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Kann Trump nun als "Märtyrer" die US-Wahl gewinnen?

In fünf Monaten wählen die USA einen neuen (alten) Präsidenten. US-Experte Eugen Freund analysiert, was der Schuldspruch für Folgen hat.

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Es gibt für alles ein erstes Mal: erste Mondlandung; erste Frau als Vizepräsidentschaft-Kandidatin; erstes Handy; erster Farbiger im Weißen Haus; erster Straftäter, um nicht zu sagen: Verbrecher, der wieder Präsident der USA werden will. Nicht alles ist also ein Fortschritt, was sich so in den Vereinigten Staaten abspielt.

Eigentlich ist es nur ein Tüpfelchen auf dem i, dass nun Donald Trump auch noch als "fellon"– wie es in der US-Justizsprache heißt - dastehen lässt. Der Kaiser ist nun endgültig ohne Kleider. Oft hat er sich ihrer selbst entledigt, jetzt haben ihn 12 Geschworene bis aufs Hemd ausgezogen - ein durchaus treffendes Bild, wenn man bedenkt, dass die Verurteilung auf eine nicht ganz unschuldige Begegnung mit einer Prostituierten zurückgeht.

Eugen Freund ist bei "Newsflix" Experte für die Wahlen in den USA
Eugen Freund ist bei "Newsflix" Experte für die Wahlen in den USA
Denise Auer

Selbst wenn Trump während des Prozesses und auch danach immer wieder lautstark verkündet, das Verfahren wäre geschoben gewesen, der Richter sei ein "Tyrann" gewesen (verbrämt mit ein bisschen Antisemitismus, indem er in die Vendetta auch noch ein "Soros" einbaut), in Wahrheit waren es die sprichwörtlichen Männer und Frauen von der Straße, die ihn verurteilt haben. Und kein Einziger, keine Einzige - was schon gereicht hätte – war am Ende auf seiner (Trumps) Seite. Kein Einziger.

Und jetzt? Was sagt uns das für die viel bedeutendere Frage, nämlich: was bedeutet das für die Wahlen im November? Auch schon bisher hat sich eine (knappe) Mehrheit nicht von all dem irritieren lassen, was man Trump vorgeworfenen oder nachgewiesen hatte: dass der "glanzvolle" Unternehmer in Wirklichkeit mit seinem Casino in New Jersey in den Bankrott geraten ist, dass er Frauen zwischen die Beine gegriffen hatte, gestört hat das nicht genug der ach so prüden Amerikaner.

US-Präsident Joe Biden nannte Trump "eine Gefahr für die Demokratie"
US-Präsident Joe Biden nannte Trump "eine Gefahr für die Demokratie"
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Später offenbar auch nicht, dass er einen Mob gegen das Capitol hetzte, um dort das Wahlergebnis über den Haufen zu werfen. Oder, dass er einen für den Wahlausgang zuständigen Beamten im Bundesstaat Georgia überreden wollte, doch ein paar Stimmen für ihn zu suchen, um das Ergebnis dort umzudrehen.

Für Fans ist er ein Märtyrer All das irritiert offenbar noch immer nicht genug, schließlich liegt Trump in Umfragen ständig knapp vorne. In dem Zusammenhang muss auch gesagt werden, dass die meisten seiner Anhänger nur jene Medien verfolgen, die mit Trump durch dick und dünn gehen: die also nie berichtet haben, was genau in dem Prozess gesagt wurde, welche Beweise auf dem Tisch lagen. Dazu gehört vor allem "Fox News", schon seit Jahren das Sprachrohr Trumps. Für diese Anhänger ist Donald Trump wie einer der Märtyrer, die – wie es Maureen Dowd, die Kolumnistin der "New York Times", beschreibt – für "ihre Tapferkeit gesteinigt, gekreuzigt, geköpft, gehäutet, mit Pfeilen erschossen und/oder bei lebendigem Leib in heißem Wasser gekocht wurden".

    Tradition am Korrespondenten-Dinner: Man lacht über sich und über andere
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    Gewählt wird schließlich erst im November und bis dahin kann – nicht nur dem "Märtyrer" – noch viel passieren. Echt belastbare Umfragen gibt es, wenige Tage nach dem vorläufigen Ende des Prozesses gegen Trump, ohnehin noch nicht.

    Es steht auf des Messers Schneide Nate Cohn, der, ebenfalls in der "New York Times" nichts anderes macht, als sich mit Umfragen zu beschäftigen, gibt jedenfalls zu bedenken, dass das Rennen schon seit Monaten sehr knapp ist. Verliert einer der beiden Kandidaten die Unterstützung auch nur eines geringen Prozentsatzes der Wähler, kann das große Auswirkungen haben. Cohn erwähnt etwa junge und nicht-weiße Wähler, die ihn in der Vergangenheit (noch) nicht unterstützt haben, und die jetzt nicht so loyal zu ihm stehen, wie diejenigen, die schon immer auf seiner Seite standen.

    Vielleicht wird man also in einer paar Wochen mehr wissen, spannend bleibt das Rennen um die amerikanische Präsidentschaft in jedem Fall.

    Eugen Freund war Moderator der ZiB 1, lebte von 1979 bis 1984 in New York und war von 1995 bis 2001 in Washington als ORF-Korrespondent tätig. Er war Teil der SPÖ-Delegation im Europa-Parlament und ebendort Mitglied der USA-Delegation (2014-2019)

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