georg dornauer
Hirschaftszeiten, das Finale: SPÖ-Chef trat ab wie Kurz
Er hatte gehofft, damit durchzukommen. Aber der Druck aus der eigenen Partei wurde am Mittwoch zu stark. Tirols SPÖ-Landesvize Georg Dornauer trat (wie Sebastian Kurz) zur Seite. Im Landtag will er bleiben, ein Comeback ist nicht ausgeschlossen.
Die entscheidende Frage lautet nach wie vor: Hat Tirols Stellvertretender Landeshauptmann und SP-Chef Georg Dornauer wieder einmal einen Hirsch geschossen – oder doch eher einen kapitalen Bock? So wie es aussieht, auf jeden Fall Letzteres. Aber der Reihe nach:
Am Montag, dem 11. November, wurde bekannt, dass der oberste Rote im "Heiligen Land" auf einem Foto bei einer Jagd zu sehen ist – eine Hand am Geweih des erlegten Hirschen, schräg hinter ihm René Benko, Tiroler Kopf des inzwischen insolventen Signa-Immobilienimperiums. Das konnte nicht lange gut gehen.
Mit KI-Stimme Illy: Jagdszenen in der SPÖ
Allerlei Fragwürdigkeiten Denn Dornauers waidmännisches Posing mit einem toten Hirsch und einem angezählten Milliarden-Pleitier warf zwei Fragen auf: 1. – Hat der passionierte Jäger, gegen den seit 5 Jahren ein aufrechtes Waffenverbot besteht, hier selbst abgedrückt? Und 2. – Was macht der Rote Dornauer, der als Sozialist eigentlich die Anliegen der kleinen Bürger vertreten sollte, mit dem gestrauchelten Großkapitalisten René Benko gemeinsam im Wald?
Deer Hunter Dornauer ging kurz in die mediale Offensive und sofort danach in Deckung. Doch seine Hoffnung, es könnte rasch Gras über die Sache wachsen, erfüllte sich nicht. Nach fast zwei Tagen Ansitzen von Politik und Presse warf der Landespolitiker am Mittwochvormittag dann schließlich die Flinte ins Korn. Zumindest ein bisschen. Was bisher über den "Fall Dornauer" bekannt ist:
Worum geht es konkret?
Um ein Foto, das die "Kronen Zeitung" am Montag, dem 11. November, veröffentlichte. Darauf zu sehen: Tirols SP-Chef Georg Dornauer mit einem erlegten Hirschen, eine Hand am Geweih. Schräg hinter ihm René Benko, mittlerweile höchst öffentlichkeitsscheuer Ex-Milliardär und Kopf der Signa-Gruppe, die vor etwa einem Jahr in die Pleite schlitterte. Sowie ein Tiroler Hotelier aus dem Bezirk Innsbruck-Land und ein Jugendlicher (beide verpixelt).
Weiß man, wann das Foto aufgenommen wurde?
Wohl im vergangenen September in der Steiermark. Dornauer selbst erklärte am Montag, das Foto sei "nie zur Veröffentlichung bestimmt gewesen". Was vermutlich stimmt, aber aktuell recht irrelevant ist. Es bildet ja einen realen Vorgang ab. Seit das Foto und die dazugehörige Geschichte bekannt geworden sind, erregt es die Gemüter.
Weshalb die Aufregung?
Einmal geht es um die Frage, ob Dornauer den Hirsch selbst erlegt hat. Das wäre nämlich ein Verstoß gegen behördliche Auflagen, denn gegen den Politiker und Hobbyjäger besteht seit mittlerweile fünf Jahren ein Waffenverbot, das nach wie vor aufrecht ist.
Warum besteht gegen Dornauer ein Waffenverbot?
Er hatte im November 2019 ein Jagdgewehr mit angestecktem Magazin sowie Munition auf der Rückbank seines damaligen Autos (ein Porsche) liegen gelassen und den Wagen mit offenem Fenster am Flughafen Innsbruck geparkt. Securitymitarbeiter des Flughafens stellten Waffe und Munition sicher.
Später wurde bekannt, dass Dornauer das Gewehr bereits am Vortag in den Wagen gelegt hatte, um ins Jagdrevier Sellrain zu fahren. Da es aber zu regnen begann, sei er statt dessen ins Büro und zu einer Veranstaltung gefahren, die Waffe immer am Rücksitz.
Welche Konsequenzen hatte das?
Dornauer wurde mit einem unbefristeten Waffenverbot belegt. Erst vor wenigen Tagen erklärte der SP-Politiker, dass er demnächst, nach Ablauf einer 5-jährigen Frist, einen Antrag auf Aufhebung des Waffenverbots stellen wolle.
Hat Dornauer den Hirsch nun selbst geschossen?
Er bestreitet das vehement, es lägen auch "eidesstattliche Erklärungen und offizielle Dokumente" vor, dass er nichts Unrechtes getan hätte, wie er am Montag erklärte. Die "Tiroler Tageszeitung" brachte den Namen des Hoteliers in Erfahrung, der mit Dornauer und Benko bei der Jagd gewesen ist. Dieser will zwar anonym bleiben, leistete dem Politiker aber Schützenhilfe und erklärte, dass er den Hirsch geschossen habe und auch eine Abschussmeldung bei den entsprechenden Behörden vorläge.
