social media hört mit

Facebook weiß sogar, wie lange wir schlafen

20.000 Dokumente: Eine Journalistin ließ sich alle Daten aushändigen, die der Mutterkonzern von Facebook, Instagram und WhatsApp über sie gesammelt hat. Das Ergebnis ist erschreckend.

Hochzeit? Baby? Krankheit? Schlaf! "Selbst wenn ich es versuchen würde, könnte ich dieses Tracking kaum vermeiden"
Hochzeit? Baby? Krankheit? Schlaf! "Selbst wenn ich es versuchen würde, könnte ich dieses Tracking kaum vermeiden"
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Newsflix Redaktion
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Wann wir morgens aufstehen. Was wir wo einkaufen. Wie es auf unserem Konto aussieht. Wen wir daten. Welche Ärzte wir konsultieren und weshalb. Alle diese Informationen – und noch viele weitere – gehören nicht uns alleine, sondern wir teilen sie mit der ganzen Welt. Denn Social Media trackt so gut wie alle Schritte, die wir online unternehmen – ganz legal. Das ist das erschreckende Resultat einer Recherche der britischen "Times", die jetzt publik wurde.

Das Produkt bist du "Times"-Journalistin Matilda Davies, Jahrgang 1996, hat seit 2007 ein Facebook-Konto. Ihre Eltern sind beide Softwareentwickler, wie Social Media funktioniert, dass alles gesammelt wird und letztlich nichts privat ist, auch wenn einem das zugesichert wird, ist ihr also nicht fremd: "Wenn du nicht für das Produkt bezahlst, bist du das Produkt – dieses alte Sprichwort habe ich akzeptiert", schreibt die Journalistin. Welches Ausmaß die Datensammelwut der Konzerne aber hat, war auch für Matilda Davies, als Kind der Generation Z mit Internet und Social Media aufgewachsen, überraschend.

ALLES wird gespeichert Start der Recherche war, dass Matilda Davies einen Download aller bei Facebook über sie gespeicherten Daten angefordert hat. Was sie bekam, waren knapp 20.000 Seiten an Informationen, unübersichtlich in unzähligen einzelnen Dateien abgespeichert, deren Decodierung insgesamt eine Woche Zeit in Anspruch nahm. Absender: Die "Meta Platforms Inc.", unter deren Dach die Social Media Netzwerke Facebook (ca. drei Milliarden User weltweit) und Instagram (ca. 1,4 Milliarden User) sowie die Messeging-Apps WhatsApp (ca. 2,8 Milliarden User) und Facebook Messenger (ca. eine Milliarde User) beheimatet sind.

20.000 Seiten an Daten hatte Meta über die Journalistin gesammelt
20.000 Seiten an Daten hatte Meta über die Journalistin gesammelt
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Facebook & Co sammeln überall Daten Zusätzlich zu ihren Aktivitäten auf diesen Plattformen erhielt "Times"-Journalistin Davies auch die Aufzeichnungen über insgesamt gut 20.000 Interaktionen alleine aus den vergangenen zwei Jahren, die sie auf diversen anderen Websites und Apps getätigt hat. Das Pikante dabei: Alle diese Websites und Apps sind nicht mit Matilda Davies' Konten bei Meta verbunden. Verantwortlich für deren Aufzeichnung sind Cookies, die von Unternehmen, die auf Meta-Plattformen Werbung treiben, platziert werden, um die Wirksamkeit und Zielgenauigkeit dieser Werbung zu überprüfen.

Hochzeit? Baby? Krankheit? Todesfall? Und so konnte die Journalistin nachlesen, wie oft sie welche Medikamente bestellt, einen Arzttermin gebucht oder sich bei einem Stammzellenregister angemeldet hat. Dass sie sich über Darmkrebs informierte (weil ein Freund daran erkrankt war) und nach einem Psychotherapeuten suchte. Wie oft sie ihre Banking-App benutzt und wann sie eine Kreditkarte beantragt hat. "Selbst wenn ich es versuchen würde, könnte ich dieses Tracking kaum vermeiden", so Matilda Davies, "denn fast jede große britische Bank sendet Nutzerdaten an Meta."

Selbst wenn ich es versuchen würde, könnte ich dieses Tracking kaum vermeiden
"Times".Journalistin Matilda Davies

Sogar die Wecker-App meldet alles Aber auch die weniger schwerwiegenden Aktivitäten des Lebens trackt der Internet-Gigant aus dem Silicon Valley. Dass sie auf den späteren Sieger beim Eurovision Song Contest gewettet, wie häufig sie ihre Supermarkt-Treuekarte benutzt und wie oft sie ihre Taxi-App und ihre Bahnticket-App verwendet hatte, konnte Davies in der Datensammlung ebenfalls nachlesen. Und auch ihre Wecker-App "Alarmy" hat jede Aktivität an Meta weitergeleitet, sogar wenn die Journalistin nur die Schlummertaste gedrückt hat. 

