62 Jahre nach mord

Kennedy: Was in den nicht mehr geheimen Geheimakten steht

Am Mittwoch ließ US-Präsident Donald Trump die letzten bislang geheim gehaltenen Ermittlungsakten zum Attentat auf Präsident John F. Kennedy veröffentlichen. Was auf den über 60.000 Seiten steht, wem die Veröffentlichung nützt, welche neuen Erkenntnisse es gibt.

Momente vor den tödlichen Schüssen: US-Präsident John F. Kennedy und seine Frau Jackie am 22. November 1963 auf der Fahrt durch Dallas
Momente vor den tödlichen Schüssen: US-Präsident John F. Kennedy und seine Frau Jackie am 22. November 1963 auf der Fahrt durch Dallas
REUTERS
Martin Kubesch
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Es ist nach wie vor eines der größten Rätsel des 20. Jahrhunderts: Wie starb John F. Kennedy wirklich?

War der 35. Präsident der USA das Opfer eines Einzeltäters, als er am 22. November 1963 in Dallas erschossen wurde? Oder gab es eine weitreichende Verschwörung, welcher der bei der Bevölkerung immens beliebte, aber in einflussreichen Kreisen verhasste Kennedy zum Opfer fiel? Bis heute zweifeln Millionen Menschen an der offiziellen Darstellung, dass ein einzelner Mann, Lee Harvey Oswald, damals für den Tod des Präsidenten verantwortlich war.

US-Präsident Donald Trump veranlasste per Executive Order die Freigabe der letzten geheimen Akten zum Mord an John F. Kennedy
US-Präsident Donald Trump veranlasste per Executive Order die Freigabe der letzten geheimen Akten zum Mord an John F. Kennedy
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Neue Erkenntnisse über das, was seinerzeit geschehen ist, erhoffen sich viele von den letzten noch unveröffentlichten Akten über die Ermordung von JFK. Der aktuelle Präsident Donald Trump hatte unmittelbar nach seiner Ernennung am 20. Jänner in einer Executive Order bestimmt, dass nun auch die letzten geheim gehaltenen Aufzeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen.

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, dem 19. März, war es schließlich so weit: Das Nationalarchiv in Maryland veröffentlichte knapp 2.200 PDF-Dateien mit insgesamt mehr als 63.000 bislang unveröffentlichten Seiten aus den Kennedy-Ermittlungsakten. Was in den Dokumenten steht, ob sich die Forschung neue Erkenntnisse erhofft, was Trump dazu sagt – das Wichtigste über die Akte JFK:

Die Sekunden des Attentats: Jackie Kennedy klettert in Panik auf den Kofferraum des Lincoln, ihr Ehemann John F. Kennedy ist am Sitz zusammengesackt
Die Sekunden des Attentats: Jackie Kennedy klettert in Panik auf den Kofferraum des Lincoln, ihr Ehemann John F. Kennedy ist am Sitz zusammengesackt
Everett Collection / picturedesk.com

Worum geht es hier?
Auch wenn die Geschichte des Attentats als bekannt vorausgesetzt werden kann, hier eine kurze Zusammenfassung: Am 22. November 1963 wurde US-Präsident John F. Kennedy bei einem Besuch in Dallas, Texas, auf der Fahrt vom Flughafen in die Stadt in seiner offenen Limousine von mehreren Kugeln getroffen und starb kurz darauf. Seine Ehefrau Jaqueline "Jackie" Kennedy war bei ihm. Die Bilder, wie sie versucht, auf den Kofferraum des fahrenden Autos zu klettern, haben sich Generationen von Menschen ins Gedächtnis gebrannt.

Weiter?
Bald danach wurde der dringend tatverdächtige Lee Harvey Oswald festgenommen. Rasch stellte sich heraus, dass Oswald, ein Ex-Soldat des Marine Corps, den Präsidenten mit einem einfachen Gewehr aus mehr als 50 Metern Entfernung aus einem Fenster im 5. Stock eines Gebäudes heraus erschossen haben soll. 2 Tage nach seiner Verhaftung wurde Oswald bei der Überstellung in ein Gefängnis von dem Nachtclub-Besitzer Jack Ruby aus nächster Nähe in den Bauch geschossen und starb wenig später.

