Knochenfund

Es kann sein, dass Ihr Weihnachten heuer mörderisch wird

... und daran könnte Beate Maly schuld sein. Die Wiener Autorin gilt als als Königin des "Cozy Crime" und Meisterin historischer Kriminalromane. Eben ist der neueste Fall der Bestseller-Autorin erschienen. Angela Szivatz sagt, was drinsteht.

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Auch schon wieder fast 100 Jahre her. Aber auch damals schon waren Wiener Mehlspeisen mörderisch gut. Und das ist in diesem Zusammenhag fast wortwörtlich gemeint.

Herbst 1925, Ernestine Kirsch, die lebenslustige, neugierige und scharfsinnige "Hobbyermittlerin" des Buches, lockt ihren naschhaften, bequemen und liebenswürdigen Partner Anton Böck mit der Aussicht auf Powidltascherl in den Böhmischen Prater. Als ihr Cockerspaniel Minna unter dem Musikpavillon der Gaststätte menschliche Knochen ausgräbt, sind die beiden wieder einmal mitten in einem Kriminalfall gelandet.

"Mord im Böhmischen Prater" heißt der neue Historienkrimi von Beate Maly. Was Sie über Autorin und Werk wissen sollten:

Wer ist Beate Maly?
Die österreichische Bestsellerautorin ist viele. Sie veröffentlicht nicht nur bei sieben unterschiedlichen Verlagen, sie firmiert bei ihren Historischen Romanen auch unter den Namen Lina Jansen und Laura Baldini.

Beate Maly gibt es gleich drei Mal – die Wienerin publiziert auch unter den Pseudonymen Laura Baldini und Lina Jansen
Beate Maly gibt es gleich drei Mal – die Wienerin publiziert auch unter den Pseudonymen Laura Baldini und Lina Jansen
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Wie kam es dazu?
Zu Laura Baldini wurde sie 2020 auf Wunsch des Verlages, der ihr Buch "Lehrerin einer neuen Zeit" über Maria Montessori veröffentlichte. Das Buch wurde ein Spiegel-Bestseller. 2022 kam Lina Jansen dazu. Inzwischen hat Maly rund 40 Bücher geschrieben, einige davon in insgesamt 14 Sprachen übersetzt.

Woher kommt die Autorin?
1970 in Wien geboren, lebt sie bis heute dort. Zunächst absolvierte sie eine Ausbildung zur Kindergartenpädagogin, holte später ein Masterstudium an der Universität Wien, dann wurde sie mobile Frühförderin.

Wie wurde sie Autorin?
Geschrieben, so Maly, habe sie schon immer. Neben Kindergeschichten veröffentlichte Maly auch pädagogische Fachbücher, bevor sie mit einem Autorenstipendium 2008 ihren ersten historischen Roman mit dem Titel "Die Hebamme von Wien" veröffentlichte.

Ist sie erfolgreich?
Kann man wohl sagen. Sie schreibt für renommierte deutsche Verlage, ihr letzter historischer Roman "Aspergers Schüler" wurde hochgelobt. 2019 und 2023 war sie für den Leo-Perutz-Preis nominiert. 2021 wurde Baldini/Maly für "Lehrerin einer neuen Zeit" mit dem Silbernen Homer (Preis für historische Romane bis 1930) ausgezeichnet.

"Mord im böhmischen Prater" von Beate Maly ist eben erschienen
"Mord im böhmischen Prater" von Beate Maly ist eben erschienen
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Wovon erzählt "Mord im Böhmischen Prater"?
Vordergründig ist das Buch ein Krimi. Die erste Leiche buddelt Minna, der Hund der beiden Hauptfiguren Ernestine und Anton, bei einem Vergnügungsausflug auf dem Laaer Berg aus. Rasch verbreitet sich das Gerücht, es könnte sich dabei um die vor sechs Jahren spurlos verschwundene Mizzi Novotny handeln. Auch wenn einige damals geglaubt hatten, sie wäre mit einem reichen Mann verschwunden.

Wie entwickelt sich der Roman?
Kurz darauf stirbt ein gebildeter Arbeitsloser, der durch den Krieg und die folgende Wirtschaftskrise seinen Job bei einer Bank verloren hat. Im Lauf der Handlung gibt es weitere Tote, das Motiv bleibt – wie es sich für einen guten Krimi gehört – die längste Zeit unklar.

Wer klärt den Fall auf?
Offiziell ermittelt Erich Felsberg, der Schwiegersohn von Anton Böck und kürzlich zum Oberkommissar befördert. Doch die wahren Ermittler sind hier schon zum neunten Mal die pensionierte Lateinlehrerin Ernestine Kirsch und ihr Lebensgefährte, der inzwischen ebenfalls pensionierte Apotheker Anton.

Was für eine Romanfigur ist Ernestine?
So eine Art Miss Marple. Sie wittert Verbrechen, kaum, dass sie begangen worden sind. Beharrlich und gegen jeden Widerstand ihres Liebsten befragt sie, bohrt freundlich nach, analysiert und kombiniert. Anton Böck kann ihr, ähnlich wie einst Mr. Stringer in einigen Agatha Christie-Filmen, nicht immer sofort folgen, ist aber in entscheidenden Momenten aufmerksam und trägt sein Schäuflein zur Auflösung der Fälle bei. Auch als fürsorglicher Vater und Opa besticht er.

Angela Szivatz ist Autorin, Moderatorin und Literatur-Kritikerin für Newsflix
Angela Szivatz ist Autorin, Moderatorin und Literatur-Kritikerin für Newsflix
Helmut Graf

Was ist diesmal anders?
Was gleich blieb: Man mag die beiden Hauptdarsteller gleich und muss bei vielen ihrer Geplänkel als Pärchen ertappt lächeln. In diesem neunten Krimi beschließt auch Antons etwa 9-jährige Enkeltochter Rosa, mit ihrem Schulfreund Fritzi kriminalistisch tätig zu werden.

