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"Für viele hat der Kommunismus den Schrecken verloren"
Neun Erkenntnisse zur Salzburg-Wahl: Polit-Experte Peter Hajek analysiert den KPÖ-Sieg, die Folgen und was die Bundesparteien daraus lernen können.
Gewinnen und verlieren, das geht auch gleichzeitig. Bei den Gemeinderatswahlen in der Stadt Salzburg fuhr die SPÖ am Sonntag das bisher schlechteste Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte ein. Die Sozialdemokraten verloren 0,9 Prozentpunkte, landeten bei 26,2 Prozent. Trotzdem: Mit diesem Ergebnis wurden sie Erster. Und können am 24. März in der Stichwahl den Bürgermeister zurückzuerobern.
439.785 Wahlberechtigte waren im Land Salzburg in 119 Gemeinden aufgerufen, ihre Bürgermeister und Gemeinderäte zu wählen.
LAND: Die vorläufigen Ergebnisse (inklusive Briefwahl)
- ÖVP: 39,9 Prozent (- 7,7 Prozent)
- SPÖ: 26,8 Prozent (- 0,7 Prozent)
- FPÖ: 13,3 Prozent (+ 3,6 Prozent)
- Grüne: 6,5 Prozent (- 1,0 Prozent)
- KPÖ: 5,4 Prozent (+ 4,6 Prozent)
- Sonstige Listen: 8,1 Prozent (+ 1,5 Prozent)
LAND: So viele Bürgermeister stellen die Parteien
- ÖVP: 82
- SPÖ: 17
- FPÖ: 1
- Sonstige Listen: 5
- 105 Bürgermeister sind "fix", in 14 Gemeinden finden am 24. März Stichwahlen statt
Am spannendsten aus überregionaler Sicht verlief das Rennen in der Landeshauptstadt Salzburg. Hier hatte die ÖVP den Bürgermeistersessel zu verteidigen. Das ging schief.
STADT: Das Ergebnis in Stadt Salzburg für den Gemeinderat
- SPÖ: 26,2 Prozent (- 0,9)
- KPÖ: 23,3 Prozent (+ 19,5)
- ÖVP: 20,3 Prozent (- 16,5)
- FPÖ: 11,8 Prozent (+ 3)
- Grüne: 11,8 Prozent (- 2,7)
- Neos: 3,3 Prozent (- 2,67 )
STADT: Das Ergebnis der Bürgermeister Direktwahl in Stadt Salzburg
- SPÖ: Bernhard Auinger - 29,9 Prozent
- KPÖ: Kay-Michael Dankl - 28 Prozent
- ÖVP: Florian Kreibich - 21 Prozent
- FPÖ: Paul Dürnberger - 9,6 Prozent
- Grüne: Anna Schiester - 7,3 Prozent
- Neos: Lukas Rupsch - 1,9 Prozent
Nun kommt es in zwei Wochen am Palmsonntag im vermeintlich bürgerlichen Salzburg zum Duell zwischen SPÖ und KPÖ um den Bürgemeistersessel. Konkret zwischen Vizebürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ) und KPÖ-plus-Gemeinderat Kay-Michael Dankl.
Was Polit-Experte Peter Hajek aus dem Wahlergebnis schließt:
1. Stadt und Land driften immer weiter auseinander
Im urbanen Bereich geht es deutlich linker zu, das Land entwickelt sich in eine konservative Richtung, wenn man so will mehr Mitte-rechts. Das ist einerseits auf die geänderte Zusammensetzung der Wählerschaften zurückzuführen, andererseits waren die Städte immer schon "experimentierfreudiger". Strömungen konnten sich hier schneller durchsetzen. Faustregel: Je kleiner die Gemeinde, desto stabiler ist das Wahlverhalten.
2. Die KPÖ ist keine Eintagsfliege
Kay-Michael Dankl hat schon bei der Landtagswahl im Vorjahr 21,5 Prozent erreicht. Es gab keinen Grund zur Annahme, dass dieser Trend sein Ende findet. Das liegt natürlich vor allem am Spitzenkandidaten. Ohne ihn wäre der Erfolg kaum vorstellbar.
