Serie, Teil 2
Gewalt gegen Lehrer: "Mit dem Messer in die Volksschule"
In unseren Schulen wird getreten, geprügelt, gestochen. Aber längst nicht mehr nur unter Schülern, auch Lehrerinnen* bekommen es immer öfter mit gewalttätigen Schülern zu tun. Die Situation, anhand von fünf Fällen analysiert von Niki Glattauer.
Die 3 Facetten von Gewalt in der Schule:
- Die Gewalt unter Schülern hat alarmierende Ausmaße angenommen. In Teil 1 dieser Serie geht es darum, die Umstände dieser Form von Gewalt zu analysieren und Strategien dagegen aufzuzeigen – aktuelle ebenso wie solche, die vorerst nur auf dem Papier existieren.
- Die Gewalt gegen Lehrerinnen und Erzieher wäre in ihren aktuellen Auswüchsen noch vor 20 Jahren undenkbar gewesen. Um diese Form der Gewalt geht es hier in Teil 2 dieser Serie.
- Und dann gibt es die vermeintlich religiös motivierte Gewalt. Die haben wir importiert und wissen nun nicht, was dagegen tun. Darum wird es in Teil 3 der Serie gehen.
Teil 2: Gewalt gegen Lehrer und Erzieherinnen
Fall 1: "Keine normalen Kinder mehr"
Zunächst hatte die junge, fertig ausgebildete Lehrerin nichts dagegen gehabt, beim Namen genannt zu werden. Sie werde "es sowieso nur bis zum Ende des Schuljahres" bleiben, schrieb sie auf meine diesbezügliche Anfrage. "Es" – sie meinte damit, Lehrerin zu sein. Den Namen der Schule wollte sie allerdings nicht genannt haben: "Wenn man das liest, bekommen wir überhaupt kein normales Kind mehr."
Das hätte sich die nie gedacht Ihr erstes Mail an mich hatte es in sich. Es begann so: "Ich hätte nie gedacht, dass ich es nur zwei Monate aushalte, aber jetzt ist genug. Viele Kinder kennen nur die Sprache der Gewalt. Es sind nicht nur Ausländerkinder, die diese Probleme machen, aber meistens schon."
Schlag ins Gesicht Die Lehrerin weiter: "(…) Der Höhepunkt war, dass mich ein 9-jähriger ins Gesicht schlug, weil ich ihm in der Gangpause den Fußball wegnahm, mit dem er aus Spaß auf andere schoss. Als ich wankte, trat er auch noch auf mich ein."
Ein Volksschüler also Richtig: Der Schläger war ein Volksschüler. "Vom Ostbalkan - und voll 'gestört'", schrieb die Lehrerin, mehr wolle sie nicht sagen. Es gebe keine Eltern, nur Großeltern. Die kämen zwar jedes Mal, wenn man sie vorlade, sprächen aber nicht Deutsch. "Wir kommunizieren mit Übersetzer. Stets hatten wir den Eindruck, was wir sagten, ging bei einem Ohr hinein und beim anderen hinaus."
Mit dem Messer in der Volksschule Nach einem kurzen Mailverkehr verlangte die Lehrerin für den Fall der Veröffentlichung ihres Mails plötzlich Anonymisierung. Nicht der Wunsch schockierte mich, sondern die Begründung: "Die Kinder kennen meine Telefonnummer. Ich habe Angst, dass man es mir heimzahlt." "Wer?", schreibe ich zurück, "Volksschüler?" – Antwort: "Man weiß nie. Manche Kinder haben ältere Geschwister. Manche sitzen in der 4. Klasse, sind aber 12, 13 Jahre alt. Es gibt welche, denen man das Messer abnehmen musste."
Fall 2: 6-Jähriger schlägt Lehrerin ins Gesicht
Zu einem ähnlichen Vorfall war es im Oktober gekommen. "Heute" zitierte einen Bericht der Kärntner "Krone", wonach ein erst 6-jähriger Bub mit Fäusten auf eine Pädagogin eingeschlagen habe. Dabei wurde die Lehrerin im Gesicht so schwer verletzt, dass sie kurzfristig die Klasse verlassen musste. Die Polizei wurde alarmiert. Nach deren Eintreffen wurde der Bub von der Mutter abgeholt.