Und sind diese Angaben glaubwürdig?
Es bestehen zumindest einige Zweifel. Einerseits, weil Dornauer – von der "Krone" auf diese Jagd angesprochen – zunächst erklärt hatte, er sei gar nicht dabei gewesen. Erst als ihm von dem gemeinsamen Foto berichtet wurde, gab er den Jagdbesuch zu, meinte aber, er habe nicht selbst geschossen.
Und ist diese Erklärung glaubhaft?
Das hängt davon ab, wie stark der Glaube ist. Denn Dornauer trägt auf dem Foto rechts am Hut einen sogenannten "Beutebruch" bzw. "Schützenbruch", ein waidmännisches Zeichen, das nur dem Jäger eines Wildes zu tragen erlaubt ist. Aber auch dafür hat der Tiroler SP-Mann eine Erklärung.
Und zwar welche?
Er gibt an, er habe auf dem Foto nicht seinen eigenen Hut getragen. Laut "Kurier" hätten die beiden Männer – Dornauer und der anonyme Hotelier – die Hüte getauscht. Eine Erklärung dafür, warum sie das getan haben sollten, blieben die Männer allerdings schuldig.
Wie kam es überhaupt zu dieser Jagdgesellschaft?
Dazu machten bisher weder Dornauer, noch der anonyme Tiroler Hotelier Angaben. Der Politiker erklärte nur, er habe "nach Jahren wieder Jagdluft schnuppern wollen" und daher den befreundeten Hotelier begleitet.
Das heißt, das Revier gehört ebenfalls diesem Hotelier?
Nein, es sei nicht sein Jagdrevier, erklärte der Mann der "Tiroler Tageszeitung". Wer der Besitzer ist, wollte er allerdings nicht sagen. Und auch nicht, wer für den Abschuss des Hirschen bezahlt habe oder ob hierfür eine Einladung vorgelegen sei.
Was kostet so ein Hirsch-Abschuss?
Im "Kurier", durch seinen Raiffeisen-Hintergrund dem Waidwerk recht nahe, wird der Wert dieses Abschusses mit etwa 1.000 Euro beziffert.
Und weshalb ist das relevant?
Es wäre etwa dann relevant, wenn Dornauer selbst geschossen und nicht dafür bezahlt hätte. Denn als Amtsträger – Dornauer ist seit 2022 Stellvertretender Landeshauptmann von Tirol – wäre für den SP-Mann jede Zuwendung über einem Wert von 100 Euro strafbar.
Wie kam eigentlich René Benko in diese Jagd-Gesellschaft?
Der gebürtige Tiroler Benko soll ein langjähriger Jagdkollege des anonymen Hoteliers sein. "Nur so ist dieses Bild zu erklären", sagte Dornauer über das entstandene Jagd-Bild der beiden.
Und wie kann sich Benko so eine Jagd leisten?
Eine gute Frage. Nach der Signa-Pleite ist der ehemalige Immobilien-Tycoon (die offenen Forderungen seiner Gläubiger liegen angeblich zwischen 2 und 3 Milliarden Euro) heute "erwerbstätig" und verdient laut eigenen Angaben 3.700 Euro netto im Monat. So ein Jagdausflug kann da ganz schön ins Geld gehen. Andererseits: Laut "Krone" logiert Benko nach wie vor in der 86-Millionen-Euro-Villa in Innsbruck-Igls …
Wird die Jagd für Dornauer rechtliche Konsequenzen haben?
Das steht noch nicht fest. Wenn, dann aufgrund einer etwaigen Strafbarkeit nach dem Waffengesetz. Das zu überprüfen ist nun die Aufgabe der Staatsanwaltschaft Graz, da die Jagd in der Steiermark stattgefunden hat. Dort will man erst einmal prüfen, was weiter zu tun wäre, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Christian Kroschl am Montag zur APA.
Findet es eigentlich wer seltsam, dass der Sozialdemokrat Dornauer und der Ex-Milliardär Benko gemeinsam jagen gehen?
Mittlerweile immer mehr Menschen, allen voran seine Parteikollegen von der Innsbrucker SP. Dort erklärte Montagnachmittag Stadtparteiobmann Benjamin Plach gegenüber dem ORF Tirol: "Der Vorfall ist inakzeptabel, der Bogen ist überspannt."
Und die SP-Vizebürgermeisterin von Innsbruck, Elisabeth Mayr, fügte in der "Tiroler Tageszeitung" hinzu, dass Renè Benko die Bevölkerung und Österreich "um so viel betrogen" habe, "wo mir als Sozialdemokrat klar sein muss, dass ich mit so einer Gesinnung weder lustwandeln noch auf die Pirsch gehen kann".