Die Unternehmen wollen nur unser Bestes Der Grund für den Datensammelwahn des Konzerns ist rasch zusammengefasst: Um Geld zu verdienen. Services wie Facebook, Instagram oder WhatsApp sind nach wie vor gratis für alle User, also muss das Geld woanders verdient werden – mit Werbung. Je zielgenauer Werbung an die "richtigen" Kunden verteilt werden kann, desto besser funktioniert sie und desto mehr wird geworben. Und je genauer ein Unternehmen über die Wünsche und Vorlieben seiner User Bescheid weiß, desto besser kann es Werbebotschaften und potenzielle Käufer zusammenbringen. It's a match!

Auch ihre Wecker-App "Alarmy" hat jede Aktivität an Meta weitergeleitet, sogar wenn die Journalistin nur die Schlummertaste gedrückt hat
Auch ihre Wecker-App "Alarmy" hat jede Aktivität an Meta weitergeleitet, sogar wenn die Journalistin nur die Schlummertaste gedrückt hat
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Plötzlich Werbung für Verlobungsringe "Ich wollte schon lange wissen, welche Daten über mich im Internet gespeichert werden", schreibt "Times"-Journalistin Matilda Davies. "Aktiv wurde ich, als ich eines Tages Instagram öffnete und mein Feed mit Werbung für Verlobungsringe gefüllt war. Ich war da zwar bereits seit drei Jahren in einer Beziehung, aber über unsere Heiratspläne hatte ich in den sozialen Medien nichts gepostet. Wie konnte Meta das also wissen?" 

Den Algorithmus foppen Wie geölt diese Maschine inzwischen funktioniert, kann jeder Social-Media-User einfach selbst nachprüfen. Ändern Sie Ihre Such- und Posting-Aktivitäten, etwa indem Sie sich plötzlich für die Haltung und Pflege von Zwergkaninchen interessieren, oder eine Reise an einen exotischen Ort planen. Sie werden überrascht sein, wie rasch und vielfältig der Algorithmus auf Ihre geänderte Kommunikation reagiert.

39 Milliarden Dollar Gewinn Wie lukrativ es ist, der halben Welt im Internet nachzuschnüffeln, beweist ein Blick ins Konzernergebnis von Meta. Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen mit seinen 67.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 135 Milliarden Dollar mehr als 39 Milliarden Dollar Gewinn, womit es zu den zehn profitabelsten Unternehmen der Welt gehört.

Wir möchten nicht, dass Werbetreibende sensible Informationen über Personen an uns senden, und erlauben dies auch nicht
Meta-Statement

Alles rechtens Unnötig zu erwähnen, dass sich die Sammelwut der Datenkrake an die gesetzlichen Vorgaben hält. Alle Daten, die man erhalte, unterliegen der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, ließ Meta auf Anfrage mitteilen. Und dass die Werbetreibenden darüber aufgeklärt würden, wie sie ihre Websites und Apps einrichten müssen, um eine versehentliche Weitergabe von Daten ihrer Kunden an Meta zu verhindern. "Unsere Richtlinien verlangen von den Werbetreibenden, dass sie über die notwendigen Rechte und Genehmigungen verfügen, einschließlich der Zustimmung der Personen, wo dies der Fall ist, um die Daten unserer Business-Tools zu nutzen", so ein Meta-Sprecher. Und: "Wir möchten nicht, dass Werbetreibende sensible Informationen über Personen an uns senden, und erlauben dies auch nicht." Das Beispiel von Matilda Davies zeigt: Es passiert trotzdem.

Was man dagegen tun kann "Times"-Journalistin Matilda Davies macht wenig Hoffnung: "Die Verwendung von Browser-Software und Suchmaschinen, die eine höhere Sicherheit bieten, wie etwa Firefox und DuckDuckGo sind eine Möglichkeit, auch die Verwendung eines VPN-Zugangs kann helfen, die Privatsphäre zu schützen", schreibt sie. Aber vor allem müsse man Cookies deaktivieren die Verfolgung durch Dritte in den Facebook- und Instagram-Einstellungen abschalten, um zu verhindern, dass Meta auch Daten von anderen Websites sammelt.

"Alles löschen? Ich konnte es nicht" "Letztlich ist es aber schwierig, den Datenhahn zuzudrehen", so die Britin. Sie selbst habe jedenfalls im Zuge ihrer Recherche überlegt, überhaupt ihre Social-Media-Konten zu löschen. "Aber seit ich elf Jahre alt bin, sind sie die Grundlage meines sozialen Lebens, meiner Arbeit, meiner Erinnerungen und meiner Beziehungen. Am Ende habe ich es nicht getan – ich konnte es nicht. Und das ist es, worauf sich Unternehmen wie Meta verlassen."

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