Hilft "Baby-Matura?"
Warum viele Schulkinder wirklich kein Deutsch können
Kinder müssen vor Schuleintritt Deutsch können – in dieser Forderung sind sich Türkis, Rot und Pink einig. Unklar ist, wie das überprüft werden soll. "Kann, soll, darf man die Deutsch-Kenntnisse von Dreijährigen testen?", fragt Niki Glattauer Politiker und Experten.

Anfang Februar 2025. Die blau-türkisen Regierungsverhandlungen hatten noch Aussicht auf Erfolg, da ging Wiens VP-Chef Karl Mahrer in Sachen "Deutsch in der Schule" mit harscher Kritik an der Wiener Bildungspolitik in die Offensive. Kurz zuvor hatte Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) seine "Mission Deutsch" präsentiert: In eine Schulklasse solle nur noch kommen, wer Deutsch verstehe.
Hunderte "Ehrenamtliche" Er, Wiederkehr, fordere daher ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr und eine Verdoppelung der Sprachförderkräfte. Zusätzlich wolle er "Ehrenamtliche" zu Hunderten als Lesepaten in die Kindergärten holen. ÖVP-Wien-Chef Mahrer kurz und bündig dazu: Die Initiative des pinken "Bildungsversagers" (O-Ton) sei eine PR-Show, sonst nichts.
Die Türkisen nennen es "Test" Die ÖVP in Person von Mahrer wolle mehr:
1. Ein singulärer Test schon bei Dreijährigen solle Aufschluss darüber geben, ob ein Kind "Sprachförderbedarf" hat, sprich: ob es deutsch versteht und – altersadäquat – aktiv verwendet. Sei beides nicht gegeben, solle das Kind ab diesem Zeitpunkt verpflichtend zum "Deutsch lernen" in den Kindergarten müssen.
2. Kindergärten sollten künftig nur gefördert werden, wenn sie solche Deutsch-Kurse abhielten.
3. Außerdem müsse das gesamte Kindergartenpersonal (gemeint: auch die so genannten Assistenzkräfte) Deutschkenntnisse mindestens auf C1-Niveau aufweisen.

Die Blauen nannten es "Screening" Knapp drei Monate davor hatte sich schon die Wiener FPÖ, namentlich deren Chef Dominik Nepp, in einer Pressekonferenz für ein "Sprach-Screening" für Kindergartenkinder ausgesprochen, und zwar nach dem Modell der Schulreifeprüfung. Sollten Kinder entsprechend ihrer Entwicklungsstufe nicht ausreichend Deutsch können, müsste es für sie und ihre Eltern (!) verpflichtende Sprachkurse geben.
Kein Deutsch – kein Geld Nach Nepps Vorstellungen solle das "Wiener Sprach-Screening" alle in Wien lebenden Kinder im Alter von drei Jahren betreffen. Sollten die bei negativem Ergebnis auferlegten Sprachkurse für Eltern und Kinder verweigert werden, solle es Sanktionen geben, etwa durch die Streichung von Sozialleistungen wie der Familienbeihilfe.
Deutschkurs im Kindergarten Die Blauen hätte der Türkise in dieser Causa damit also rechts eingeholt. Für die Partei, die die neue Bildungsministerin* stellen wird, mag das unerheblich sein, für den Wien-Wahlkampf ist es das nicht. In der Stadtregierung gibt man sich dennoch gelassen. Eine hochrangige Wiener Rote will namentlich nicht genannt werden, das gäbe "koalitionär vielleicht Brösel". Von mir schriftlich auf die Mahrer-Nepp-Ideen angesprochen, schreibt sie: "Natürlich sind auch wir für Deutschförderung im Kindergarten." Und dann verweist sie darauf, dass es solche Überprüfungen bereits seit über 15 Jahren unter dem Namen "Sprachstandserhebungen" gebe.