Nur 2 Tage nach dem Attentat auf JFK wird der mutmaßliche Täter Lee Harvey Oswald bei der Überstellung ins Gefängnis erschossen
Nur 2 Tage nach dem Attentat auf JFK wird der mutmaßliche Täter Lee Harvey Oswald bei der Überstellung ins Gefängnis erschossen
TopFoto / picturedesk.com

Und dann?
Zahlreiche ungewöhnliche Umstände beim Mord an Präsident Kennedy, Augenzeugenberichte, wonach es mehrere Schützen gegeben haben könnte, sowie die Tatsache, dass sein mutmaßlicher Mörder so bald nach der Tat ebenfalls umgebracht wurde, ließen sehr rasch Verschwörungstheorien aufkommen. Noch Ende November 1963, nur wenige Tage nach der Ermordung Kennedys, wurde deshalb eine Kommission unter dem Vorsitz des Obersten Richters Earl Warren eingesetzt, die die Umstände des Mordes an JFK untersuchen sollte.

Was kam dabei heraus?
Nach nur 10 Monaten präsentierte die Warren-Kommission ihren Abschlussbericht, wonach Oswald ein Einzeltäter gewesen sei und es keine Verschwörung zur Ermordung des Präsidenten gegeben habe. Doch dieses Ergebnis wurde von zahlreichen Menschen rund um die Welt angezweifelt. Die Ermordung Kennedys hatte sich längst zum Mythos entwickelt, der sich verselbständigte.

Der Sarg von John F. Kennedy wird im Weißen Haus aufgebahrt, Jackie Kennedy und sein Bruder Robert F. "Bobby" Kennedy stehen reglos daneben
Der Sarg von John F. Kennedy wird im Weißen Haus aufgebahrt, Jackie Kennedy und sein Bruder Robert F. "Bobby" Kennedy stehen reglos daneben
JFK Library/The White House/Robert Knudsen

Aber wer hätte denn ein Interesse daran haben können, Kennedy zu töten?
Zunächst galten vor allem die Sowjetunion sowie Exil-Kubaner als wahrscheinlichste Möglichkeit. Kennedy hatte bei der Kuba-Krise 1962 die Sowjetunion mehr oder minder dazu gezwungen, von ihr auf Kuba stationierte Atomraketen wieder abzuziehen. Und ein Jahr zuvor war eine Invasion von Exil-Kubanern mit Unterstützung der CIA in der kubanischen Schweinebucht mit dem Ziel, Fidel Castro zu stürzen, gescheitert, was viele Beteiligte dem zögerlichen Handeln Kennedys in der Sache zuschrieben.

Und das war's schon?
Bei weitem nicht, mit der Zeit kamen immer neue Verdächtige dazu, die solch einen tödlichen Groll gegen Kennedy gehabt haben könnten. Etwa die CIA (wegen Kuba und anderer Dinge), die Mafia (die Kennedy 1959 zum Wahlsieg verholfen hatte und danach umso heftiger von Kennedys Bruder, Justizminister Robert F. (Bobby) Kennedy, verfolgt wurde, oder der sogenannte militärisch-industrielle Komplex, der angesichts von Kennedys Vietnam-Politik befürchtet haben könnte, um Milliarden an Rüstungsgeldern umzufallen.

