fünf trends
Handys aus veganem Leder oder Plastikmüll aus dem Meer
Warum die Geräte plötzlich öko werden und was es sonst alles noch für Neuheiten bei Smartphones gibt.
Es ist zu einer zweifelhaften Tradition geworden: Erscheint das neueste Smartphone von Apple, Samsung oder Google, sprießen nicht nur seriöse Testberichte aus dem Boden, das Netz wird auch geflutet mit Meldungen, die entweder angeblich fehlende Neuerungen beklagen oder nicht das aktuelle Modell unter die Lupe nehmen, sondern bereits über die angeblichen Innovationen und technischen Daten der nächsten Generation berichten. Das hat einen Haken: Man kennt die künftigen Features nicht, sondern spekuliert.
Dabei würden gerade die aktuellen Smartphones mehr Aufmerksamkeit verdienen. Der Markt hat sich einschneidend verändert. Und die mobilen Begleiter im Jahr 2024 sind spannend wie noch nie. Ein Überblick:
1. Neue Designs: Endlich kein Einheitsbrei mehr
Zum Verwechseln ähnlich Smartphones haben endlich wieder eine eigene Identität gefunden. Optische Ähnlichkeiten zwischen Modellen verschiedener Hersteller sollen ja rein zufällig sein, waren jahrelang aber die Norm. Wer fünf Smartphones verschiedener Hersteller mit dem Display nach unten nebeneinander auf den Tisch legte, tat sich schwer, die Modelle noch auseinanderhalten zu können: Langgezogenes Kameramodul auf dem Gehäuserücken, abgerundete Gehäusekanten, dazu die Farben Schwarz sowie Silber. Wer auffallen wollte, brachte auch Modelle in Gold oder Weiß. Wie teuer das Gerät war oder um welches es sich überhaupt handelte, zeigten im Glücksfall die Anzahl der Kameras oder, falls vorhanden, ein Hersteller-Logo.
Heutzutage haben die Handys und ihre Hersteller zu neuem Selbstbewusstsein gefunden. Und das macht optisch Spaß.
Bunt, Leuchtelemente, durchsichtig Selbst teure Geräte wie das "Apple iPhone 15" sind mit Pink, Blau und Grün bunt geworden. "Xiaomi" setzt nicht nur auf Glas, Metall und Plastik, sondern auch auf Gehäusematerialien wie veganes Leder, was haptisch einiges hermacht. "Samsung" versenkt lieber einen Eingabestift statt die Kamerasensoren im Gehäuse, die Linsen stehen einzeln aus dem Gerät hervor.
Durchsichtige Aktion "Nothing" macht die Rückseite der Handys gleich transparent und verbaut dort Leuchtelemente, die Nutzer steuern dürfen. "Honor" nimmt mit dem Verbauen hochwertiger Kunststoffe den Geräten das Billig-Image, verhindert gleichzeitig lästige Fingerabdrücke und Kratzer am Gehäuse. Und "Vivo" verbaut dermaßen riesige Kameramodule, dass die Smartphones bereits wie Fotoapparate aussehen. Wer Smartphones (auch) als modische Begleiter sieht, hat endlich wieder die Qual der Wahl.
2. Neue Funktionen: KI erobert Smartphones
Keine Schockstarre mehr "Apple" lebte ja schon immer sein eigenes Software-Ding und erntete zuletzt mit seinem "Dynamic Island" Applaus. Die Funktion machte aus dem unschönen, schwarzen Kamerabalken am Display einfach eine Benachrichtigungsleiste, die eingehende Informationen anzeigt, die Nutzer aber auch Apps schnell öffnen und bedienen lässt. Bei den anderen Herstellern, die ihre Systeme auf Android-Versionen von "Google" aufbauten, herrschte lange Zeit Warten vor. Warten darauf nämlich, dass "Google" endlich neue Android-Funktionen einführte, denn selbst setzte man eher weniger eigene Ideen um.
Produkt einkreisen, kaufen Auch da hat sich glücklicherweise der Wind gedreht, was vor allem, aber nicht nur, Künstlicher Intelligenz (KI) zu verdanken sein dürfte. "Samsung" preschte gemeinsam mit Google und den aktuellen "Galaxy"-Flaggschiffen vor und gab den Nutzern "Galaxy AI" in die Hand, KI-Funktionen, die das Thema für den Normalbürger endlich greifbar machten. Die Handtasche der Influencerin oder die Getränkedose des Youtubers mit dem Finger am Display eingekreist, schon spuckt das Ding aus, wo es das begehrte Gut zu kaufen gibt. So lässt sich KI einfach verstehen.