Auch gegen eine Mitschülerin Kärntens Bildungsdirektorin Isabella Penz bestätigte später den Vorfall: "Der Schüler soll grundlos auf die Lehrerin losgegangen sein und hat massive Gewalt gegen die Pädagogin ausgeübt. Dann hat der Bub auch noch eine Mitschülerin attackiert. Diese blieb aber zum Glück unverletzt. Wir haben den Buben suspendiert." Auch da ein Kind mit "Migrationshintergrund", auch da eine "schwierige Familiensituation". Auch da wieder die "Lösung", die keine ist: Suspendierung.
Was ist der Sinn des Suspendierens? Dieses Instrument wird in den einzelnen Bundesländern von den jeweiligen Bildungsdirektionen sehr unterschiedlich eingesetzt. (Bei der Gelegenheit: Definition Bildungsdirektion = fehlkonstruierte Hybrid-Behörde in der Zuständigkeit von Bund UND Land, die die Akteure überfordert und frustriert, aber das wäre eine eigene Geschichte).
Zurück zum Suspendieren Während sich die Zahl der Suspendierungen z. B. in Oberösterreich 2024 gegenüber dem Vorjahr verdreifacht hat, ist sie in Wien rückläufig (756 im Schuljahr 2023/24 gegenüber 814 im Schuljahr davor). Und zwar deswegen, weil sie in einem Bundesland als "Strafmaßnahme" verstanden wird, in anderen als Täter-/Opfer-Schutz.
Suspendieren ist sinnlos … Der langjährige Schuldirektor Diether Zenker arbeitet im Präventions- und Support-Team der Wiener Bildungsdirektion. Er hält zum Umgang mit "auffälligen" Schülern Seminare an Wiens Pädagogischen Hochschulen und kommt auch direkt in die Schulen, wenn man dort nicht mehr weiter weiß. Ich frage ihn frei heraus: Stimmt es, Diether, dass in Wien de facto nicht mehr suspendiert wird?
… denn aus Suspendierungen folgt de jure kein Hausverbot Seine Antwort: "Leider ja. Und zwar, weil Suspendierung eine reine Sicherheitsmaßnahme ist und laut Rechtsauffassung der Wiener Bildungsdirektion keinem Hausverbot entspricht." Und: "Dass suspendierte Schüler tatsächlich tage- oder wochenlang zuhause bleiben, liegt nur daran, dass sich die Eltern nicht auskennen." Und dann der Hammer: "Wenn ein suspendiertes Kind am nächsten Tag in der Schule abgegeben wird, muss es dort rein rechtlich weiter beschult werden – trotz der Suspendierung."
14 Seiten Anleitung Also fokussiert man in Wien auf anderes. Auf ganz anderes: So heißt es in der Präambel zu einer 14-seitigen (!) Anleitung des "Pädagogischen Dienstes" für Wiens Schuldirektorinnen, wie Schüler zu suspendieren bzw. eben nicht zu suspendieren seien: "Lehrpersonen können auf unterschiedliche Art in ihrem täglichen Tun dazu beitragen, dass Schule ein sicherer Ort für alle ist, der geprägt ist von Wertschätzung, Vertrauen, Gleichheit und Gerechtigkeit."
Gleichheit und Brüderlichkeit – hmm … "Oberstes Ziel sollte es sein (gemeint: schon vor einer Suspendierung, Anm.), durch positive Erfahrungen in der Schule das Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen so weit zu stärken, um die unterschiedlichsten Herausforderungen zu bewältigen." Wenn auch sprachlich etwas verunglückt, ist das zwar ein feiner pädagogischer Ansatz, der ein zeitgemäßes Verständnis von Schule in mittel- und westeuropäischen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts widerspiegelt.
Wo das Recht des Stärkeren regiert Was aber nun mit jenen Schülern, die a) weder mittel- und westeuropäisch noch b) zeitgemäß kultiviert sind, die aus Familien kommen – und da rede ich keineswegs nur von migrantischen –, in denen, einem gesellschaftlichen Rechtsruck geschuldet, eine als "Kuschelpädagogik" verunglimpfte Wertehaltung gar nicht verstanden wird? Wo der Respekt (wieder/immer noch) dem Stärkeren gilt, nicht dem, der argumentiert, der differenziert, und schon gar nicht einer vielleicht auch noch weiblichen "Autoritätsperson", die dieses nur kraft ihres Amtes ist?