Am Dienstag sprach sich schließlich die SP-Bezirksorganisation Innsbruck, die ein Drittel aller SP-Mitglieder in Tirol vertritt, einstimmig dafür aus, Dornauer zum Rückzug aus allen politischen aufzufordern und einen vorgezogenen Landesparteitag abzuhalten.
Weshalb ist die Innsbrucker SP so vehement gegen ihren eigenen Landesparteichef?
Vizebürgermeisterin Elisabeth Mayr und Stadtparteiobmann Benjamin Plach hatten sich zuletzt SP-intern eindeutig als Befürworter von Bundesparteichef Andreas Babler positioniert. Landes-SP-Chef Georg Dornauer hingegen gilt als Unterstützer von Bablers parteiinternem Kontrahenten Hans Peter Doskozil.
Für Bablers Position in der Partei ist die Schwächung Dornauers ein Booster, für die Partei als Gesamtes ist sie ein Desaster.
Und wie kommentiert die Bundes-SP den Abgang auf Dornauer?
Nach einer mehr als 24-stündigen Schrecksekunde meldete sich Parteichef Andreas Babler Dienstagnachmittag schließlich am Rande der Sondierungsgespräche mit der Bunde-ÖVP kurz zu Wort. Dornauer wisse, was er zu tun habe, überreichte der Bundesparteivorsitzende seinem Landeschef die seidene Schnur.
Gibt es eine Reaktion von "Partei-Rebell" Rudi Fußi auf die Dornauer-Enthüllung?
Wie zu erwarten war, ja. Der PR-Berater und selbstinduzierte SPÖ-Retter nutzte die Gelegenheit und konfrontierte seinen "Parteifreund" Andreas Babler auf "X" mit Fragen bezüglich dessen eigenen Gebarungen punkto Jagdeinladungen. Konkret gehe es um die vermeintlichen Abschüsse mehrerer Hirsche durch Babler in seiner Rolle als Mitglied des Wasserleitungsverbandes der Triestingtal- und Südbahngemeinden. Auch dazu hat sich der Bundesparteivorsitzende bis dato nicht geäußert.
Was sagte Tirols Landeshauptmann Anton Mattle zur Affäre Dornauer?
Der ÖVP-Politiker, der mit der SPÖ seit 2022 in einer Koalitionsregierung verbunden ist, zitierte Dornauer am Montag zu einem "persönlichen Gespräch" zu sich. Danach erklärte er, dass bei einem Verstoß gegen das Waffenverbot durch Dornauer für ihn "eine rote Linie überschritten" wäre. Zum SP-internen Gerangel meinte Mattle, er erwartete eine "klare Position vom Koalitionspartner". Mittwochvormittag stellte schließlich Dornauer selbst klar, in welcher Position er sich künftig im Land sieht.
Und wo sieht sich der Politiker künftig?
Jedenfalls nicht mehr am Stuhl des Stellvertretenden Landeshauptmanns. Dornauer erklärte, er sehe in seinen Handlungen keinen Rücktrittsgrund, aber viele in der Partei würden das aber anders sehen. "Ich akzeptiere diese momentane mehrheitliche Stimmungslage", so Dornauer.
Am 18. Dezember werde er als Landes-Vize und SP-Chef in Tirol zurücktreten, sein Landtagsmandat werde er aber behalten – aus Rücksicht auf jene 10.000 Wähler, die ihm ihre Vorzugsstimme gegeben hätten. Als seinen Nachfolger schlug Dornauer den Tiroler ÖGB-Chef Philip Wohlgemuth vor, der seit 2018 für die SPÖ im Landtag sitzt.
Wie sehen die Tiroler Georg Dornauer?
Als "einen der ihren", zumindest war das bis zur Affäre so. Dornauers ebenso selbstsichere wie lockere Art kommt gut an im Land. Er ist nie um einen "Sager" verlegen und spricht die Sprache der Leute. Da wird ihm gerne verziehen, dass er sein Herz gelegentlich auf der Zunge trägt – etwa wenn ihm ORF-Comedian Peter Klien beim Gauderfest im Zillertal das Mikro unter die Nase hält und Dornauer im schon etwas illuminierten Zustand Denkwürdiges von sich gibt.
Und auch seine Beziehung mit der italienischen Politikerin Alessia Ambrosi von der Rechtsaußen-Partei Fratelli d'Italia sehen die meisten Tiroler eher als völkerverbindende Maßnahme denn als Verrat an linken Werten.
Georg Dornauer im O-Ton bei Minute 2.25 …
… und Dornauers beste Sager bei Minute 0.25, 1.10 und 1.55
Wie geht es jetzt weiter?
Mit seinem Rückzug auf Raten scheint Georg Dornauer die innerparteilichen Wogen vorerst geglättet zu haben. Ob es in Sachen Waffenverbot Konsequenzen für den Politiker gibt, liegt jetzt einmal bei der Staatsanwaltschaft Graz, es ist aber eher nicht anzunehmen, da hier kein Fehlverhalten Dornauers beweisbar ist. Scheint so, als wäre die Jagd auf "den Schorsch" vorerst einmal beendet.