Kubas Staatschef Fidel Castro bei einer USA-Reise mit Studenten der Clayton High School
Kubas Staatschef Fidel Castro bei einer USA-Reise mit Studenten der Clayton High School
AP1959 / AP / picturedesk.com

Und weshalb ist nicht irgendwann Gras über die Sache gewachsen?
Der Mord an Kennedy war ein nationales Trauma, vergleichbar mit jenem, das die Attentate vom 11. September ausgelöst haben. Seither werden die Spekulationen darüber, was 1963 tatsächlich geschehen sein könnte, in regelmäßigen Abständen neu aufgekocht. Dazu kommt, dass sich mit Filmen, Büchern, Dokumentationen und sonstigen Erzeugnissen zum Thema seit Jahrzehnten viel Geld machen lässt. Es haben also sehr viele Menschen ein großes Interesse daran, dass die Faszination für das Kennedy-Attentat nicht nachlässt.

Was hat das jetzt alles mit Trump zu tun?
Auch dazu muss man etwas ausholen. Im Herbst 1964 ordnete Lyndon B. Johnson, Kennedys Nachfolger als Präsident, an, dass die Untersuchungsakten der Warren-Kommission für 75 Jahre, also bis 2039, unter Verschluss gehalten werden sollten. Doch im Jahr 1992 beschloss der US-Kongress ein Gesetz (den President John F. Kennedy Assassination Records Collection Act), wonach alle Akten mit Bezug auf das Attentat spätestens 2017 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen, sofern der Präsident nicht einer Verlängerung der Geheimhaltung zustimmt.

Das Attentat auf Kennedy war für die USA ein ähnlicher Schock wie der 11. September 2001
Das Attentat auf Kennedy war für die USA ein ähnlicher Schock wie der 11. September 2001
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Weshalb dieser Meinungsumschwung?
Dafür war vor allem der Hollywoodfilm "JFK – Tatort Dallas" des Regisseurs Oliver Stone verantwortlich. Stone hatte das Buch "Wer erschoß John F. Kennedy? – Auf den Spuren der Mörder von Dallas" des Staatsanwalts Jim Garrison aus New Orleans verfilmt. Garrison hatte Ende der 1960er-Jahre einen lokalen Geschäftsmann der Verschwörung zum Mord an Kennedy angeklagt und im Zuge dessen zahlreiche seltsame Vorgänge aufgedeckt, die er schließlich in dem Buch zusammenfasste.

Ja und?
Oliver Stones sehr spektakuläre und überlange (206 Min.) Verfilmung des Buches schlug seinerzeit ein wie eine Bombe und sorgte weltweit für einen neuen Hype an Spekulationen rund um das Attentat. Dabei wurden auch unzählige Verschwörungstheorien neu aufgerollt und weitere hinzugefügt. Einer der Hauptkritikpunkte war seinerzeit die Geheimhaltung rund um die Ermittlungsakten. Nach der Logik "wer etwas geheim hält hat auch etwas zu verbergen". Deshalb entschloss sich der Kongress zur Offenheit.

Hollywood-Regisseur Oliver Stone befeuerte mit seinem Film "JFK – Tatort Dallas" die zahlreichen Spekulationen um den Mord an Kennedy neu
Hollywood-Regisseur Oliver Stone befeuerte mit seinem Film "JFK – Tatort Dallas" die zahlreichen Spekulationen um den Mord an Kennedy neu
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Kevin Costner als Staatsanwalt Jim Garrison in Oliver Stones "JFK – Tatort Dallas"
Kevin Costner als Staatsanwalt Jim Garrison in Oliver Stones "JFK – Tatort Dallas"
Impress / United Archives / picturedesk.com

Und es wurden alle Akten veröffentlicht
Nein, jedenfalls nicht sofort. Bis 1998 sammelte und veröffentlichte ein "Ausschuss zur Sichtung der Morddokumente" ("Assassination Records Review Board", ARRB) etwa 400.000 Blatt an Dokumenten. Viele Akten eines "Sonderausschusses des Repräsentantenhauses zu Attentaten" (HSCA), der Polizeibehörden, der Geheimdienste und des Militärs galten aber weiterhin als geheim und blieben gesperrt.

