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"Frauen müssen sich doppelt und dreifach beweisen"

Ihr Podcast "Frauenfragen" entkernt Männer. Mari Lang am Internationalen Frauentag über Lena Schilling, alte weiße Männer und Sexismus.

Da kommt eine junge Frau, steht in der Öffentlichkeit, darf Dinge tun, die vorher alten, weißen Männern vorbehalten gewesen sind": Mari Lang
Da kommt eine junge Frau, steht in der Öffentlichkeit, darf Dinge tun, die vorher alten, weißen Männern vorbehalten gewesen sind": Mari Lang
Martina Lang
Newsflix Redaktion
Akt. Uhr
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Nach mittlerweile 44 Ausgaben ihres feministischen Podcasts "Frauenfragen" kann man die ORF-Journalistin Mari Lang getrost als "Männerversteherin" bezeichnen. Denn vor ihrem Mikrofon gehen sie alle ans Eingemachte, ob ZiB 2-Anchor Armin Wolf, Macho-Winzer Leo Hillinger oder Langzeit-Junggeselle Christian Rainer. Wie sie es mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf halten, welche Designermode ihnen ganz besonders gut gefällt und ob sie nicht das eine oder andere Kilo zu viel auf den Hüften haben. Typische Frauenfragen eben.

Dian Fossey vom Küniglberg Wer permanent mit Silberrücken Umgang pflegt, lernt zwangsläufig das eine oder andere über die Ansichten, Erwartungen und Empfindlichkeiten "echter Kerle". Und so wundert es Mari Lang auch nur wenig, mit welcher Vehemenz vor allem Männer auf die innenpolitische "Causa Prima" dieser Woche, den leicht verunglückten Auftritt der Grünen EU-Kandidatin Lena Schilling bei ORF-Satiriker Peter Klien reagierten. Wer sich ein Bild machen möchte – die sozialen Medien und Zeitungs-Foren sind voll mit wenig schmeichelhaften Einschätzungen der 23-jährigen Klima-Aktivistin, "peinlich" und "eine Schande" sind nur der Gipfel des Eisberges.

Schilling-Abwertung Zur Erinnerung: Die Spitzenkandidatin für die EU-Wahl war beim Grünen Parteitag ORF-Satiriker Peter Klien vor die Kamera geraten und hatte Fragen zur EU-Mitgliedschaft Norwegens (sind nicht im Club) falsch beantwortet. Mehr hatte es nicht gebraucht. Vor allem die sozialen Medien reagierten heftig, viele, vor allem ältere Männer, schossen weit über das Ziel hinaus. Der frühere Neos-Chef Matthias Strolz thematisierte das im Newsflix-Gespräch. Und dann hatte Lena Schilling auch noch die Chuzpe, sich nach einer kurzen Schrecksekunde relativ salopp zu der ganzen Angelegenheit zu äußern: "Ich war wie vernagelt, ein Blackout, so what?"

Zeitenwende Für "Männerversteherin" Mari Lang sind solche Reaktionen wenig überraschend: "Junge Frauen wie Lena Schilling stoßen gerade eine gesellschaftliche Veränderung an, das kommt naturgemäß nicht bei allen gleich gut an", sagt sie im Newsflix-Gespräch. Außerdem: Wie gut Lena Schilling tatsächlich für die Politik geeignet ist, wo wir als Gesellschaft Veränderungsbedarf haben und wo es Männer nach wie vor einfacher haben. Mari Lang über:

Warum gerade Männer, vor allem ältere, so heftige Kritik an Lena Schilling üben

Weil junge Frauen wie Lena Schilling das gängige gesellschaftliche Narrativ, also wie miteinander umgegangen wird, welche Verhaltensweisen in Ordnung sind, nicht mehr akzeptieren und kurzerhand ändern. Das führt bei vielen älteren Menschen zu Irritationen, weil Veränderungen, gerade wenn sie von außen kommen, nie mit offenen Armen empfangen werden.

Welche Regeln Lena Schilling verändert

Allein die Art, wie sie mit dieser EU-Quiz-Sache und ihrem Fehler umgeht und das auf Social Media thematisiert hat, ist ungewöhnlich. Das kenne ich von anderen Politikerinnen und Politikern so nicht, dass sie ganz offen über einen Fehler sprechen und für sich Verständnis einfordern. Das ist sehr ungewöhnlich und spricht für sie als junge Frau und ganz generell für eine neue Generation von Politikerinnen und Politikern.