Handy vernetzt Auto mit Haushalt Doch die Funktionen gehen natürlich in die Tiefe. Wie auf anderen Smartphones, allerdings in sehr unterschiedlichen Ausprägungen, kann die Handy-KI nun Notizen ordnen, Texte umformulieren, Vorträge aufnehmen und verschriftlichen oder Sprachen in Echtzeit übersetzen. Und das teils ganz ohne Verbindung zum Internet, sondern am Gerät selbst. "Xiaomi" vernetzt mit seinem neuen System "HyperOS" smarte Handys, Autos und Haushalte miteinander und lässt Nutzer per KI 3D-Modelle von sich erstellen.
"Vivo" wiederum konzentriert sich ganz auf die Kamera und holt Profi-Fotofunktionen vor den Vorhang, die andere lieber in Untermenüs verstecken. Und "Honor" will gleich, dass das Handy weiß, was der Nutzer machen will. "Honor Portal" nutzt dazu KI, um zu erkennen, ob man nach einer Adresse sucht oder ein Foto auf Social Media teilen will, und ruft dazu gleich die passenden Apps auf.
3. Neue Leistung: Sauteuer, aber wirkt
Groß ist das Klagen über den Preis neuer Smartphones. Als Handys erstmals die 1.000-Euro-Marke überschritten haben, war der Aufschrei noch riesig und einige sahen darin gar das Anzeichen, dass der Markt zusammenbrechen werde. Der Markt ignorierte das, der Preis neuer Smartphones sorgt dennoch für mächtig Emotionen.
Nächste Schallmauer 2.000 Euro Nach oben hin scheint aber noch jede Menge Luft zu sein, denn mittlerweile geht es bei einigen Geräten bereits Richtung 2.000 Euro, während die meisten "günstigsten" Geräte einer Highend-Serie nicht mehr unter 1.000 Euro zu haben sind. Doch sind Smartphones im Vergleich zu ihrer Leistung wirklich so teuer geworden? Mitnichten, wir sollten uns vielmehr fragen, ob wir das, was ein über 1.000 Euro teures Handy heute leisten kann, überhaupt ausreichend nutzen. Studien gibt es dazu keine, gefühlt verwenden aber wohl 99 von 100 Flaggschiff-Handy-Besitzern kaum mehr als die Basisdienste.
Handys sind längst kleine Computer Vorbei sind die Zeiten, in denen Handys mit Telefonieren, SMSen und Surfen ihre Leistungsgrenzen erreicht haben. Moderne Smartphones sind so stark, dass sie als Computerersatz fungieren können – und das in Verbindung mit einem entsprechenden Betriebssystem und einem per Kabel oder kabellos gekoppelten Monitor auch tun. "Samsung" hat das mit seinem System DeX perfektioniert.
Muss es das superteure Handy sein? Wer mit dem Smartphone nicht leistungsintensive Aufgaben wie Videoschnitt und -bearbeitung durchführt, nicht Konsolen- und PC-Spiele über das Handy streamt, nicht neueste Mobile Games in der höchsten Auflösung zockt oder Bilder für Präsentationen bearbeitet und die Dokumente dann gleich direkt am Smartphone erstellt, der oder die sollte sich fragen, ob es wirklich das 1.000-Euro-Handy sein muss – oder für die notwendigen Aufgaben nicht eines um 250 Euro reichen würde. Kamera, Akku und Tempo lassen sich bei einigen Geräten auch in dieser Preisklasse sehen – neben "Samsungs" Galaxy-A-Serie auch in "Xiaomis" Redmi-Reihe oder unter "Honors" Magic-Lite-Modellen.
4. Neue Nachhaltigkeit: Öko wird zum Trend
Auch Handys denken ans Klima Lange versuchte ein einziger Anbieter, dem Markt mit möglichst nachhaltigen Smartphones zu trotzen. Der Hersteller "Fairphone" setzte und setzt bei Gehäuse und Innenleben auf recycelte Materialien, verzichtet wo möglich auf schädliche Chemikalien, sorgt für eine faire Bezahlung der Mitarbeiter in der Lieferkette und kompensiert Rohstoffverbrauch (Kobalt) mit Zertifikatslösungen, um die Arbeitsbedingungen im jeweiligen Umfeld, etwa dem Kleinbergbau, zu verbessern. Zudem sind "Fairphones" nicht nur leicht reparierbar, sondern können durch einfache Schraublösungen (statt Kleber) und einem modularen Aufbau ganz einfach selbst vom Nutzer zerlegt und montiert werden. Mittlerweile lassen sich zehn Bauteile – vom Display über den Ladeanschluss bis hin zur Kamera – in Eigenregie aus- und wieder einbauen.
