"Holidays in Austria"
Eine Liebe, eine Badewanne und ein Urlaub vor 70 Jahren
Ein britisches Paar reiste 1953 durchs Nachkriegs-Österreich. Die 400 Bilder davon werden nun im "Haus der Geschichte" in Wien ausgestellt. Rührend und sehenswert!
Es ist kein verklärender Blick auf die gute, alte Zeit, der hier geworfen wird. Aber es ist schon zu merken, dass die Welt noch eine andere war. Deshalb standen Eric Hope auch kein Handy und keine Digicam zur Verfügung, sondern er ging, als er wieder daheim war in London, schnurstracks ins Badezimmer und entwickelte dort die Fotos aus Österreich in Eigenregie. In Farbe und in Schwarzweiß. Es waren eine ganze Menge. Hunderte Bilder, nur die besten sortierte er aus und klebte sie in zwei Alben. Die Liebe war schuld daran.
Land der Zufälle Es war reiner Zufall, dass eine ehemalige Mitarbeiterin aus dem "Haus der Geschichte Österreich" vor ein paar Jahren nach London übersiedelte und dort zufällig zu studieren begann. Zufällig traf sie dort auf eine Universitätsprofessorin und die erzählte zufällig, dass ihre Familie Österreich so gern habe. Der Zufall wollte es, dass sich das Gespräch vertiefte und deshalb startete am Mittwoch in der Hofburg eine zauberhafte Schau. Mit 70 verschiedenen Arten von Mozartkugeln, Knipserl-Fernsehern, dem "Plastikop", zum Durchklicken und der "Mariandl"-Speisekarte mit der Tagesempfehlung von Gunther Philipp: "Original Wachauer Saumaise".
Ende der "Butterkinder" 1953 war ein Wendejahr für Österreich. Die Lebensmittelmarken liefen aus, es gab keine Rationierungen etwa auf Zigaretten mehr, man konnte nun zwischen den Besatzungszonen hin- und herfahren. Die Ära der "Butterkinder" ging zu Ende, der unterernährten Mädchen und Buben, die nach dem Krieg aufs Land, in die Schweiz oder nach Spanien geschickt wurden, um dort aufgepäppelt zu werden. Der Tourismus begann aufzublühen, Wien zählte 110.00 Gäste. Im Vorjahr waren es 17,3 Millionen Nächtigungen.
Eine verbotene Liebe Österreich galt als billiges Urlaubsland, und deshalb entschlossen sich Eric Hope, Angestellter eines Warenhauses, und Joyce Ewers, eine Grundschullehrerin, ihre Sommerferien bei uns zu verbringen. Es gab auch einen Hintergedanken. Eric war frisch geschieden, Joyce seine neue Liebe, unverheiratet durften sie in England nicht zusammenleben, das verbot das Gesetz. In Österreich war das wurscht. Schnitzlers "Reigen" ist nicht aus einem Zufall heraus bei uns entstanden.
"Fotoalbum war ein Schatz" Es gefiel ihnen so gut, dass sie 1954 wiederkamen (und später noch viel öfter), denn Österreich hatte magische Wirkung entfaltet. Nachdem Eric Hope nämlich die Bilder in der Badewanne entwickelt hatte, sie in zwei kartongebundene Alben mit jeweils 90 Seiten geklebt waren, nur die allerbesten natürlich, und er das Ergebnis seiner Angebeteten quasi zu Füßen gelegt hatte, sagte sie 1957 Ja. "In meiner Familie wurden die Alben von da an wie ein Schatz behandelt", sagt Julia Hope, die Tochter des Liebespaares. Sie war am Mittwoch bei der Eröffnung der Ausstellung in Wien. Es wurden Mozartkugeln verteilt.
Gute Zeiten, schlechte Zeiten Es ist eine ganz besondere Zeitreise, auf die man hier am Alma Rosé Plateau in der Hofburg geschickt wird. Eric und Joyce bereisten ziemlich viel Österreich, die Bilder zeigen eine Momentaufnahme eines Landes in der Phase seiner Selbstfindung. Nach der Zeit der Dunkelheit war es auch eine Suche nach den hellen Seiten des Lebens und der Welt – als Eric Hope den Stephansdom fotografierte, versuchte er im Hintergrund nicht das zerstörte Wien zu zeigen, sondern das wiederaufgebaute.
Es gibt auch diese Bilder: Vom Kärntner Zimmervermieter, der einen Zubau errichtet, um mehr Gäste unterbringen zu können. Als Material dienen ihm die Trümmer der Baracken des Konzentrationslagers Loibl.
Foto als Liebesbeweis Es gibt in der gesamten Sammlung nur ein Bild, auf dem beide gemeinsam zu sehen sind, weil ja immer einer fotografieren musste und die Selfie-Funktion auf den Fotoapparaten noch eine unbekannte Größe war. Es zeigt Eric und Joyce beim Westbahnhof. Er hat ein Bild von sich und ein Bild von ihr zerrissen und zusammenklebt, damit es aussieht als wäre es eines. Liebe ist …
Ziemlich barock Das Museum hat die Fotos des britischen Paares geschickt mit zusätzlichen "Zeitzeugen" aller Arten eingerahmt. Werbeplakate, ein Dirndl, Fotos von damaligen Fremdenzimmern, Tondokumente, ein Video namens "Tipptopp", in dem Zimmervermietern erläutert wird, wie sie richtig mit ausländischen Gästen umgehen sollen. Dazu ein Barocktisch, der nicht aus dem Barock stammt, sondern den Tischler Posposil in Wien-Landstraße 1947 im Auftrag der Präsidentschaftskanzlei gezimmert hatte, die ein Jahr davor in die Hofburg eingezogen war. Bundespräsident Karl Renner hatte sich das Möbelstück gewünscht. Er wollte eine direkte Brücke geschlagen wissen zwischen den Habsburgern und sich selbst. Die Monarchie begann wieder angesehen zu werden in diesen Tagen.
Eric und Joyce Hope sind vor ein paar Jahren gestorben. Ihr Vermächtnis wird nun in Wien ausgestellt. Es ist gut investierte Zeit sich das anzuschauen.
"Holidays in Austria", 14. März 2024 bis 6. Jänner 2025, "Haus der Geschichte Österreich", Hofburg - Heldenplatz, Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag 10 bis 21 Uhr. Eintritt für Erwachsene 9 Euro, Familienkarte 15 Euro. Es gibt kuratierte Führungen und Kombiführungen mit dem Architekturzentrum Wien, Infos dazu unter www.hdgoe.at/events