musk. Laut Bloomberg kommen Meta-CEO Mark Zuckerberg und Sam Altman, CEO of OpenAI. Beide spendeten je 1 Million Dollar für die Veranstaltung.

Die Gretchenfrage diesmal: Kommt Melania wie 2017 wieder mit?
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Blasmusik und Gebete

Grundsätzlich werden diese vierjährigen Zeremonien in den USA als ein großes Fest abgespielt und wahrgenommen. Das Volk soll hinter dem neuen Führungsteam vereinigt werden und es soll nicht zuletzt dafür gesorgt werden, dass es zu einer geordneten Amtsübergabe kommt.

Und zu diesem Ritual gehören natürlich Blasmusik-Kapellen jeder Zahl, Marschmusik , es wird viel gebetet – auch wenn das Gesetz grundsätzlich vorsieht, dass Religion und Staat zu trennen sind – und der Eid, oft mit der Hand auf eine Bibel, die sich der jeweilige neue Präsident aussuchen kann, oder auch ohne Bibel.

Trump wird wie vor ihm alle Präsidenten - schwören, dass er "die Verfassung der Vereinigten Staaten erhalten, schützen und verteidigen wird". Erstmals als einer, der gerade verurteilt wurde, weil er die Gesetze nicht eingehalten hat.

Dann kommen natürlich noch die Reden: man muss in der Geschichte weit zurück gehen, um einige Sätze daraus dauerhaft in Erinnerung zu behalten, wie etwa John F. Kennedys Aufforderung aus dem Jahr 1961: "Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt."

US-Präsident John F. Kennedy bei seiner legendären Rede am Capitol Hill in Washington, D.C. 1961
US-Präsident John F. Kennedy bei seiner legendären Rede am Capitol Hill in Washington, D.C. 1961
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Wer zu lang spricht, stirbt

Vor etwas mehr als hundert Jahren, genauer im Jahr 1921, sind erstmals Mikrofone und Lautsprecher für die Übertragung aufgestellt worden - davor haben die Zuschauer fast nichts mitbekommen, wenn sie sich draußen in der Kälte anstellten.

1949 hat es dann die ersten Fernseh-Übertragung von der Amtseinführung gegeben, diejenige von Präsident Harry Truman.

Nicht unerwähnt bleiben soll auch noch ein weiterer besonderer Vorfall einer Inauguration: 1841 hatte die Rede sogar zum Tod des Präsidenten geführt: William Henry Harrison war mit seinen 68 Jahren der bis dahin älteste Präsident. Um zu beweisen, wie widerstandsfähig er war, hielt er an diesem eisig kalten Tag eine besonders lange Rede, und war dafür nicht einmal winterlich bekleidet. Zwei Stunden dauerte dieser Sermon, einen Monat später starb er an einer schweren Lungenentzündung.

William Jefferson "Bill" Clinton hier bei seiner Angelobung 1993
William Jefferson "Bill" Clinton hier bei seiner Angelobung 1993
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Da habe ich, 156 Jahre später, noch Glück gehabt: zwar nicht am Tag der zweiten Inauguration von Bill Clinton selbst, aber zwei Tage davor. 18. Jänner 1997: In Washington soll es das größte Feuerwerk seit 1976 geben. An zehn verschiedenen Stellen der Stadt werden Vorbereitungen getroffen, damit rechtzeitig um 18 Uhr der Himmel erstrahlt.

Wir fahren mit dem österreichischen Generalkonsul Walter Kalteis nach Fort Myers, eine Armeesiedlung, die auf einer Anhöhe liegt, von der man aus einen tollen Blick auf Washington hat. Wir haben uns warm angezogen, denn draußen bläst ein eiskalter Wind bei Temperaturen um minus 8 Grad.

Wir sitzen so lange es geht im Auto und laufen dann gemeinsam mit ein paar Dutzend anderen Zuschauern zu der Stelle, von der aus man die beste Sicht hat. Mir frieren bald die Finger ab, denn ich muss eine Kamera am Stativ festschrauben, was mit Handschuhen nicht geht.