"Fairphone" stellt damit noch immer die Speerspitze der Nachhaltigkeit dar, doch es tut sich auch in der übrigen Branche etwas.
Plastik fliegt raus Bei der Verpackung der Smartphones verzichten mittlerweile so gut wie alle Hersteller auf unnötiges Plastik, das verwendete Papier stammt oft vollständig aus Recycling-Programmen. Manche Hersteller produzieren Kunststoff-Elemente aus Plastikmüll, der aus dem Meer gefischt wurde, andere produzieren die Tasten der Geräte aus Metallabfällen. Selbst sanierbar sind leider immer noch die wenigsten Modelle, doch mit dem gerade von der EU auf Schiene gebrachten Recht auf Reparatur sollen Geräte wie Smartphones auch nach der Gewährleistung einfach und günstig in die Werkstatt geschickt werden können, und das nicht nur zu den Herstellern selbst.
Ladeadapter gibt es nur extra Neben der Hardware tut sich aber auch etwas bei der Software, bei der Updates etwa alle zwei Jahre früher der Standard waren. "Fairphone", "Google" oder "Samsung" liefern mittlerweile bis zu sieben Jahre lang Betriebssystem- und Sicherheits-Updates für die Geräte – auch das nicht unwesentlich, wenn man vierstellige Beträge in Modelle investiert. Der dadurch entstehende Druck dürfte wohl auch noch viele weitere Hersteller software-seitig nachziehen lassen. Standard wird das Weglassen von Ladeadaptern im Lieferumfang. Ein positiver Schritt gegen Elektroschrott – solange die Adapter zu fairen Preisen separat angeboten werden und nicht damit abkassiert wird.
5. Neue Hersteller: Nicht mehr nur Apple und Samsung
Warum viele scheiterten Gerade in Österreich hatte man in den letzten Jahren nicht viel Auswahl, wenn es um die Marke des Smartphones ging. Nach dem Marktanteil-Einbruch von "Huawei" wegen des US-Banns gegen die Google-Dienste des chinesischen Herstellers, teilten "Apple" und "Samsung" den Kuchen unter sich auf, für den Rest blieben nur Brösel übrig, die meisten davon für "Xiaomi". Auch, weil zahlreiche Anläufe anderer Hersteller wie "Vivo", "Oppo", "Realme", "OnePlus" oder "Honor" entweder scheiterten – oder die Hersteller sich mit meist sehr billigen Geräten leise etablierten, statt mit einem Knall zu starten.
Eine Strategie, die vorerst kaum aufzugehen scheint. Bis sich die Marktsituation in Österreich verändert, werden wohl noch mehrere Jahre vergehen – aber die Auswahl wird jedenfalls wachsen, und das erfreulicherweise auch im Luxussegment und nicht nur mit massenhaft auf den Markt geworfenen Billigprodukten.
"Google" endlich in Österreich So überrascht "Vivo" nun mit einem österreichischen Sitz und Premium-Geräten, "Honor" hat seine Billigversuche aufgegeben und will im zweiten Quartal 2024 mit Highend-Handys hierzulande durchstarten, und der Tech-Gigant schlechthin, "Google", hat es geschafft, seine "Pixel"-Geräte endlich in den heimischen Handel und Webshop zu bringen. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft, damit steigt die Auswahl an Geräten und auch der Preisdruck auf die Hersteller.
Sechsmal so starker Akku Sollte den Nutzern das alles dann trotzdem zu langweilig und innovationslos sein, dann hatte vielleicht die Tech-Messe "MWC" in Barcelona etwas für sie zu bieten. Ein Energizer-Handy mit rund sechsmal so starkem Akku wie jegliche Konkurrenz, ein günstiges "ZTE"-Falthandy um rund 700 Euro, ein "Telekom"-Telefon ganz ohne Apps oder ein "Motorola"-Mobilgerät, das wie eine Uhr am Handgelenk getragen werden kann, gab es da zu sehen, als Prototypen, aber auch kurz vor der Marktreife.
Neue Handzeiten, sie haben gerade erst begonnen.