Neue Regierung

"Die Menschen wollen ihr Hackerl, ihr Papperl, ihr Dacherl und ihr Wagerl"

Meinungsforscher und Politik-Experte Peter Hajek über die aktuellen Koalitions-Verhandlungen, was bei den Gesprächen bisher falsch gelaufen ist und wann wir eine neue Regierung haben werden. Als Text und als Podcast.

Peter Hajek, Meinungsforscher, Politologe, Uni-Lektor und Politik-Experte
Peter Hajek, Meinungsforscher, Politologe, Uni-Lektor und Politik-Experte
Helmut Graf
Christian Nusser
Akt. Uhr
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Seit fast fünf Monaten ringt Österreich um eine neue Regierung, Medaillen verdienen sich die Verhandler bisher nicht. Peter Hajek ist promovierter Politikwissenschafter, mit seinem Institut "Unique Research" der beste Meinungsforscher des Landes und TV-Experte. Im Podcast-Interview mit Newsflix zieht er einen weiten Bogen vom Sport bis zur Politik. Peter Hajek über:

Wie er die Ski-WM gefunden hat
Also ich bin bei Stefan Eberharter und Hermann Maier ausgestiegen.

Was der exotischste Ort war, an den er als Fußballfan gereist ist
Ich war im letzten Sommer mit Rapid in Krakau.

Peter Hajek im Podcast-Interview

Ob er das Scheitern von FPÖ und ÖVP erwartet hat
Nein, weil das Orakel vor zwei Wochen gesagt hat, das geht sich aus, wir werden beim nächsten Podcast über die neue Bundesregierung sprechen, und das ist nicht eingetreten.

Warum nicht?
Naja, ich glaube, dass Herbert Kickl ein bisschen ein Gambler ist.

Abschied vom Kanzlerjob: "Ich glaube, dass Herbert Kickl ein bisschen ein Gambler ist"
Abschied vom Kanzlerjob: "Ich glaube, dass Herbert Kickl ein bisschen ein Gambler ist"
Helmut Graf

Was das heißt
Er hat sich gedacht, ich gebe mich nicht mit Kompromissen ab, die mich behindern können in meiner Agenda, wie auch immer diese Agenda tatsächlich aussieht, sondern ich möchte in einem Aufwaschen ratzfatz machen und dafür brauche ich unbedingt das Innenministerium. Das hat er nicht bekommen.

Was die Strategie ist
Er geht wahrscheinlich davon aus, dass die beiden aktuellen Verhandler, auch wenn sie in eine Regierung kommen, vielleicht dort wieder grandios scheitern und dann ist er so in ein, zwei, drei Jahren wieder stärker zurück. Also diese Spieltheorie könnte man annehmen.

Er gibt die historische Chance auf, erster blauer Kanzler zu werden, nur weil er ein Ministerium nicht bekommt ...
Ja, das habe ich mir auch gedacht. Aber man muss schon sagen, Herbert Kickl hat uns alle in den letzten Monaten und auch Jahren immer "eines Besseren" belehrt.

Was das heißt
Ich war jemand, der gesagt hat, Herbert Kickl hat nach dem Ibiza-Skandal die Partei stabilisiert, aber mit ihm an der Spitze wird man keine Mehrheiten erlangen können, weil er zu hart positioniert ist. Und siehe da, genau das Gegenteil ist eingetreten.

Früher nannte er ihn "Mumie", zuletzt sprach Herbert Kickl wohlwollend über den Bundespräsidenten
Früher nannte er ihn "Mumie", zuletzt sprach Herbert Kickl wohlwollend über den Bundespräsidenten
Reuters

Wem die Österreicher die Schuld fürs Scheitern geben
Im Großen und Ganzen irgendwie beiden. Wie meine Mutter immer zu mir gesagt hat, wenn ich mit meinem Bruder einen Wickel gehabt habe: Zum Streiten gehören immer zwei.

Ob Kickl gar nicht Kanzler werden wollte
Das stützt eigentlich das, was ich vorher gesagt habe. Er geht hinein und sagt, ich bekomme genau das, was ich will und was ich für meine Politik brauche und wenn ich das nicht bekomme, bin ich draußen. Ich mache sicher keine halben oder dreiviertel Sachen.