Wie ging es weiter?
Der damalige US-Präsident Trump kündigte im Oktober 2017 schließlich an, die bis dahin noch nicht freigegebenen Akten nach Ablauf der Geheimhaltungsfrist des Kongresses am 26. Oktober 2017 veröffentlichen zu lassen. Es gab aber Bedenken bei Sicherheitsbehörden und Trump änderte seine Meinung. Es wurden schließlich nur Teile der geheim verbliebenen Dokumente damals frei gegeben.

Dann kam Sleepy Joe …
Richtig, der neue US-Präsident Joe Biden ließ ab Dezember 2021 schritt um Schritt weitere Protokolle von CIA und FBI veröffentlichen.

Robert F. Kennedy Jr., Sohn von Bobby und Neffe von John F. Kennedy, hatte großes Interesse daran, dass alle Akten zu den Attentaten veröffentlicht werden
Robert F. Kennedy Jr., Sohn von Bobby und Neffe von John F. Kennedy, hatte großes Interesse daran, dass alle Akten zu den Attentaten veröffentlicht werden
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Und nun wieder Trump
Exakt. Der neue alte Präsident spielte die JFK-Karte bereits im Wahlkampf und nutzte das Versprechen, die letzten noch unveröffentlichten Akten freizugeben, auch dafür, um Robert F. Kennedy Jr., der eigentlich als unabhängiger Kandidat für die Präsidentschaft kandidieren wollte, zu sich ins Boot zu holen.

Das ist doch der neue Gesundheitsminister, oder?
Richtig, Robert F. Kennedy Jr., 71, hat ein bewegtes politisches Leben hinter sich. Der neue Gesundheitsminister der USA war zunächst Demokrat, dann unabhängig und ist jetzt Republikaner. Er gilt als massiver Impfskeptiker, was sich auch im Zuge des aktuellen Masern-Ausbruchs im Süden der USA zeigt. Und er ist der Sohn des 1968 ermordeten Robert F. Kennedy, des Bruders von JFK. Die Morde an seinem Vater und seinem Onkel sind für Robert Jr. zu einem Lebensthema geworden und er vermutet bis heute Verschwörungen.

Das tödliche Attentat auf Robert F. Kennedy am 5. Juni 1968
Das tödliche Attentat auf Robert F. Kennedy am 5. Juni 1968
Personalities / TopFoto / picturedesk.com

Und Trump hat ihm versprochen …
Ob er es wirklich versprochen hat, ist unklar. Aber dass der Präsident jetzt so viel Ehrgeiz an den Tag gelegt hat, um die letzten verbliebenen JFK-Akten zu veröffentlichen, hat sicher primär damit zu tun, dass Robert Jr. dieses Thema so wichtig ist.

Also Executive Order?
Natürlich, was sonst? Schon am 23. Jänner, 3 Tage nach seiner Angelobung, unterzeichnete Donald Trump die Executive Order 14176, um alle bislang noch unveröffentlichten Akten in den Mordfällen JFK, Robert F. Kennedy und Martin Luther King freizugeben.

Okay, die beiden Kennedys ist klar. Aber was ist mit Martin Luther King?
Der Reverend und Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King galt als einer der herausragendsten Vertreter im gewaltfreien Kampf gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit und war zwischen Mitte der 1950er und Mitte der 1960er-Jahre der bekannteste Sprecher des Civil Rights Movement. Er propagierte den zivilen Ungehorsam gegen die Rassentrennung in den Südstaaten, war eine Lichtgestalt der Linken und galt dem rechten Establishment als Staatsfeind Nummer 1.

Der Prediger und Bürgerrechtler Martin Luther King bei einer Kundgebung im Jahr 1965
Der Prediger und Bürgerrechtler Martin Luther King bei einer Kundgebung im Jahr 1965
Everett Collection / picturedesk.com

Und auch er wurde ermordet?
Ja, im April 1968, nur wenige Wochen vor Robert F. Kennedy. Und auch in diesen beiden Fällen wurde und wird teilweise bis heute darüber spekuliert, dass es keine Einzeltäter gewesen sind, sondern eine weit verzweigte Verschwörung hinter den Attentaten steckte.

