MONIKA ROSEN
EZB senkt Zinsen: Was das für Kredite und Sparbücher heißt
Klug? Zu schnell? Ein neuer Inflationstreiber? Die Europäische Zentralbank senkte am Donnerstag die Leitzinsen. Geld-Expertin Monika Rosen analysiert die Folgen.
"Der Startschuss ist erfolgt". So kommentierte ein Analyst die erste Zinssenkung in der Eurozone seit 2019. Warum hat die EZB gerade jetzt die Zinsen gesenkt, und was heißt das für unser Geld? Das müssen Sie jetzt wissen:
Was ist passiert?
In einem Schritt, der weitgehend erwartet worden war, hat die EZB bei ihrer Juni-Sitzung die Leitzinsen der Eurozone um einen Viertelprozentpunkt auf 3,75 Prozent gesenkt. Seit September 2023 war das Zinsniveau unverändert bei 4 Prozent gelegen (hier die offizielle Mitteilung nachlesen).
Welche Funktion hat die EZB?
Die EZB ist die Zentralbank der Länder der Europäischen Union, in denen der Euro verwendet wird (derzeit 20). Knapp gefasst managt die EZB die Geldpolitik der Euro-Länder. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Das Hauptgebäude wurde vom Wiener Architekturbüro "Coop Himmelb(l)au" entworfen und im November 2014 fertiggestellt. Die EZB hat rund 2.500 Mitarbeiter. die Führung besteht aus Direktorium (Präsidentin Christine Lagarde, Vizepräsident und vier weitere Mitglieder) sowie dem EZB-Rat, in dem die Nationalbankpräsidenten der einzelnen Länder sitzen.
Was heißt die Zinssenkung konkret?
Nachdem die EZB, wie andere Notenbanken weltweit auch, die Inflation durch eine Reihe von Zinsanhebungen bekämpft hatte, erfolgte jetzt Anfang Juni der erste Schritt in die Gegenrichtung. Die Leitzinsen der Eurozone wurden von zuvor 4 auf 3,75 Prozent gesenkt.
Warum gerade jetzt?
Die EZB schreibt in ihrer Erklärung, dass die aktuelle Einschätzung zur Inflation diesen Schritt jetzt erlauben würde.
Und ist dem auch so, sprich erlaubt die Inflation eine Zinssenkung?
Naja, dazu sind die Meinungen geteilt. Immerhin ist die Inflation in der Eurozone im Mai von 2,4 Prozent auf 2,6 Prozent wieder angestiegen. Sprich, die Teuerung ist einerseits aktuell nicht im Sinken begriffen. Und außerdem hat sie sich damit noch weiter vom Zielwert der EZB, nämlich 2 Prozent, entfernt. Es gibt also durchaus Stimmen, die sagen, dass eine Zinssenkung derzeit nicht unbedingt angesagt war. Österreichs Nationalbank-Gouverneur Robert Holzmann gehört dazu, er stimmte als Einziger gegen die Zinssenkung.
Warum wurde der Schritt dann dennoch gesetzt?
Wenn man die Inflationsentwicklung seit dem Sommer 2022 anschaut, so ist natürlich schon eine massive Verbesserung festzustellen. Die Notenbank hat die Zinsen in etwas mehr als einem Jahr (Juli 2022 bis September 2023) um 4,5 Prozent angehoben und damit die Inflation der Eurozone von 10,6 Prozent auf 2,6 Prozent nach unten gedrückt. Gerade in einigen südlichen Peripherieländern (Italien) ist die Teuerung aber deutlich geringer. Diese Länder brauchen niedrigere Zinsen, um das Wachstum anzukurbeln.
Wie sieht die Inflationsprognose der EZB aus?
Die EZB hat ihre Erwartung bezüglich der Inflation sowohl für heuer als auch für 2025 angehoben. Für 2024 nimmt man jetzt eine Teuerung von 2,5 Prozent (zuvor 2,3 Prozent) ins Visier, für 2025 ging die Schätzung von 2 auf 2,2 Prozent nach oben. Den Kritikpunkt muss man also schon gelten lassen: die EZB senkt die Zinsen, während sie die Inflationsprognose anhebt.
Wie hoch ist die Inflation in Österreich?
Im Mai laut Schnellschätzung der Statistik Austria im Jahresabstand 3,3 Prozent, im April waren es noch 3,5 Prozent. Das liegt deutlich über dem EU-Schnitt.
Und was erwartet die EZB beim Wachstum?
Für das heurige Jahr hat die EZB die Wachstumsprognose von 0,6 Prozent auf 0,9 Prozent angehoben. Die Prognose für nächstes Jahr wurde aber von 1,5 Prozent auf 1,4 Prozent gesenkt.
Wie schnell kommt jetzt die nächste Senkung?
Also da sind die Erwartungen zuletzt deutlich zurückgegangen. Bei der Juli-Sitzung gilt eine Senkung fast als ausgeschlossen, auch angesichts der zuletzt leicht ansteigenden Inflation. Wenn, dann könnte der nächste Schritt frühestens im September erfolgen.
Was heißt das für die Zinsen am Sparbuch und beim Kredit?
Es ist natürlich schon damit zu rechnen, dass die Banken diese Zinssenkung an die Kunden weitergeben, und zwar sowohl bei den Spareinlagen als auch bei den Krediten. Profitieren könnten also vor allem jene Kunden, die einen variabel verzinsten Kredit laufen haben, denn der wird dann (etwas) günstiger. Eine zu drastische Erleichterung sollte man angesichts der Tatsache, dass die Zinsen nur um 0,25 Prozent gesenkt wurden, aber nicht erwarten.
Monika Rosen war mehr als 20 Jahre bei einer heimischen Großbank tätig, ist Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft und gefragte Spezialistin rund um alle Geldthemen