3. Einfaches politisches Handwerk führt zum Erfolg
Dankl bringt drei Eigenschaften mit. Erstens: Er kann extrem gut kommunizieren. Zweitens: Er hat eine freundliche, entspannte Ausstrahlung. Und drittens: Er hat seit Jahren auf das richtige Thema gesetzt, Wohnen. Es ist ein Unsinn zu sagen, es gibt keine Wahlkämpfe mit Themen mehr. Das Gegenteil ist der Fall.
4. Der Kommunismus hat den Schrecken verloren
Dem kommunistischen Spitzenkandidaten ist es gelungen, den Kommunismus zu entzaubern und zu verzaubern. Wenn sich die Leute Dankl anschauen, dann sagen sie: Na, so klassisch kommunistisch ist der auch wieder nicht, der wohnt ja sogar in einer Eigentumswohnung. Man darf auch nicht vergessen, dass es mittlerweile große Wählergruppen gibt, die nicht mehr erlebt haben, was Kommunismus bedeuten kann. Die kennen den Eisernen Vorhang, die Besatzungszeit bestenfalls aus den Geschichtsbüchern. Wenn heute von Kommunismus gesprochen wird, dann ist damit Nordkorea gemeint, China, nicht einmal wirklich mehr Putin. Für viele hat der Kommunismus den Schrecken verloren.
5. Thema plus Authentizität, das ist der Schlüssel
Das ist eigentlich eine Binsenweisheit: Wenn ich ein Thema habe und es glaubwürdig, also authentisch, vermitteln kann, dann habe ich Erfolg. Das gilt für alle Parteien. Am Beispiel Andreas Babler sieht man das gut. Er macht nicht so viel anders als Dankl, er hat sich auf das Thema Soziales geschmissen, da ist das Wohnen dabei. Aber er vermittelt dabei nicht diese Strahlkraft von Dankl.
6. Wer gegen das Establishment ist, holt Stimmen
Auch bei Dankl und der KPÖ spielt der Faktor Anti-Establishment eine große Rolle. Er kassiert Stimmen ein, die nun den Grünen fehlen, aber am Ende des Tages auch einer SPÖ. Es geht links der Mitte schon etwas, aber man darf sich nicht auf traditionelle Positionen zurückziehen und es braucht auch so etwas wie einen Newswert in der politischen Erzählung. Bei der Nationalratswahl wird diese Rolle aber nicht der KPÖ zufallen, sondern der Bierpartei.
7. Die ÖVP steckt in einer Doppelmühle
Das Ergebnis in Salzburg spiegelt die schwierige Situation der ÖVP wider. Sie bekommt in den Städten ein massives Problem und am Land haben sie die Freiheitlichen als Gegenspieler. Sie wird von zwei Seiten in die Zange genommen.
8. Die Kommunisten sind die cooleren Grünen
Neben den Themen haben wir natürlich eine zunehmende Fokussierung auf Personen. Das Problem der Grünen ist, dass sie über ihr klassisches Themenfeld, den Umwelt- und Klimaschutz, nicht hinauskommen. Sie haben keinen Newsfaktor und sie sind nicht mehr so cool wie sie früher von manchen empfunden wurden. Dankl ist neu, frisch, er hat Zug und diesen "New Kids on the Block-Faktor". Aber Vorsicht, wir reden hier schon von Regionalwahlen.
9. Blaue und Schwarze entscheidet nun, wer Bürgermeister wird
Bei der Stichwahl gibt es nun zwei Möglichkeiten. Die Wählerschaft kann sich ja nur mehr zwischen einem roten und einem dunkelroten Kandidaten entscheiden. Möglichkeit 1: Die Wähler von ÖVP und FPÖ bleiben daheim. Dann hat Dankl gute Chancen, das Amt zu bekommen. Möglichkeit 2: Sie gehen hin, um einen KPÖ-Bürgermeister zu verhindern. Dann gewinnt die SPÖ.
Peter Hajek ist Geschäftsführer und Eigentümer von "Unique Research", promovierter Politikwissenschafter und akademisch geprüfter Markt- und Meinungsforscher. Beschäftigt sich seit 25 Jahren mit empirischer Sozialforschung. Lehraufträge an Universitäten, Fachhochschulen.