Woher diese Sichtweise rührt
Weil ihm das seine Erfahrung sagt, zum Beispiel aus der Koalition 2000 bis 2002. Das war ein halber Weg, den man hier beschritten hat.

Ob Kanzler in diesem Umfeld ein Albtraumjob ist
Wenn ich keine Vision entwickle von diesem Land – und das tut leider Gottes bis zum gewissen Grad fast keine Partei –, dann ist das natürlich ein undankbarer Job. Wir drehen an kleinen Stellschrauben. Ja, dann ist das natürlich ein furchtbarer Job, weil ich nichts entwickeln kann.

NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger stellte den Verhandlern einen Baum auf
NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger stellte den Verhandlern einen Baum auf
Helmut Graf

Was Österreich jetzt braucht
Es braucht über eine Budgetsanierung hinaus einen größeren Wurf als das, was hier auf den Tisch gelegt wurde von allen Verhandlern. Nämlich sowohl bei den Verhandlungen über eine Dreier-Koalition, als auch über eine Zweier-Koalition.

Ob sich die NEOS in den Hintern beißen, dass sie aufgestanden sind
Da müssen Sie die Beate Meinl-Reisinger fragen.

Was wollen die Österreicher eigentlich? Wahlen? Minderheitsregierung? Expertenregierung? Gar nichts?
Ich kann Ihnen eines sagen, was sie wollen, und das ist eine alte Weisheit von Josef "Happy Pepi" Staribacher (Minister in der Regierung Kreisky von 1970 bis 1983, Anm.): Die Menschen wollen ihr Hackerl, ihr Papperl, ihr Dacherl und für den kleinen Luxus ihr Wagerl.

Was das in der heutigen Zeit bedeutet
Die Menschen sagen: Macht da draußen, was ihr wollt, oder da oben was ihr wollt. Wir wollen einfach einen Job haben, eine Bildung für unsere Kinder, ein gescheites Gesundheitssystem, wo ich mich nicht anstellen muss, ich hätte gerne eine halbwegs ordentliche Pension, das Werkl soll rennen und sonst lost's mi im Kraut.

Andreas Babler & Co: Umfragen sind nicht sinnlos, aber man muss sie ganz ganz vorsichtig genießen
Andreas Babler & Co: Umfragen sind nicht sinnlos, aber man muss sie ganz ganz vorsichtig genießen
Helmut Graf

Ob Umfragen momentan sinnlos sind
Sinnlos ist falsch, aber man muss sie ganz ganz vorsichtig genießen.

Wann sie wieder Sinn ergeben
Wenn es denn irgendwann eine Regierung gibt, dann lässt man noch ein paar Wochen ins Land ziehen und dann wird die Stimmung wieder greifbarer werden.

Was bei den Regierungs-Verhandlungen nun rauskommt
Ich bin mit dem Josef Cap in einer Diskussion gesessen und er hat da eines gesagt, das habe ich sehr gut gefunden: Wenn die beiden Verhandler jetzt dort beginnen, wo sie letzten Mal aufgehört haben, dann kann man es schon wieder vergessen.

Warum das zum Scheitern verurteilt ist
Man muss dieses Ding mehr oder weniger neu denken. Ich bin zwar durchwegs beim Bundespräsidenten, wenn er sagt "Kompromissfähigkeit", aber erinnern wir uns beide bitte. Kompromiss war in Österreich auch oft ein bleierner schreiender Stillstand.

Auf halbem Weg stecken geblieben: Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am 12. Juni 2000 als Beifahrer im Porsche von Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider
Auf halbem Weg stecken geblieben: Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am 12. Juni 2000 als Beifahrer im Porsche von Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider
Picturedesk

Wann das besonders merkbar war
Ende der 1990er-Jahre. Da hat er zum Aufstieg der Freiheitlichen beigetragen, damals unter Jörg Haider. Auch in den Jahren 15, 16, 17 war das alles schon sehr langsam verkrustet. Es hat sich nichts mehr bewegt.