Aha? Gibt es schon? Die Politikerin erklärt (nach Rückfrage in der zuständigen MA): "Zwei Jahre vor Schuleintritt beginnen die Elementarpädagogen, die sprachliche Entwicklung der Kinder gezielt zu beobachten und protokollarisch festzuhalten, und zwar sowohl analog als auch digital." Beobachten und festhalten also. Und dann? "Wenn Förderbedarf festgestellt wird, werden Maßnahmen zur Sprachförderung eingeleitet." Soso, eingeleitet. Hmm …
Aber nur für jedes zweite Kind Einleiten heißt allerdings noch nicht umsetzen. Die Zahlen, die sie mir nennt, bestätigen den Unterschied zwischen Theorie und Praxis: 2024 sei in Wien für 16.157 Kinder offiziell Deutschförderbedarf angemeldet worden. Aber nur 9.047 hätten tatsächlich Unterstützung bekommen, also gerade einmal knapp mehr als die Hälfte, und auch das großteils nur sporadisch. Ein Personalproblem. Für das aber der Bildungsminister die Verantwortung trage. Die Rote: "Wien wird vom Bund kontinuierlich unterdotiert. Ein Schelm, der hier an Absicht dächte."
Zaubern können wir nicht Eine Elementarpädagogin aus einem KIWI-Privatkindergarten (KIWI = Kinder in Wien), seit Jahren in einem noblen Wiener Außenbezirk tätig, bestätigt mir die Umstände: Sie habe die "Städtischen" verlassen und sei zu den "Privaten" gewechselt, weil sie genau solches schwer frustriert habe: "Man hat aufgeschrieben, was man beobachtet hat, und sein Bestes getan. Manchmal ist sogar eine Sprachförderlehrerin für ein paar Wochen gekommen, das war dann wie Weihnachten für uns. Aber wenn die Eltern nicht dahinter sind …" Sie lässt den Satz unvollendet und wechselt ins grammatikalische Präsens: "Zaubern können wir auch nicht."

"Bitte aufs Klo!" ist zu wenig "Da gab es Kinder, die hast du nicht viel beobachten müssen, die haben kein deutsches Wort verstanden." Nachsatz: "Und ehrlich gesagt haben sie auch bei uns nicht viel mehr dazugelernt als "ja" und "nein", "danke" und "bitte" und vielleicht noch "darf ich aufs Klo gehen". Das ist natürlich zu wenig. In die Schule kommen sie dann aber trotzdem."
Was sind die Gründe dafür? "Erstens sind viele Kinder nur stundenweise abgegeben worden, und auch das nicht jeden Tag. Wir waren, ganz ehrlich, nicht unglücklich darüber. Jedes Kind weniger hat uns die Arbeit ein Stück weit leichter gemacht. Zweitens waren wir schon damals viel zu wenige Diplomierte. Oft waren zwei Personen, die sich stundenweise abgewechselt haben, für 20 Kinder zuständig. Was willst du da groß erheben?"
Bedeutet erheben eigentlich testen? Nein, Tests im eigentlichen Sinn schreibe der Prozess der "Sprachstandserhebung" nicht vor. Was sie von der Idee einer "Baby-Matura", also einer singulären Deutsch-Testung im Alter von drei Jahren als "Schulreifeprüfung" halte? Sie zuckt mit den Schultern. "Hätten die städtischen Kindergärten ausreichend Personal und würden alle, die dort arbeiten, selbst gut genug Deutsch können, bräuchte es keine Tests." Womit die Elementarpädagogin ein zweites Grundproblem anspricht. Viele der so genannten "Assistenzkräfte" im Kindergarten – angelernt im Schnellsiedeverfahren – sind des Deutschen selbst kaum mächtig.

