EURO 2024
"Fußballliebe": Wie der Hightech-Ball die EM gerecht macht
Eingebauter Bewegungssensor, 400 Messungen pro Sekunde (!), erkennt Handspiel und Abseits: Der neue Spielball bei der EURO 2024 hat es in sich – im wahrsten Sinne des Wortes.
Von wegen "Fußballliebe" – für die Mannschaft Belgiens wurde der neue Spielball der EURO 2024 bereits zum Hassobjekt. Gleich zwei Tore der "Roten Teufel" wurden im ersten Gruppenspiel am 17. Juni gegen die Slowakei aberkannt, weil die Kugel mit dem blumigen Namen mehr "sah" als das Schiedsrichtergespann. Zuerst erkannte sie eine minimale Abseitsposition des belgischen Sturm-Tanks Romelu Lukaku, als dieser einnetzte, dann meldete sie ein Handspiel seines Kollegen Loïs Openda, kurz bevor dieser Lukaku ideal bediente. Zwei Mal wurde der vermeintliche Ausgleich Belgiens aberkannt, am Ende schlichen die Teufelchen mit 0:1 vom Feld.
Spiel auf neuem Niveau Entwickelt wurde "Fußballliebe" von Adidas, der fränkische Ausrüster stellt bereits seit 1968 die Bälle für die Europameisterschaften zur Verfügung. Ein Team von 20 Experten begann etwa zwei Jahre vor dem Start der EURO mit der Entwicklung. Dabei wird seit jeher mit Materialien, Oberflächengestaltung und Aufbau experimentiert, um das Spiel schneller und attraktiver zu gestalten. Aber erstmals bei einer EM verfügt ein Spielball über ein Hightech-Innenleben in Form eines leistungsstarken Bewegungssensors, der bis zu 400 Mal pro Sekunde (!) seine aktuelle Position meldet.
"Connected Ball Technology" nennt sich das System, das bereits bei der Weltmeisterschaft 2022 in Katar zum Einsatz kam, für die EURO 2024 allerdings nochmals weiter entwickelt worden ist. Dabei liefert der Sensor in Echtzeit ununterbrochen alle Daten zur Position und zu den Bewegungen des Balls in die Schaltzentrale der Video Assistant Referees, also der Bildschirm-Schiedsrichter. Diese können daraus in strittigen Spielsituationen in wesentlich kürzerer Zeit als früher ermitteln, mit welcher Entscheidung es weitergeht.
So ermöglicht der neue Hightech-Spielball "Fußballliebe" bei der EURO 2024 die totale Kontrolle über jede Aktion
- Bewegungssensor Im Inneren des Spielballs ist ein gerade einmal 14 Gramm leichter Sensor eingebaut, dessen Chip sämtliche Bewegungen des Balls ununterbrochen aussendet.
- Antennen-Überwachung Bis zu 24 Antennen sind rund um das Spielfeld installiert und fangen alle Signale, die vom Ball kommen, ein.
- 400 Messungen pro Sekunde Der Sensor im Ball sendet bis zu 400 Mal pro Sekunde zentimetergenaue Standortdaten des Balls.
- Hightech-Prozessor Über die Antennen werden die Daten an einen Prozessor weiter geleitet. Dieser berechnet daraus die Geschwindigkeit, die Eigenbewegung (Umdrehungen und Drall) sowie den Oberflächenzustand des Balles (also ob bzw. wie er berührt wird) zu jeder Zeit jeder Aktion.
- Spielfluss und Genauigkeit Für die Zuschauer ergibt sich daraus eine bislang nicht gekannte Präzision in den Entscheidungen der Schiedsrichter. Denn diese sind jetzt nicht mehr alleine auf die optische Wahrnehmung durch Kamerabilder bei der Überprüfung strittiger Szenen angewiesen, sondern erhalten ein mehrdimensionales Bild, das im Grunde keine Grauzonen mehr zulässt.
Vor allem bei möglichen Abseits-Situationen ist die neue Technologie dabei ein Segen, befreit sie doch die Schiedsrichter von der Last, in möglicherweise spielentscheidenden Situationen eine Fehlentscheidung zu treffen. Denn aus den vorhandenen Kamerabildern sowie den Bewegungsdaten des Balls lassen sich in kürzester Zeit komplexe Situationsdarstellungen errechnen, die keine Zweifel mehr an Referee-Entscheidungen aufkommen lassen.
Auch hier ist das erste aberkannte Tor von Belgiens Lukaku gegen die Slowakei ein eindrucksvolles Beispiel für die Fähigkeiten dieser neuen Technologie. Und um nicht nur die Spieler am Platz, sondern auch das Publikum im Stadion auf dem aktuellen Stand zu halten, werden bei der EURO auch die Erklärungen der Video Assistant Referees kommuniziert.
Teuer, aber effizient Wie viel Geld sich Adidas und die UEFA diese Hightech-Innovation haben kosten lassen, ist nicht bekannt, aber alleine der technische Aufwand, der vor Ort getrieben werden muss, um diesen Service zu gewährleisten, ist enorm. Und auch die Entwicklung des Balls sowie der Software sind State of the art. Nicht zuletzt müssen unzählige Bälle bereitgestellt werden, um die Versorgung während der insgesamt 51 EM-Spiele sicher zu stellen. Kein billiger Spaß – aber einer, der die Qualität des Spiels und auch die Freude am Zuschauen deutlich steigert.
Pro Spiel 20 Bälle Pro EM-Spiel stellt Adidas übrigens 20 eigens für diesen Zweck gefertigte Bälle zur Verfügung, die durch individuelle Aufdrucke (u.a. Datum und Austragungsort des Spiels) einzigartig sind. Bei 51 EM-Spielen insgesamt müssen also mehr als 1.000 Hightech-Bälle gefertigt werden. Die nächste Veranstaltung, bei der die Adidas-Hightechbälle zum Einsatz kommen werden, ist die UEFA Women's EURO 2025 in der Schweiz. Dafür werden die Bälle allerdings optisch anders gestaltet und auch einen anderen Namen tragen.
Der "normale" EM-Ball kostet 150 Euro Dass die Hightech-Bälle nicht in den normalen Verkauf gelangen, ist da nur logisch, ohne den technischen Support könnte ohnedies niemand etwas mit den getunten Spielgeräten anfangen. Aber natürlich ist auch eine "normale" Version von "Fußballliebe" erhältlich. In der High-End-Version, wie sie auch in Bewerbsspielen ohne Hightech-Unmfeld zum Einsatz kommen könnte, kostet der Ball 150 Euro.