Und Trump sammelt Punkte bei Bürgerrechtlern und People of Color
Naja, die Bürgerrechtsbewegung wird er mit einer Aktenfreigabe nicht auf seine Seite ziehen können. Aber in der Farbigen-Community kann er damit vermutlich Punkte sammeln. Und es kostet ja im Grunde nichts.

Wo befinden sich eigentlich all diese Akten?
Die Aktenbestände befinden sich in einem Gebäude der National Archives and Records Administration in College Park, Maryland.

Das heißt, was wurde jetzt neu veröffentlicht?
Insgesamt 63.400 Seiten an Dokumenten, zusammengefasst in insgesamt 2.182 PDF-Dateien. Davon sind viele Dateien nur eine oder zwei Seiten lang. Es sind aber auch Monster-Dateien darunter, etwa eine über 2.000 Seiten umfassende FBI-Akte aus dem Jahr 1976.

Die stilisierte Silhouette von JFKs Sohn John F. Kennedy Jr. am JFK Memorial Plaza in Dallas …
Die stilisierte Silhouette von JFKs Sohn John F. Kennedy Jr. am JFK Memorial Plaza in Dallas …
REUTERS
… und das berühmte Bild des salutierenden Buben beim Begräbnis seines Vaters 1963. JFK Jr. starb 1999 bei einem Flugzeugabsturz im Staat New York
… und das berühmte Bild des salutierenden Buben beim Begräbnis seines Vaters 1963. JFK Jr. starb 1999 bei einem Flugzeugabsturz im Staat New York
Everett Collection / picturedesk.com

Moment, sind es denn nicht nur Akten aus der Zeit des Kennedy-Attentats?
Nein, es sind zigtausende Akten, die teils bis in die 1990er-Jahre reichen und die irgendwo das Thema der Attentate berühren.

Welchen Gesamtumfang haben denn die JFK-Akten?
Etwa 6 Millionen Seiten insgesamt. Da sind jetzt eben nochmals gut 63.000 Seiten dazu gekommen.

Und ist damit jetzt wirklich endlich alles veröffentlicht?
Nein, leider nicht. Denn erst vor wenigen Wochen wurden von der Bundespolizei FBI etwa 2.400 bisher unbekannte Akten zu Ermittlungen im Mordfall Kennedy entdeckt. Dieses Material muss jetzt erst einmal gesichtet werden, ob es ebenfalls für die Öffentlichkeit freigegeben werden kann. Und dann muss abermals der Präsident entscheiden, ob es auch freigegeben werden soll.

Sind eigentlich alle einverstanden mit den Veröffentlichungen?
Es gab und gibt warnende Stimmen, die meinen, dass in einigen Akten neueren Datums durchaus sensible Daten von noch lebenden Bürgern sein könnten, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, Die New York Times, die mehrere Redakteure daran gesetzt hat, die Akten sofort nach Veröffentlichung auf ihren Inhalt zu checken, hat bereits mehrere dieser Fälle entdeckt.

Die Dealey Plaza in Dallas: Aus dem Gebäude ganz links heraus soll Lee HArvey Oswald auf John F. Kennedy geschossen haben
Die Dealey Plaza in Dallas: Aus dem Gebäude ganz links heraus soll Lee HArvey Oswald auf John F. Kennedy geschossen haben
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Okay, aber geht das Recht der Öffentlichkeit auf umfassende Information da denn nicht vor?
Man hätte sensible Daten natürlich schwärzen können, das wurde bisher auch so gehandhabt. Wurde aber offenbar nicht gemacht.

Was findet sich denn eigentlich in den neuen Akten bis jetzt?
Nun, zunächst einmal muss man feststellen, dass die Akten vollkommen unsortiert veröffentlicht wurden. Wer die entsprechende Seite anwählt, kommt auf eine schier ewig lange Liste von PDF-Dokumenten, die sich nur durch den Zahlencode unterscheiden. Was sich dahinter verbirgt, weiß man erst, wenn man es anklickt - es könnte eine Seite mit handschriftlichen, kaum leserlichen Notizen sein, oder aber eine hunderte Seiten starke Ermittlungsakte einer Behörde.