Babylonische Sprachenverwirrung "In der Praxis spricht die Assistenzkraft aus Kroatien mit den slawischen Kindern slawisch, eine kann Rumänisch und spricht mit den rumänischen Kindern Rumänisch, wieder woanders die türkische mit den türkischen Türkisch. Geht die Leitung vorbei, fällt alibihalber ein deutsches Wort. So lernt ein Kind keine Sprache." Ein Problem, das sich in der Schule fortsetzt.
Aufsicht mit dem Google Translator "Ich bin eine Freizeitpädagogin in einer Wiener Volkschule. Arbeite seit 14 Jahren …" So begann ein Mail, das ich als Reaktion auf einen Text in meiner Kolumne in der Zeitung Heute bekam. Und weiter: "Es hat sich leider sehr viel verändert, und da bin ich ganz bei Ihnen, dass man die deutsche Sprache verpflichten muss. Nur, es gibt in der Volksschule genug Kollegen in der Freizeitpädagogik, die selbst kein Deutsch sprechen. Es gibt Kollegen, die arbeiten den ganzen Tag mit dem Google Translator, da sie nur Englisch sprechen." Und weiter:
Deutschkurs fürs Personal "Es gibt auch Kollegen, die in einer Teamsitzung alles aufnehmen, da sie nicht verstehen, was die Teamleitung sagt. Ich finde, auch solche Personen sollten verpflichtet einen Deutschkurs machen. Doch erwähnen wir das gegenüber dem Geschäftsführer, heißt es, man ist rassistisch, was ja nicht stimmt. Aber wie sollen die Kinder Deutsch lernen, wenn nicht mal die Nachmittagsbetreuer Deutsch sprechen?"

Ist die "Baby-Matura" also die Lösung? Nein, sagt Elfie Fleck, die sich als Sachbearbeiterin im "Referat für interkulturelles Lernen" (nach 2007 "Referat für Migration und Schule") im Bildungsministerium (anfänglich Unterrichtsministerium) bis zu ihrer Pensionierung ein Viertel Jahrhundert mit Migration und Sprache beschäftigt hat. Ich habe sie gefragt, was sie von der Sache hält. Offenbar wenig.
Auch Alma Zadic konnte nicht Deutsch Aus ihrer Antwort an mich: "Ich finde es nicht tragisch, wenn Kinder zu Schuleintritt noch wenig oder gar kein Deutsch können. Es gibt unendlich viele Beispiele erfolgreicher Menschen, die erst mit 6 oder noch später erstmals mit Deutsch in Berührung gekommen sind; Alma Zadic ist eine davon. Der springende Punkt sind tatsächlich die Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte! Das Schulsystem in seiner Gesamtheit muss sich an der geänderten Schülerpopulation orientieren."
Das überrascht mich Aber müsse es denn, so frage ich zurück, nicht gerade wegen dieser "geänderten Schülerpopulation" eine Bestandsaufnahme über das Sprachniveau von Kindern schon vor Eintritt in die Schule geben?

Schuleinschreibung als erster Check Bildungsexpertin Elfie Fleck: "Gegen eine Bestandsaufnahme des Sprachniveaus habe ich grundsätzlich keine Einwände. Im Grunde ist das bei der Schuleinschreibung immer schon passiert, weil man ja feststellen muss, ob das Kind als außerordentliche/r oder als ordentliche/r Schüler/in eingeschult wird, was auch für die Zuteilung von zusätzlichen Ressourcen unerlässlich ist. Früher war das halt eher zwanglos und informell und nicht in Form von ausgeklügelten Tests."
Aber halt ohne Test Und dann Tacheles: "Deutsch-Tests für Dreijährige? Wie soll man sich das vorstellen? Eine zwar (hoffentlich) freundliche, aber völlig unbekannte Person testet das Kind. Wenn das Kind nicht extrem selbstbewusst ist, wird es einmal gar nichts sagen – und zwar unabhängig davon, ob es sich auf Deutsch gut, schlecht oder überhaupt nicht ausdrücken kann." Und weiter:
Angst vorm Versagen lähmt "Allein die Aussicht auf einen Test setzt die Eltern unter Druck, den sie – bewusst oder unbewusst – an das Kind weitergeben. Aus Angst, das Kind könnte beim Test versagen, entschließt man sich vielleicht, innerhalb der Familie nur noch Deutsch zu sprechen, auch wenn man diese Sprache selbst nur rudimentär beherrscht. Damit wird der Grundstein für missglückte sprachliche Biografien gelegt."