Als es dann endlich Punkt 18 Uhr losgeht, drücke ich gleich auf den Auslöser: wie kalt es ist, merke ich daran, dass der Kameraauslöser statt, wie programmiert, nach einer halben Sekunde wieder schließt, ein paar Sekunden braucht, bis es der Auslöser endlich geschafft hat. Das Ganze dauert nur eine Viertelstunde, aber am Ende bin ich total erfroren. Im Auto wird mir sogar übel, weil meine Finger völlig gefühllos geworden sind - aber die Aufnahmen vom Feuerwerk über dem Capitol waren es wert.

Das spektakuläre Feuerwerk bei der Amtseinführung von Bill Clinton 1993
Das spektakuläre Feuerwerk bei der Amtseinführung von Bill Clinton 1993
Eugen Freund

Die Mall ist voll (oder auch nicht)

Ein weiterer Gradmesser, der nicht zuletzt auch von den Außentemperaturen abhängig ist, wird ebenfalls immer genau unter die Lupe genommen: die Zahl der Fans, die in der dem Kapitol angrenzenden Mall in der Kälte zittern werden: Donald Trump hatte ja bei seiner ersten Amtseinführung behauptet, damals sei die größte Menschenmenge („aller Zeiten“, was sonst) gezählt worden.

Doch Luftaufnahmen aus der Zeit von Barack Obamas Inauguration haben genau das Gegenteil bewiesen. Tagelang lagen sich danach die zwei Lager in der Haaren, Trump wollte von seinem Größenwahn nicht abgehen.

Ebenfalls genau beobachtet wird, ob der Präsident (mit seiner Frau? Bei Trump ist das nicht so sicher) aus dem Wagen aussteigen wird, um die letzten Meter vor dem Weißen Haus zu Fuß zurück zu legen.

Trumps erste Angelobung: vor der "größte Menschenmenge aller Zeiten“, oder?
Trumps erste Angelobung: vor der "größte Menschenmenge aller Zeiten“, oder?
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Präsident im Auto von Mafia-Boss

Die Fahrtstrecke zwischen dem Kapitol und dem Amtssitz beträgt rund drei Kilometer. Auch hier gab es vor etwas mehr als einem Jahrhundert die erste große technische Änderung: Präsident Warren Harding war 1920 der erste Präsident, der mit einem Auto die Amtseinführungsparade befuhr.

Präsident Franklin D. Roosevelt (1933 bis 1945) benützte zum ersten Mal einen schusssicheren Wagen - der Vorbesitzer des 1928 Cadillac 341A Town Sedan soll der berühmte Gangster Al Capone gewesen sein. Das behauptet zumindest Michael F. Reilly, der Roosevelt vom Secret Service zugewiesen worden war, in seinen Memoiren.

Auch der Secret Service erzählt die Anekdote auf seiner Webseite. Ein Bundesgesetz habe damals den Kauf von Autos verboten, die mehr als 750 Dollar kosteten. Da erinnerte man sich an das schussichere Cabrio von Capone, das 1932 vom Finanzministerium wegen Steuerhinterziehung beschlagnahmt worden war. Es musste nur umlackiert werden. Bei einer Versteigerung erzielte der Wagen 2021 einen Preis von 341.000 US-Dollar.

Präsident Lyndon B. Johnsons (1963 bis 1969) schusssicheres Fahrzeug war darüberhinaus erstmals völlig geschlossen. Bis dahin war zumindest die hintere Sitzreihe so gebaut, dass der jeweilige Präsident auch aufstehen und sich so dem Volk zeigen konnte.  Mit der Ermordung seines Vorgängers John F. Kennedy ging man von dieser Bauweise ab.

Im Auto des Mafia-Bosses? Franklin D. Roosevelt (r) mit Vorgänger Herbert Hoover am Weg zur Angelobung
Im Auto des Mafia-Bosses? Franklin D. Roosevelt (r) mit Vorgänger Herbert Hoover am Weg zur Angelobung
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Barack Obamas Secret Service ließ einen einen brandneuen Cadillac bauen, der freilich mit den Modellen, die im Schaufenster zu sehen waren, nicht mehr viel gemein hatte. Nicht nur ist der Wagen mit Titanium belegt, die Scheiben sind 13 Zentimeter dick, im Inneren gibt es einen Kühlschrank mit ausreichend Blutkonserven, Der Innenraum ist außerdem luftdicht, um die Insassen auch vor einem chemischen Angriff zu schützen.

