Opa gegen Enkel
Weihnachten ohne Stress: So finden Sie Ihre Familie super
"Ihr seid faul". "Und Ihr habt keine Ahnung": Weihnachten ist auch ein Fest der verbalen Hiebe. Aber der Generationen-Konflikt lässt sich entschärfen. Ein neues Buch erklärt, wie Babyboomer, Millenials und Zillenials die Welt sehen. Und warum.
Oft geht es schon nach ein paar Minuten los. Unterm Weihnachtsbaum treffen oft viele Generationen von Menschen aufeinander und das löst sich nicht immer in Wohlgefallen auf. Weil weniger miteinander, als aneinander vorbeigeredet wird, schaukeln sich Streitigkeiten schnell auf.
In seinem neuen Buch "Konflikt der Generationen" beleuchtet der Generationenforscher Rüdiger Maas Ursachen und Hintergründe für die offensichtliche Kluft zwischen Boomern, Gen X - und Zillenials. Angela Szivatz hat es gelesen:
Wovon ist hier bitte die Rede?
Berichterstattung zur Generation der BabyBoomer begegnet uns in letzter Zeit häufig. Denn dazu zählen die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1946 und 1964, deren Vertreter jetzt in Scharen in Pension gehen. Damit wird die Zahl aller, die ins System einzahlen, innerhalb weniger Jahre viel geringer.
Der Pillenknick und seine Folgen
Unter anderem die Anti-Babypille wird für einen deutlichen Rückgang der Geburtenrate verantwortlich gemacht. In Österreich setzte dieser starke Rückgang 1963/64 ein. Mit jeder Generation nach den Babyboomern hat in Österreich die Geburtenrate abgenommen. 1970 lag der Durchschnitt in unserem Land bei rund 2 Kindern je Frau, heute stehen wir bei 1,32. Seit 2019 wird bei uns mehr gestorben als geboren.
Und was sind "Zillenials"?
Eine Mikrogeneration, die sich zwischen Millenials und der Generation Z reingeschummelt hat, zumindest nach Ansicht einiger Sozialwissenschafter. Zillenials wurden zwischen Anfang der 1990er-Jahre und Anfang der 2000er-Jahre geboren. Sie sind also heute so um die 30 Jahre alt. Zu jung, um auf Facebook zu bleiben, zu alt, um in TikTok aufzugehen.
Welche Generationen gibt es also?
- Babyboomer Jahrgänge zwischen 1946 und 1964
- Generation X 1965 bis 1979
- Generation Y (Millennials) 1980 bis 1994
- Zillenials 1992 bis 2002
- Generation Z 1995 bis 2010
- Generation Alpha 2010 bis heute
Wer ist Rüdiger Maas?
Dr. Rüdiger Maas wurde 1979 in Schwabmünchen geboren, gehört also selbst gerade noch zur Generation X. Er studierte in Deutschland und Japan Psychologie, später folgte ein Studium der Philosophie. Seit 2012 erforscht er mit seinem Team unter anderem generationenbedingtes Verhalten. Mit seinem Bruder Hartwin Maas gründete er 2017 das private Institut für Generationenforschung in Augsburg, wo er jetzt auch mit seiner Familie (zwei Kinder) lebt.
Was genau erforscht das Institut?
Schwerpunkte der Forschung liegen auf der gegenseitigen Beeinflussung der Generationen, etwa in der Erziehung, aber auch beim Umgang miteinander in Unternehmen oder in der Gesellschaft. Viele Studien beziehen sich auf Deutschland, einige auch auf Österreich. Maas hat mehrere Fach- und Sachbücher geschrieben. Zuletzt erschien sein Bestseller "Generation lebensunfähig" (2021, Yes Publishing).
Woher kommen die Generationsbezeichnungen?
Rüdiger Maas erläutert in seiner Einleitung, dass das Konzept "15-Jahre sind eine Generation" populärwissenschaftlich basiert ist und ein Vorgehen wäre, "…das mehr mit einem Sternzeichenhoroskop zu tun hat als mit seriöser Sozialwissenschaft."
Trotzdem bedient auch er sich der gängigen Einteilung, um diverse Unterschiede in den Lebenserfahrungen und prägenden Einflüssen "möglichst präzise" herausarbeiten zu können. Und er weist explizit darauf hin, dass nicht alle beschrieben Merkmale in seinem Buch auf alle in derselben Altersgruppe zutreffen.