Ich habe gegeht Und noch einmal: "Hand aufs Herz: Welches dreijährige Kind kann schon Deutsch? Viele (wohlgemerkt deutsch-sprachige) Kinder haben noch Schwierigkeiten mit der Aussprache von bestimmten Lauten (etwa r oder sch), können die Mehrzahl von simplen Wörtern nicht bilden oder bauen Sätze wie 'Ich habe gegeht' statt 'Ich bin gegangen'. Der aktive Wortschatz ist in der Regel noch sehr bescheiden, wobei es da große Unterschiede von Kind zu Kind gibt. Je nachdem, wie viel Zeit die Erwachsenen dem Kind widmen."
Elfie Flecks Fazit: "Solche Tests wären nicht aussagekräftig. Dass sie sprachwissenschaftlich in Frage gestellt werden, ist klar."
Tests sind "absurd" Einer der Sprachwissenschaftler, auf die sich Fleck dabei bezieht, ist Rudolf de Cillia, Univ.-Prof. in Ruhe. Ich habe den Sprachwissenschaftler im Rahmen meiner Ausbildung auf der PH, damals noch PädAk kennengelernt. De Cillia ist ein Freund klarer Worte. Auf die Frage, was er von Sprach-Screenings für Dreijährige sowie verpflichtenden Eltern-Kind-Kursen halte, sollte altersgemäßes Deutsch nicht vorhanden sein, sagte er Falter-Redakteurin Nina Brnada: "Ich formuliere vorsichtig: Das ist absurd."

Kinder sind zu verschieden Und weiter: "Zweitsprachenerwerb ist sehr individuell (…) Was wir wissen, ist: Es gibt Phasen, in denen Kinder, aber auch Erwachsene, aufnehmen und verstehen, aber nicht reproduzieren. Und es gibt große Unterschiede von Kind zu Kind. Manche plaudern, sobald sie ein bisschen die neue Sprache beherrschen; andere sind still und fangen erst dann zu reden an, wenn sie die Sicherheit haben: Ich kann das jetzt. Auch das spricht gegen punktuelle Testungen."
Außerdem stigmatisert es Dann spricht er ein weiteres heikles Thema an – die Stigmatisierung. Tatsächlich ist bei so mancher Äußerung eines Politikers zum Thema Deutschförderung der Pranger (an den die zugewanderte Familie gestellt werden soll) nicht zu überhören. De Cilia warnt davor: "Wichtig ist ein integrativer Unterricht. Die Deutschförderklassen haben gezeigt, dass sich Kinder ausgeschlossen fühlen (gemeint: wenn sie separiert und segregiert unterrichtet werden)."
"In den Mund gespuckt" De Cillia wartet in diesem Zusammenhang mit einem besonders grausigen Beispiel auf: "Der Schriftsteller Janko Messner berichtete davon, dass im slowenischen Küstenland in der faschistischen Ära ein Lehrer Kindern in den Mund gespuckt hat, wenn sie Slowenisch sprachen. Wir sind hoffentlich einig darüber, dass das menschenunwürdig ist."

Tests sind kontraproduktiv Dazu passend noch einmal Elfie Fleck: "Babys erwerben eine Sprache (gleich welche) oder auch zwei bis drei Sprachen in der Interaktion mit erwachsenen Bezugspersonen. Dabei spielt die emotionale Verbundenheit eine entscheidende Rolle. Das gilt auch für den Kindergarten und die Schule. Wenn sich ein Kind geborgen und akzeptiert fühlt, dann kann es auch gut lernen. Das ist eine Binsenweisheit. Tests – egal in welchem Entwicklungsstadium – sind hier kontraproduktiv."
Rein in die Familie Einen anderen Ansatz verfolgt der Demograf und Sozialstatistiker Wolfgang Lutz, der für seine Beiträge zur Bildungsforschung im September des Vorjahres als erster Österreicher mit dem Yidan-Preis, dem weltweit am höchsten dotierten Bildungspreis, ausgezeichnet wurde. Er verlangt eine "radikale Bildungsreform", die den Mut habe, "früh in die Familien zu gehen".
Denn Mütter wissen oft gar nichts Im Kurier-Interview präzisierte er: "Der falsche Glaube ist, dass die Mütter wissen, was das Beste für ihr Kind ist. Das wissen sie oft gar nicht. (…) Eine ideologische Hemmschwelle liegt darin, dass man denkt, dass alles, was vor dem Kindergarten passiert, reine Privatsache ist. Das ist gerade bei bildungsfernen Kreisen fatal."