Das Secret Service gab diesem Wagen den Beinamen: "The Beast". Dieser Wagen ist immer noch im Dienst. Die präsidentiellen Limousinen werden, wenn sie ihr Alterslimit erreicht haben, unter Aufsicht des Secret Service verschrottet, damit niemand ihre speziellen Einrichtungen an verfeindete Staaten weitergeben kann.

Im Prinzip hätten die es auch leichter, sich die gepanzerten Limousinen genauer anzusehen, weil die mit dem US-Präsidenten immer ins Ausland mitgenommen werden - wie etwa 2006, als George W. Bush bei seinem Besuch in Wien den Wagen neben der Zuckerbäcker-Stiege im inneren Burghof parkte.

"The Beast" 2006 neben der Zuckerbäcker-Stiege im inneren Burghof in Wien
"The Beast" 2006 neben der Zuckerbäcker-Stiege im inneren Burghof in Wien
Eugen Freund

Buchstaben von Tastatur entfernt

Die eigentliche Amtsübergabe findet dann im Weißen Haus statt. Dort wartet der nunmehrige Ex-Präsident beim Eingang auf seinen Nachfolger (was Trump im Jahr 2020 nach seiner verlorenen Wahl nicht getan hatte). Man wechselt ein paar Worte, das eine Paar geht hinein, das andere steigt in einen bereitgestellten Wagen und fährt ab.

Es gehört auch zur Tradition, dass der "alte" Präsident dem "neuen" im Schreibtisch einen Brief hinterlässt, in dem er ihm - im Wesentlichen - gute Wünsche für die kommende Amtszeit ausrichtet.

Alle persönlichen Artifakte, wie Computer, Festplatten, USB-Sticks, aber auch Kalender und dergleichen werden ebenfalls noch am Vormittag ausgetauscht. Als George W. Bush 2001 ins Weiße Haus einzog, beschäftigte sich danach monatelang eine eigene Kommission mit fehlenden Utensilien: Mitarbeiter von Präsident Clinton hatten Türschnallen, Medaillons, Bilderrahmen und sogar "neun bis elf" TV-Fernsteuerungen entfernt.

Auf der Tastatur des Computers von George W. Bush wurde der Buchstabe W entfernt
Auf der Tastatur des Computers von George W. Bush wurde der Buchstabe W entfernt
TIMOTHY A. CLARY / AFP / picturedesk.com

Und dann hatten sie sich noch einen besonderen Streich ausgedacht: sie entfernten auf den Tastaturen der White-House-Computer alle "Ws", also den mittleren Buchstaben aus Bush’s Vornamen. Eine Bosheit, die vor allem die Medien genüßlich rauf und runter spielten.

Apropos spielen: gegen Abend fangen dann die vielen unterschiedlichen Bälle an: um 18 Uhr beginnt der "Commander-in-Chief-Ball", gleichzeitig der "Eastern Inaugural Ball" (für die Staaten im Osten der USA).

Die anderen Bundesstaaten, im Süden, im mittleren Westen und die an der Westküste halten ihre eigenen Tanzveranstaltungen rund zwei Stunden später ab. So tanzt man dann bis weit nach Mitternacht.

Und dann - irgendwann am Morgen - kommt die Stunde der Wahrheit: was passiert mit dem Ukraine-Krieg, den Trump ursprünglich "in den ersten 24 Stunden" seiner Amtszeit lösen wollte? Was geschieht mit den illegalen Einwanderern, die der Präsident millionenfach über die Grenze deportieren will? Und was mit China, Europa, Grönland, dem Panama-Kanal, dem "Golf von Mexiko", und, und, und?

Die Inauguration ist nur der - in diesem Fall - belanglose Anfang, danach wird noch viel zu berichten sein.

Eugen Freund war Moderator der ZiB 1, lebte von 1979 bis 1984 in New York und war von 1995 bis 2001 in Washington als ORF-Korrespondent tätig. Er war Teil der SPÖ-Delegation im Europa-Parlament und ebendort Mitglied der USA-Delegation (2014-2019)

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