Nix "positive Erfahrung der Schule" Anders gesagt: Was auf 14 Seiten Anleitung nicht steht: Wie sich Schulen – und in diesen Mitschüler und Lehrerinnen – vor jenen wirksam schützen können, die für Wertschätzung, Selbstwertgefühl, Vertrauen, Gleichheit, Gerechtigkeit einfach kein Sensorium haben. Ich habe dieses Problem auf newsflix.at bereits ein Mal thematisiert. Da beschrieb ich unter anderem folgenden Vorfall:
Fall 3: Absichtlich zu Boden gegangen
Ein Lehrer, der in einer 3. Klasse MS wiederholt Ziel von Angriffen verbaler, aber auch körperlicher Art durch zwei Halbwüchsige geworden war, - "In den Pausen wurde ich wie unabsichtlich angerempelt, nie so, dass es gewalttätig wirkte" – führte in einer Turnstunde eine "Gefahr-im-Verzug"-Situation absichtlich herbei, indem er sich nach einer eigentlich harmlosen Berührung vor den Augen der übrigen Klasse und eines zweiten Lehrers spektakulär fallen ließ – um die Rechtfertigung für eine Suspendierung zu haben …
Die Suspendierten wurden zu "Helden" Ein Schuss ins Knie. Denn nachdem die Suspendierten vormittags SMS mit Selfies in die Klassen schickten, in denen sie demonstrierten, wie gut es ihnen beim schulfreien Herumstreunen in der Stadt erging, erlangten sie, kaum zurück, bei nicht wenigen Mitschülern "Heldenstatus" und begannen den Lehrer, der ihnen die Suspendierungen eingebrockt hatte, unter Beifall wieder zur Zielscheibe zu machen. Am Schluss war es der Lehrer, der ging. Noch ein Jahr hätte er nicht durchgehalten …
Man kriegt sie aber ohnehin nicht durch In diesem Sinn ist auch der Post eines verärgerten Wiener Kollegen zu verstehen, den ich vor kurzem zu lesen bekam: "Wenn ich jetzt ein Mal noch lese, dass die Zahlen der Suspendierungen in Wien rückläufig sind", schreibt er, "ohne zeitgleich zu erwähnen, dass es der neue Suspendierungserlass fast unmöglich macht, SchülerInnen überhaupt zu suspendieren!" Der Poster führt seinen Gedanken schriftlich nicht zu Ende, sondern setzt fort: "Wir bekommen fast keine Suspendierungen mehr durch, selbst wenn Kinder sehr aggressiv sind oder andere bedrohen!"
Da hilft auch kein Kinderschutzkonzept Und weiter im Post: "Erst wenn die Polizei eingeschaltet wird und Kinder verletzt sind, dann tut sich was. Zeitgleich brüstet man sich mit dem Kinderschutzkonzept, das Lehrkräfte erstellen mussten, ohne Konsequenzen bereitzustellen, die wir einsetzen können, wenn sich Kinder nicht daran halten."
Fall 4: Szenenwechsel zu den ganz Schwierigen
Daniela Jagsch ist Direktorin der Wiener Heilstättenschule, in der jedes Jahr 5.000 Pflichtschüler unterrichtet werden, die aufgrund körperlicher oder psychischer Erkrankungen keine normale Schule besuchen können. Sie schrieb (für den "Falter", Ausgabe 24/2023) von Listen, die sie als Mitglied der Wiener Förderkommission alle sechs Wochen durchgehe, um "spezielle" Schulplätze für 'normal' nicht beschulbare Kinder und Jugendliche zu finden. Da stehen jedes Mal 70 bis 100 Namen drauf, manche schon seit Monaten." Und: "Erst vorige Woche ist ein Schüler derart durchgedreht, dass Polizei, Feuerwehr und Rettung anrücken mussten. Der hat seine Lehrerin so massiv getreten, dass ein Rieseneinsatz nötig war. Der ist noch nicht einmal ein Teenager!"