Was bezweckt Maas mit dem Buch?
Sein deklariertes Ziel ist es, ein Verständnis zwischen den verschiedenen Alterskohorten und Generationen aufzubauen. Wichtig ist ihm ein wertneutrales Aufnehmen der gesellschaftlichen Veränderungen. Gerade in den Medien, so Maas, findet man viele Generationseinteilungen und Zuschreibungen. Damit würden Vorurteile geschürt und verfestigt.
Dabei gab es die Vorstellung von der "heutigen Jugend", die "verdorbenen, …gottlos und faul" wäre, schon 1000 Jahre vor Christus in der babylonischen Gesellschaft. Ausschlaggebend ist, damals wie heute, ob der historische und kulturelle Background der Alterskohorten derselbe ist. Die jeweiligen Erfahrungswelten sind sehr unterschiedlich, ob man in Asien, Europa oder anderswo groß geworden ist.
Worüber der Generationenforscher schreibt
An den Anfang setzt er das Bild eines Parkhauses mit verschiedenen Ebenen: "In der Ebene U1 sucht Oma mit ihrem Auto nach einem Parkplatz. Im Erdgeschoss parkt Vater seinen SUV, im ersten Stock die Tochter ihr Cabrio und im zweiten Stock die (Ur-)Enkelin ihren Laufroller." Weil die Garage nicht beleuchtet ist, wären die Schwierigkeiten des Einparkens für jedes Familienmitglied anders. Und das Reden über das Erlebte auch.
Wer lernt das mit dem Handy nicht mehr?
Die Uromis und -opis, teils aus der Nachkriegsgeneration, teils schon den bereits erwähnten Boomern zugehörig. Denn sie sind, wie alle aus ihrer und der folgenden Generation, komplett analog aufgewachsen.
Was, laut Maas die meisten Boomer noch ausmacht: Sie lesen Bücher aus Bibliotheken, recherchieren in Lexika. Damit steht ihnen ein engerer "Wissenskanon" zur Verfügung. Viele wurden noch Opfer schwarzer Pädagogik. Man ließ sie als Baby schreien und Strafen, auch die sogenannte "g‘sunde Watschen", standen auf der Tagesordnung.
Kennen Boomer nur Konkurrenz?
Im Berufsleben war starke Konkurrenz der Alltag. Sehr viele bewarben sich um dieselben Jobs. Nur wer sich anpasste, jahrelang Überstunden machte oder mit Ellenbogen-Technik arbeitete, konnte es zu etwas bringen. Gender-Debatten lehnen viele ab. Selbst eine Frauenstimme beim Navi wäre für viele Männer der Boomer-Generation inakzeptabel.
Starke Konkurrenzbeobachtung und Definition über Leistung sind typisch. Das gilt noch stärker für Männer. Der Frauenerwerbsanteil stieg erst ab den 1970er-Jahren sukzessive an.
Millenials und Zillenials sagen den Boomern nach, sie könnten nicht zuhören und wären starrsinnig. In Österreich oder Deutschland wäre etwa Wladimir Putin ein Boomer.
Wer hat den Punk erfunden?
Die Generation X. Sie ist die letzte Generation, die noch komplett analog aufgewachsen ist. Es gab noch viel mehr Raum für Freizeit in der Natur und Langeweile, die, wie die Neurowissenschaften betonen, wichtig für die Kreativität und das Erlernen von Selbstbeschäftigung ist. Widerstand und Abgrenzung gegen ihre Eltern war in der Jugend selbstverständlich.
Trotzdem sind sie als Erwachsene in die Fußstapfen ihrer Eltern getreten. Sie sind es auch, die die Abgrenzung für ihre Nachkommen nun erschweren, so Maas. Als "digitale Armee der Alten" wollen sie die digitalen Rückzugsgebiete der Jungen- erst Facebook, jetzt Instagram - erobern. Sie ahmen die Jungen nach. So wie unser Bundeskanzler: Nehammer, geboren 1972, macht jetzt auch in Sachen Podcast.
Was zeichnet Millenials aus?
Sie haben zunächst noch an PCs zu Hause die neue Welt erlebt. Erst in ihrer Jugend kamen das Smartphone und Social-Media-Kanäle auf. Dabei ginge es, laut Maas, noch um "echte" Follower, die man physisch kannte. Diese Generation ist top ausgebildet und war dennoch jahrelang bereit für wenig oder unbezahlte Praktika in der Hoffnung, daraus eine reale Jobchance zu generieren.