Weshalb wurde das nicht geordnet?
Weil Präsident Trump scheinbar massiven Druck gemacht hat, die Akten so rasch wie möglich zu veröffentlichen, ist aus den USA zu hören. Tatsächlich sollen im Nationalarchiv die Mitarbeiter zuletzt fast rund um die Uhr gesessen sein, um die Unterlagen zumindest für diese Art der Veröffentlichung herzurichten. Für mehr blieb da scheinbar keine Zeit.

Machte gehörig Dampf, um die letzten Kennedy-Akten rasch zu veröffentlichen: Präsident Trump
Machte gehörig Dampf, um die letzten Kennedy-Akten rasch zu veröffentlichen: Präsident Trump
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Aber ist das sinnvoll?
Nein, ist es nicht. Die seriöse Forschung kann mit diesen Daten zunächst überhaupt nichts anfangen, weil kein Historiker die Zeit hat, zigtausende Seiten auf gut Glück zu lesen in der Hoffnung, dass sich etwas Neues findet, das genau zu seinem Forschungsschwerpunkt passt. Und für die breite Öffentlichkeit sind diese Akten ohnedies sinnlos – man klickt ein paar davon an, liest zumeist belanglose Berichte oder Aussagen und lässt es bald sein.

Das war also reiner Aktionismus von Trump?
Überraschend, aber ja. Trump beschränkte sich auch bei der Ankündigung der Veröffentlichung darauf, lapidar anzumerken, dass es jetzt "viel zu lesen" gebe für alle Interessierten. Und sein Lager feierte ihn, weil er sein Versprechen der Veröffentlichung gehalten habe.

Für die meisten Amerikaner ist John F. Kennedy auch mehr als 60 Jahre nach seinem Tod unvergessen, an seinem Todestag werden, wie hier in Dallas, Gedenkveranstaltungen abgehalten
Für die meisten Amerikaner ist John F. Kennedy auch mehr als 60 Jahre nach seinem Tod unvergessen, an seinem Todestag werden, wie hier in Dallas, Gedenkveranstaltungen abgehalten
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Und was sagt die seriöse Kennedy-Forschung?
Die erwartet sich kaum neue Erkenntnisse aus der Veröffentlichung. Allenthalben wird es einige bislang unbekannte Details geben, was etwa die Ermittlungsarbeiten des FBI oder anderer Behörden betrifft. Aber Erkenntnisse, die einen anderen Tathergang oder Beweise für eine Verschwörung liefern könnten, gelten als nahezu ausgeschlossen.

Bleiben die Dokumente eigentlich so unsortiert?
Nein, der Plan ist, sämtliche Unterlagen über den Mord an JFK sortiert, kategorisiert und digitalisiert zu veröffentlichen. Mit dieser Arbeit wurde Anfang 2024 begonnen und bislang konnten dabei etwa 700.000 von insgesamt etwa 6 Millionen Seiten soweit erfasst werden, dass sie nicht nur online lesbar und zuordenbar sind, sondern auch elektronisch durchforstet werden können. Diese Seiten sind bereits online abrufbar. Denn erst wenn man diese Akten elektronisch bearbeiten kann, kann man sie wissenschaftlich sinnvoll nutzen.