Was das für die aktuellen Verhandlungen heißt
Es entsteht dieses klassische Spiel, wie es mir auch ein SPÖ-Verhandler aus der ersten Runde gesagt hat: "Wenn die ÖVP und die SPÖ aufeinandertreffen, dann wissen wir, was wir bei ihnen nicht angreifen und die wissen das bei uns auch." Wenn man dort weitermacht, dann wird nichts entstehen. Ich muss den Willen haben zu sagen, ich möchte ein anderes Zukunftsbild für dieses Land entwickeln.

Ob wirklich Reformen zu erwarten sind
Jetzt kommt wieder eine Analogie zum Fußballspielen. Ich habe vor mir einen übermächtigen Gegner, aber ich gehe da hinaus und sage, wir haben keine Chance, also nützen wir sie.

Ob das momentane Spitzenpersonal dafür das Richtige ist
Nein.

Wird Christian Stocker Kanzler? Es kann was werden, sagt Hajek, aber mir fehlt die große Erzählung
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Helmut Graf

Ob es klug ist, nur zu zweit zu verhandeln
Ja, die NEOS haben genau auf dieses Problem hingewiesen. Sie sind aufgestanden und haben gesagt, mit den zwei geht's nicht, weil die zwei nicht miteinander können.

Was das für den möglichen dritten Partner heißt
Soweit ich das verstanden habe, möchten die NEOS nicht mehr Teil einer Koalition sein, aber ihre Themen im Parlament voranbringen. Sehr spannend finde ich die Grünen, die nobel an der Seitenlinie stehen wie ein Trainer. Die Grünen zeigen überhaupt nicht auf.

Ob aus Türkis-Rot etwas werden kann
Ja, nur fehlt mir der Glaube an die große Erzählung und dass man versucht, tatsächlich Österreich zukunftsfit zu machen.

Ob alle Parteien abseits der FPÖ nicht Gefahr laufen, als "Einheitspartei" wahrgenommen zu werden
Ja, aber das lässt sich nicht verhindern. Kickl bestimmt sein Spielfeld, nicht die anderen.

Es ist vollkommen wurscht, was die anderen machen, Kickl bestimmt das Spielfeld
Es ist vollkommen wurscht, was die anderen machen, Kickl bestimmt das Spielfeld
Picturedesk

Aber die anderen Parteien müssten ja nicht mitmachen …
Kickl wird das trotzdem behaupten.

Ob das funktioniert
Ein Beispiel: Ich habe, während noch die Gespräche mit der FPÖ liefen, mit ÖVP-Leuten gesprochen und sie gefragt, ob sie Parallelverhandlungen führen. "No way", war die Antwort, "weil wir uns diesem Vorwurf nicht aussetzen wollen." Und ich habe gesagt, da könnt ihr ganz beruhigt sein. Wenn diese Verhandlungen scheitern, wird der Vorwurf kommen. Kickl wird automatisch sagen, die haben parallel verhandelt, jetzt kommt das heraus.

Was die Strategie der FPÖ ist
Es ist vollkommen wurscht, was die anderen machen. Das ist die große Kunst der Freiheitlichen und von Herbert Kickl. Wir gehen aufs Spielfeld und spielen unser Spiel. Wir achten gar nicht auf die anderen. Wir kommunizieren mit unseren Zielgruppen über unsere Kanäle und denen erzählen wir unsere Story. Ende der Durchsage.

Vor Ostern haben wir eine neue Regierung, sagt Peter Hajek, verrät aber nicht das Jahr
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Helmut Graf

Was wir früher haben, einen Dancing Star oder eine Regierung
Das kann ich nicht sagen, weil ich Dancing Stars nicht verfolge. Ich bin furchtbar old fashioned, ich lese Bücher, nämlich wirklich gebundene.

Und jetzt ohne Blick auf Dancing Stars
Also ich lehne mich jetzt nicht sehr weit aus dem Fenster, aber ich glaube vor Ostern.

Peter Hajek ist Geschäftsführer und Eigentümer von "Unique Research", promovierter Politikwissenschafter und akademisch geprüfter Markt- und Meinungsforscher. Beschäftigt sich seit 25 Jahren mit empirischer Sozialforschung. Lehraufträge an Universitäten, Fachhochschulen

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