Aber das Buch ist kein Krimi allein, oder?
Nein, die Milieuschilderungen der Bewohner des Böhmischen Praters zeichnen ein klares Bild der trostlosen Zeit.

1925 ist Wien gekennzeichnet von sozialen Problemen, die eindrücklich an der Arbeitssituation der sogenannten "Ziegelbehm", vor allem Arbeiter aus Böhmen, dargestellt werden. 12 bis 14-stündige Arbeitstage für die ganze Familie, ein Leben in schimmeligen, stinkenden Baracken ohne Wasser und Strom und extreme Ausbeutung durch die reichen Besitzer der Ziegelwerke im 10. Wiener Bezirk prägten den Alltag der Arbeiterinnen und Arbeiter vor und nach dem 1. Weltkrieg.

Was kann das Buch dabei leisten?
Beate Maly hat sehr gut recherchiert und schildert diese Umstände mit psychologischem Gespür und Feingefühl. Der Kriminalroman bildet verschiedene soziale Schichten ab und bringt deren Charaktere auf glaubhafte und selbstverständliche Weise miteinander in Kontakt.

Historischer Hintergrund: Der Teich eines Ziegelwerkes in Wien
Historischer Hintergrund: Der Teich eines Ziegelwerkes in Wien
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Geht es auch um Politik?
Ja, die politische Situation der 1920er-Jahre findet ihren Niederschlag. Das beginnt schon im ersten Kapitel, als Anton Böck und Ernestine Kirsch über die Selbstbewaffnung des sozialistischen Schutzbundes als Antwort auf die ebenfalls bewaffneten Heimwehren der Christlichsozialen, diskutieren.

Was lernt man aus dem Buch?
Im Verlauf des Buches wird auch die Errichtung der ersten Wiener Gemeindebauten als Antwort des "Roten Wien" auf die katastrophalen Wohnverhältnisse der Arbeiterschaft erwähnt. Am Beispiel des verwaisten Sohnes von Mizzi Novotny wird die entstehende Kinder- und Jugendfürsorge und die 1925 eröffnete Kinderübernahmestelle KÜST erwähnt, die erste derartige Institution in Europa.

Alle Titel mit Ernestine und Anton, ab 1922 als "Detektive" aktiv

  • Tod am Semmering (2016)
  • Tod an der Wien (2017)
  • Mord auf der Donau (2018)
  • Tod in Baden (2019)
  • Mord im Auwald (2020)
  • Mord auf dem Eis (2021)
  • Mord auf der Trabrennbahn (2022)
  • Mord im Filmstudio (2023)

Welches auch heute relevante Thema wird ebenfalls angeschnitten?
Besonders im Innenverhältnis bei der Kriminalpolizei wird der anwachsende Antisemitismus abgehandelt. Pinter, einer der beiden Mitarbeiter von Erich Felsberg, hetzt, spottet und widersetzt sich seinem Vorgesetzten bei jeder Gelegenheit. Zu Beginn des Bandes gelingt es ihm, seinen Kollegen Wedel mit hineinzuziehen. Als Werner Wedel jedoch Aufmerksamkeit, Anerkennung und Verantwortung von Felsberg bekommt, wendet sich dieses Blatt – für den Moment, wie man angesichts der historischen Entwicklungen fürchten muss.

Was Beate Maly über ihre Bücher sagt
"Es macht besonders viel Spaß, über die eigene Stadt, die man sehr mag, zu recherchieren. Ich mag meine Protagonisten sehr." Und: "Ich bemühe mich darum, dass die Makro-Geschichte, also zum Beispiel der Alltag der Ziegelarbeiter, stimmt. Die Mikro-Geschichte denke ich mir aus.

Schauplatz des Krimis: Das Erholungsgebiet Laaer Wald in Wien-Favoriten
Schauplatz des Krimis: Das Erholungsgebiet Laaer Wald in Wien-Favoriten
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Passieren dabei Fehler?
"Manchmal passieren, trotz sorgfältiger Recherche, Fehler", sagt Maly. "Für den Band 'Mord auf der Trabrennbahn' war ich dreimal vor Ort auf der Trabrennbahn. Trotzdem habe ich mich bei einem Punkt geirrt."

Für wen ist das Buch besonders lesenswert?
Wer Spaß an atmosphärisch lebendigen und historisch gut recherchierten Geschichten und am Miträtseln bei Kriminalfällen hat, wird seine Freude damit haben. Auch Genuss-Menschen kommen bei der Lektüre auf ihre Rechnung. Als Leser spürt und teilt man die Sympathie mit den Protagonisten und möchte ihnen gerne wieder begegnen.

Für wen ist es eher nix?
Wer auf blutrünstige Schocker steht, sollte in eine anderes Regalfach greifen.

Was kommt demnächst?
"Gold aus der Wiener Werkstätte", Beate Malys nächster Krimi. Diesmal mit einem anderen Ermittlerduo, angekündigt für Mai 2025.

"Mord im Böhmischen Prater", Historischer Kriminalroman, Broschur, 256 Seiten, November 2024 Emons Verlag
€ 15,50, auch als E-Book erhältlich

Angela Szivatz ist Autorin ("Betrug und Liebe - die wahren Fälle einer Detektivin") Moderatorin und Bloggerin ("Oma aus dem Kirschbaum"). Für Newsflix schreibt sie über aktuelle Literatur. Angela Szivatz lebt in Wien

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