So etwas gab es früher nicht Und weiter: "Früher gab es auch schlimme Kinder. Aber dieses Ausmaß an Gewalt und Aggression haben wir früher nicht erlebt. Zum Teil lässt sich das durch psychische Erkrankungen erklären. In vielen Fällen sind es aber Kinder, die in sozialen Missständen aufwachsen mussten, die bis zum Schuleintritt gar keine Erziehung hatten, die nie eine positive Bindung zu anderen Menschen aufbauen konnten." Oft sind solche Kinder in der "Obhut" der Wiener Kinder- und Jugendhilfe bzw. deren WG-Betreuer …
Mit Feuerlöscher gegen die Betreuerin Auch die haben schon lustigere Zeiten erlebt, wie bei einem Strafprozess gegen einen 14-Jährigen deutlich wurde, der im vergangenen Sommer mit einem Feuerlöscher auf eine Betreuerin losgegangen war.
Kratzer, Schläge, Tritte 60 Gewalttaten in ihren Wohngemeinschaften meldete die MA 11 für 2024 der Polizei – eine Verdreifachung gegenüber 2022. Bei den meisten Meldungen, so eine MA 11-Sprecherin im November im "Kurier", gehe es vor allem um leichte körperliche Übergriffe, wie Kratzer, einfache Schläge und Tritte, die "keine weiteren körperlichen Verletzungen verursachen und häufig im Zuge von Impulsdurchbrüchen auftreten, auch bei jüngeren Minderjährigen".
Aber auch mit Stangen, Scheren, Steinen Aber es komme, so die Expertin Ingrid Pöschmann im Kurier, auch zu schwerwiegenderen körperlichen Übergriffen, etwa durch Würgen oder Tritte in den Bauch- und Intimbereich oder starke Schläge im Kopfbereich. Auch massive Übergriffe mit Stangen, Scheren und Steinen seien bereits vorgekommen. Drei Jugendbetreuer seien in den letzten zwei Jahren so schwer verletzt worden, dass sie im Krankenhaus landeten - stationär!
Wenn es das Steak mit Ei nicht gibt Auslöser solcher Taten seien oft Lappalien. "Wenn etwa ein Steak mit Spiegelei oder der spontane Wunsch, ins Kino zu gehen, verwehrt werden", wird die Expertin zitiert. Im vorhin angesprochenen Fall – schwere Körperverletzung durch Besprühen mit einem Feuerlöschgerät – sei ein Streit über einen unerlaubten Besuch eskaliert.
Es wird mehr hingeschaut Werden Jugendliche also tatsächlich immer gewalttätiger? Ingrid Pöschmann relativiert: Die Wiener Kinder- und Jugendhilfe habe 2023 eine neue Richtlinie bezüglich der Meldungspflicht zu Übergriffen von Kindern auf Pädagoginnen herausgegeben. "Das führt zu einer erhöhten Sensibilisierung für das Thema, sowie in weiterer Folge zu vermehrten Meldungen."
Mehr Polizei und Security? "Hinschauen statt wegschauen" lautet denn auch das Motto von Noch-Bildungsminister Martin Polaschek, der mit Hinschauen (auch) die Polizei meint: "Die Schulen sind ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es ist zu mehr Aggression in der Gesellschaft, aber auch in der Schule gekommen, und da müssen wir reagieren, das ist gar keine Frage", meinte der Minister letzten Sommer im "Heute"-Studio und konkretisierte: "Vorgesehen ist, dass die Schulen in Fällen von Suspendierungen bzw. strafrechtlich relevantem Verhalten verpflichtet werden, mit den lokal verantwortlichen Sicherheitsbeauftragten Kontakt aufzunehmen, um geeignete Maßnahmen zu vereinbaren."
Oder mehr Psychologen und Sozialarbeit? Einen anderen Zugang nennt Heilstätten-Schuldirektorin Daniela Jagsch in einem Interview, das "Falter"-Chefreporterin Nina Horaczek mit ihr geführt hat: "Es braucht dringend mehr Sozialarbeit, School Nurses, Schulassistenz und Schulpsychologie an allen Schulstandorten. Helfen würden zum Beispiel Personen, die in der Früh zu diesen Familien kommen, zeigen, wie man einem Kind ein Frühstück zubereitet, und am Nachmittag die Eltern anleiten, wie man ein Kind erzieht: Wie war dein Schultag? Wie geht es dir? Hast du die Aufgabe gemacht? Einfach Interesse an dem Kind zeigen …"
Mehr Bauernhof statt Internet Und weiter: "Es bräuchte wieder Einrichtungen, zum Beispiel ein Landhaus außerhalb der Stadt, abgeschieden im Grünen, wo wir mit Kindern und Jugendlichen 24 Stunden arbeiten können, ihnen rund um die Uhr ein Zuhause anbieten, in dem sie für sich und andere Verantwortung übernehmen müssen. Wo es begrenzt nach Vereinbarung Internet und soziale Medien gibt. Wo sie in der Früh geweckt werden, man macht gemeinsam Frühstück, sie werden beim Lernen begleitet, es gibt Therapien und positive Erlebnisse in der Natur und ihre Selbstverantwortung wird durch Beziehungsarbeit gestärkt."