Also doch im Eltern-Kind-Pass? Und er verweist auf Finnland: "Die haben in ihrem Eltern-Kind-Pass eben nicht nur, wie wir, rein medizinische Checks, sondern das 'Neuvola'-System mit zusätzlichen entwicklungspsychologischen Checks und Sozialberatung, und das im ersten Lebensjahr alle paar Wochen, danach etwas seltener. Die kommen ins Haus, schauen, wie es dem Kind geht, geben den Familien Gratis-Bilderbücher. Besonders für sozial schwache Gruppen war das ein enormer Anreiz für eine gute, frühkindliche kognitive und auch emotionale Entwicklung. (…) Der Staat soll ja nicht manipulativ, sondern unterstützend eingreifen."
Erfolgsmodell Hamburg Dass nicht nur der Staat, sondern auch eine Stadt unterstützend eingreifen kann, zeigt ein Blick über die Grenzen. Für den Kurier sah sich Bildungs-Redakteur Bernhard Gaul das "Hamburger Sprachförderkonzept" an. Es wurde vor knapp 20 Jahren als Reaktion auf die im Vergleich schlechten Ergebnisse der Hansestadt bei der PISA-Studie gestartet. Und ist, behauptet jedenfalls Hamburg, ein Erfolgsmodell: Seit der Einführung 2005/06 hätten sich die sprachlichen Leistungen der Hamburger Schüler im bundesweiten Vergleich "verbessert".

Start mit 4 ½ Jahren Der erste Schritt im Hamburger Modell ist das "Viereinhalbjährigen-Vorstellungsverfahren" (VVV). Dabei werden Kinder 18 Monate vor ihrer Einschulung auf ihre sprachlichen Fähigkeiten getestet. Zudem erhält jedes Kind bei diesem Vorstellungstermin ein eigens konzipiertes "Hamburger Geschichten-Buch", das es durch das Vorschuljahr begleitet. Kinder mit deutlichem Sprachförderbedarf kommen in sogenannte "internationale Vorbereitungsklassen" (IVK).
Finanzierung querbeet Nach einem Jahr IVK wechseln die Schüler in die Regelklasse und erhalten dort für ein weiteres Jahr zusätzliche Förderung. Neben den schulischen Förderprogrammen gibt es außerdem "Müttersprachkurse" und "Herkunftssprachenunterricht". Finanziert werde all das durch die Behörde, Stiftungen und diverse Bildungsinstitutionen. Und: Zusätzliche Ressourcen erhalten die Schulen je nach sozialem Index ihres Stadtteils.
Und bei uns? Auch Österreich hatte – zeitgleich mit Hamburg – auf die schlechten Pisa-Ergebnisse anno 2000 reagiert. Aber weder mit der Einführung eines Sozialindexes, noch mit einem differenzierten Förderprogramm, geschweige denn einem "Herkunftssprachenunterricht", sondern – mit einem "Gutschein". Die damalige "Zukunftsministerin" Elisabeth Gehrer führte im Schuljahr 2005/06 die sogenannten "Sprachtickets" ein, 120 Stunden als Gutschein, den angehende Taferlklassler für Sprachförderung einlösen konnten. Wenn sie denn wollten.

Besser ohne Förderung Wenige Jahre später waren diese Tickets wegen "durchschlagenden Misserfolgs" (so damals die Arbeiterkammer) wieder Geschichte. Eine im Auftrag der AK erstellte Studie des "Projektzentrums für Vergleichende Bildungsforschung" an der Uni Salzburg hatte ergeben, dass es keinerlei Unterschied gemacht habe, ob das Ticket eingelöst worden sei oder nicht. Im Gegenteil: Bei einem Sprachtest hatten jene Kinder, die das Ticket trotz Sprachproblemen nicht in Anspruch genommen hatten, eine Spur besser abgeschnitten …
* Wie stets, verwende ich die weibliche und männliche Form willkürlich wechselnd, alle anderen sind jeweils freundlich mit gemeint
Nikolaus "Niki" Glattauer, geboren 1959 in der Schweiz, lebt als Journalist und Autor in Wien. Er arbeitete von 1998 an 25 Jahre lang als Lehrer, zuletzt war er Direktor eines "Inklusiven Schulzentrums" in Wien-Meidling. Sein erstes Buch zum Thema Bildung, "Der engagierte Lehrer und seine Feinde", erschien 2010