Wird im Nationalarchiv aufbewahrt: Das Hemd von Attentäter Lee Harvey Oswald, das er an dem Tag trug, als er selbst erschossen wurde
Wird im Nationalarchiv aufbewahrt: Das Hemd von Attentäter Lee Harvey Oswald, das er an dem Tag trug, als er selbst erschossen wurde
National Archives
Ein weiteres Artefakt im Nationalarchiv: Die berühmte "Wunderkugel", die auf einer Zickzack-Flugbahn Kennedy und Gouverneur John Connally getroffen haben soll
Ein weiteres Artefakt im Nationalarchiv: Die berühmte "Wunderkugel", die auf einer Zickzack-Flugbahn Kennedy und Gouverneur John Connally getroffen haben soll
National Archives

Was findet man da zu Beispiel?
Neben unzähligen Aktenseiten finden sich da auch einige echte Schmankerln für Hobby-Historiker. So ist etwa der komplette Obduktionsbericht von John F. Kennedy aus dem November 1963 nachzulesen. Und auch zahlreiche Artefakte vom Tag des Attentats wurden als Fotos samt Beschreibung veröffentlicht.

Welche Artefakte?
Etwa das Gewehr, mit dem Lee Harvey Oswald Kennedy erschossen haben soll. Oder sämtliche Patronen, die gefunden wurden. Auch Schrapnelle, die aus dem Leichnam Kennedys entfernt wurden. Oder die Kleidung, die Oswald trug, als er erschossen wurde. Sogar die Windschutzscheibe der Lincoln-Limousine, die von einer der Kugeln durchschlagen worden war, wurde ausgebaut und wird aufbewahrt – und sie ist eben auch als Foto zu sehen. Und es wurde sogar ein Stück Asphalt aus der Straße in Dallas geschnitten, wo eine der Kugeln Oswald abgeprallt sein soll.

Gar nicht happy mit der Art der Aktenveröffentlichung: Jack Schlossberg, Schriftsteller und einziger Enkel von John F. Kennedy
Gar nicht happy mit der Art der Aktenveröffentlichung: Jack Schlossberg, Schriftsteller und einziger Enkel von John F. Kennedy
REUTERS

Kann man all diese Unterlagen eigentlich auch persönlich einsehen?
Grundsätzlich geht das, ja sicher. Details dazu findet man auf der Seite des Nationalarchivs. Nur die gesammelten Artefakte stehen unter Verschluss und werden nur in Ausnahmefällen für die Forschung herausgegeben.

Was hält eigentlich die Familie Kennedy von der Veröffentlichung der letzten Akten?
Begeistert scheint sie nicht zu sein, mit Ausnahme von Robert Jr. natürlich. JFKs einziger Enkel, der Schriftsteller Jack Schlossberg, wetterte auf X gegen die Veröffentlichung, da niemand der Familie vorab von der Trump-Administration über die Pläne in Kenntnis gesetzt worden war. Schlossberg: "Trump ist vom Tod meines Großvaters besessen, nicht aber von seinem Leben und seiner Politik."

JFK und Jackie bei ihrer Ankunft in Dallas am Flughafen Love Field am 22. November 1963: Die Kleidung des Ehepaars an diesem Tag wird bis heute im Nationalarchiv aufbewahrt
JFK und Jackie bei ihrer Ankunft in Dallas am Flughafen Love Field am 22. November 1963: Die Kleidung des Ehepaars an diesem Tag wird bis heute im Nationalarchiv aufbewahrt
Reuters

Ist eigentlich auch die Kleidung, die Kennedy am Tag seines Todes trug, aufbewahrt worden?
Ja, es wurde alles aufbewahrt, auch seine gesamte Kleidung. Diese wurde, wie alle anderen Artefakte, fotografiert und wird demnächst online gestellt, bislang ist das allerdings noch nicht geschehen. Die Kleidungsstücke werden flach in Spezialbehältern unter besonderen klimatisierten Bedingungen aufbewahrt, damit sie keinen Schaden nehmen.

Und Jackie Kennedys berühmtes rosa Kostüm vom Tag des Attentats?
Das wird ebenfalls aufbewahrt. Er wurde dem Nationalarchiv nach Kennedys Tod von ihrer Tochter Caroline überlassen, allerdings unter der Auflage, dass es 100 Jahre lang, bis zum Jahr 2103, nicht angerührt werden darf.

Akt. Uhr
#Menschenwelt
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