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Fall 5: Manchmal ist’s auch andersrum
Nicht nur nebenbei sei abschließend bemerkt, dass Kinder-Gewalt mitunter die Reaktion auf Gewalterfahrungen durch Lehrer und Erzieher ist. In Klagenfurt wurde jetzt zwei Frauen, 53 und 48 Jahre alt, der Prozess gemacht, weil sie als Leiterinnen einer Kindertagesstätte jahrelang Kinder gequält und gedemütigt haben sollen.
Ausspucken tun wir nicht! Und so las sich in der "Kleinen Zeitung" die Befragung durch die Richterin: Ob sie Kindern das Essen in den Mund stopfte und ihn zuhielt, den Kopf dabei auch nach hinten streckte? – "Nein, um Gottes Willen", so die Angeklagte. Sie habe einzig versucht, den Schützlingen verschiedene Lebensmittel schmackhaft zu machen. Auch der inkriminierte Satz "Speib dich ja nicht an" sei nicht gefallen. Der Satz "Ausspucken tun wir nicht" schon. "Aber ich würde nie ein Kind zwingen." – "Na ja", gab die Richterin zurück, "wenn Sie sagen, ausspucken tun wir nicht, ist das dann kein Zwang?"
Und aufs Klo gehen wir auch nicht In dieser Tonart ging es weiter. Weinende Kinder seien nur zur "Beruhigung" in den Turnsaal gesteckt worden, die Glastüren aber immer einen Spalt offengeblieben. Ob es denn stimme, dass Kindern regelmäßig der Gang aufs WC verwehrt worden sei, wie ehemalige Mitarbeiterinnen unisono aussagten. – "Nein das stimmt gar nicht."
Aber brav aufgegessen wird Die Zeuginnen bestätigten die Vorwürfe freilich quer durch die Bank. Eine Betreuerin erzählte von einem Mädchen, das nicht essen wollte und erbrach – daraufhin habe eine Angeklagte den Teller weggenommen und einen neuen hingestellt, den es dann habe auslöffeln müssen.
Alles erfunden, sagt er Verteidiger Der Verteidiger betonte, dass sich keiner der Vorfälle so zugetragen habe: "Die Vorwürfe sind teilweise aus dem Kontext gerissen und erschöpfen sich darin, dass ehemalige Mitarbeiterinnen Wahrnehmungen weitergegeben haben, die sie nicht einmal selbst gemacht hatten." Beide Angeklagten bekannten sich nicht schuldig.
Ob das ohne seelische Narben abgeht? "Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen" nennt es der Staatsanwalt. Bis zu drei Jahre Haft kann es dafür geben. Frühestens Ende Jänner gibt es ein Urteil, denn für die Einvernahme weiterer Zeugen wurde bis dahin vertagt.
Zu welche Schäden frühkindliche Traumatisierung solcher Art bei manchen Kindern führen mag, wird Ende Jänner wohl noch niemand wissen. Die kriegen später dann ihre Lehrerinnen und Erzieherinnen brühwarm serviert … Ausspucken inklusive.
* Wie stets, verwende ich die weibliche und männliche Form willkürlich wechselnd, alle anderen sind jeweils freundlich mit gemeint
Nikolaus "Niki" Glattauer, geboren 1959 in der Schweiz, lebt als Journalist und Autor in Wien. Er arbeitete von 1998 an 25 Jahre lang als Lehrer, zuletzt war er Direktor eines "Inklusiven Schulzentrums" in Wien-Meidling. Sein erstes Buch zum Thema Bildung, "Der engagierte Lehrer und seine Feinde", erschien 2010