Da kommt eine junge Frau, steht in der Öffentlichkeit, darf Dinge tun, die vorher alten, weißen Männern vorbehalten gewesen sind
Was vor allem Männer scheinbar empörend finden

Ob die harte Kritik auch mit ihrem Frau-sein zu tun hat

Der Sexismus kommt noch dazu, wäre sie ein junger Mann, hätten viele ältere Männer wahrscheinlich nicht so forsch reagiert. Aber Männer, die bisher vom Patriarchat profitiert haben, merken, es ändert sich was. Da kommt eine junge Frau, steht in der Öffentlichkeit, darf Dinge tun, die vorher alten, weißen Männern vorbehalten gewesen sind. Dann macht sie auch noch einen Fehler und geht damit locker um. Damit stellt sie das gültige Image von Politikern auf den Kopf. Da sind viele Aspekte zusammengekommen. Ich denke, man kann das nicht auf die Gender-Thematik reduzieren, viel außergewöhnlicher ist, wie Lena Schilling mit der gesamten Situation generell umgeht, nämlich mit einer großen Selbstverständlichkeit. Sie lässt sich nicht klein machen, das ist es, was wohl am meisten irritiert. Und das mit 23 Jahren!

Wie sehr Lena Schilling für die Politik geschaffen ist

Ich wünsche mir, dass sie sich nicht verheizen lässt, weil ich weiß, was für eine Schlangengrube die Politik ist, egal wie alt man ist. Aber so, wie ich sie wahrnehme, ist sie eine starke Person und hat einen guten Instinkt dafür, was sie an sich heranlässt. Die grundsätzliche Frage ist ja, wie gehen wir als Gesellschaft mit Menschen in der Öffentlichkeit um? Es ist menschlich, Fehler zu machen. Warum dürfen Politiker in der Öffentlichkeit nicht menschlich sein?

Weshalb das Fehler-Management in der Politik eine Katastrophe ist

Bisher hat es keine bemerkenswerten Veränderungen hin zu einer offeneren Fehlerkultur in der Politik gegeben. Dabei bieten Fehler mit das größte Potenzial, um sich weiterentwickeln zu können. Wenn ein Kind, das gerade gehen lernt, drei Mal hinfällt und dann sagen würde, "ich schaffe das eh nicht, ich lasse es bleiben", dann wird es niemals gehen. Erst Fehler machen uns stark, und zu seinen Fehlern zu stehen macht uns noch stärker. Aber die Gesellschaft ist ganz versessen drauf, den anderen immer vorführen zu wollen. Wir fokussieren am liebsten auf das Negative.

Ob Männern rascher verziehen wird als Frauen?

In jenen Bereichen, die bislang eher Männern vorbehalten gewesen sind – also Politik, Sport, generell die Führungsetagen – und in die inzwischen immer öfter Frauen vordringen, ist das definitiv so. Frauen, die in diese Bereiche vordringen, müssen sich doppelt und dreifach beweisen, um überhaupt dorthin zu kommen. Und wenn sie Fehler machen, wird auch doppelt oder dreimal so oft mit dem Finger auf sie gezeigt.

Wie es zu ihrem Männer-Podcast "Frauenfragen" kam

Ich bin irgendwann draufgekommen, dass Frauen ganz anders interviewt werden als Männer. Es werden ihnen für gewöhnlich andere Fragen gestellt, bei denen primär sogenannte "Frauenthemen" angesprochen werden, während Männer über den ganzen Rest sprechen dürfen. Also habe ich begonnen, bekannte Männer so zu befragen, wie man gemeinhin nur Frauen fragt – nach ihren Beziehungen, nach der Vereinbarkeit von Job und Familie, nach ihrem Zugang zum Thema Styling.

Erfolgs-Podcast: Mari Lang stellt Männern Frauenfragen, etwas dem Kabarettisten Thomas Stipsits zu seinen Figurproblemen
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Mari Lang

Wie das in der Praxis aussieht

Ich habe zum Beispiel Ex-Profil-Herausgeber Christian Rainer gefragt, ob er manchmal als Beiwagerl seiner damaligen Partnerin, der ZiB-Moderatorin Nadja Bernhard wahrgenommen wird, oder den Kabarettisten Thomas Stipsits, wie er es mit seinem Gewicht hält …

Wie die Hörer darauf reagieren

Es hat sich schnell herausgestellt, dass das gut ankommt und der Podcast wurde inzwischen auch mehrfach ausgezeichnet. Aber die größte Auszeichnung ist das positive Feedback von Hörerinnen und auch Hörern, die mir oft schreiben, dass ihnen der Podcast für dieses oder jenes Thema die Augen geöffnet habe.

Ob man damit reich werden kann

Nein, wirklich nicht! Der Podcast ist mein Hobby, das einzige Einkommen, das ich daraus beziehe, sind Spenden, die ich für diese Arbeit bekomme. Man könnte sagen, ich habe drei Jobs, zwei Kinder und einen Podcast, bei dem ich wirklich alles selbst mache. Aber ich sehe das auch als eine Art Auftrag, weil das Thema so wichtig ist. Und deshalb kann ich auch nicht damit aufhören.

Wer auf ihrer Wunschliste für den Podcast steht

Auf jeden Fall Andreas Gabalier, der Papst und ein Deutschrapper.

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