Gemessen am Einsatz verdient sie am wenigsten in der westlichen Welt. Gendern ist in dieser Kohorte ein großes Thema. Konflikte mit Boomern sind also ziemlich sicher. Millenials werden später Eltern als ihre Vorfahren und neigen vermehrt dazu, ihre Kinder überzubehüten.
Beurteilen wir die Generation Z falsch?
Bei der Generation Z und bei den Zillenials wird alles digital. Eine Welt ohne Smartphone ist für sie unvorstellbar. Ihre Umgebung, so Maas, soll sich ihren Vorstellungen anpassen und tut das zusehends auch. Zumindest die Eltern, viele Lehrer und immer mehr Arbeitgeber.
Verzicht, so der Generationenforscher, hat diese Generation nicht lernen müssen. Damit fällt ihnen die Anpassung an bestehende Verhältnisse oft schwer.
Gleichzeitig konstatiert Maas, dass diese Gruppe medialen Vorurteilen am stärksten ausgesetzt ist. Viele Ältere verstehen Bewegungen wie Friday for Futures nicht, die von den Jungen aus Angst vor den Folgen des Klimawandels gegründet wurden. Viele können den starken Wunsch nach einer guten Work-Life-Balance der Jungen nicht nachvollziehen. Stattdessen bezeichnen sie diese als faul, zu Unrecht, wie Studien belegen.
Verändern sich die Hirnstrukturen?
Was den Ameisenvölkern ihre Späherinnen, das sind Generation Z und Zillenials ihre Influencer. Millionenfach folgen sie ihnen online, selbst, wenn diese KI gesteuert und gar keine echte Person sind.
Die Angebote und Algorithmen von Social Media, so wissen Neurologen, belohnen das menschliche Gehirn laufend mit der Ausschüttung "guter" Botenstoffe wie Serotonin, Dopamin und verstärken durch Oxytocin die Bindung an die digitalen Vorbilder. Gleichzeitig belegen Studien, dass sich die Kommunikation mit echten Menschen stark reduziert und Kinder mit den Inhalten ihrer Smartphones meist allein gelassen werden. So schaffen sie sich ein oft negatives Bild von der Welt "da draußen". Angst und Depressionsstörungen nehmen nachweislich zuZ.
Aber auch die permanente Nutzung des Daumens beim Eintippen hat bereits sichtbare Spuren in der Gehirnstruktur "digitaler Ureinwohner" hinterlassen. Kein Wunder, bei 6 bis 20 Stunden pro Woche auf Social Media und 4 bis 6 Stunden täglichem Handygebrauch.
Wer ist die nächste Gruppe?
Die Alphas, das sind alle seit 2010 Geborenen. Sie bekamen, so der Autor, digitale Geräte praktisch schon in die Wiege gelegt. Ihre Welt wird immer schneller und komplexer. Die Eltern sitzen mit ihnen auf dem Spielplatz und zücken alle paar Minuten das Handy. Innerhalb von 3 bis 4 Minuten ergoogelt man schlimme Meldungen: Was bei einem Insektenbiss oder Sturz vom Klettergerüst passieren kann. Es kommen immer weniger Kinder zur Welt und deren Eltern haben immer mehr Angst um diese.
Innerhalb von vier Generation haben Kinder ihren Freiraum verloren. Wir streiften noch unbeaufsichtigt durch Gassen, Wiesen und Wälder. Bauten Schneeburgen und kletterten auf Bäume. Begrenzung unserer Freiheit waren die beiden nächsten großen Straßen rechts und links. Daran hielten wir uns eisern. "Ich gehe die Gefahren suchen", ruft Ronja Räuberstochter von Astrid Lindgren und läuft durch eine Felsschlucht davon. Heute gilt all das als Verwahrlosung.
Fehlt den Alphas die Freiheit?
Viele Eltern gehen so weit, ihre Kinder aus der Gen Alpha mit AirTags und Apps auf dem Smartphone auf Schritt und Tritt zu überwachen. Doch diese Überbehütung macht die Kinder selbst ängstlich oder depressiv. Sie können sich nicht in ihrer Stärke und Problemlösungskompetenz wahrnehmen. Kein Wunder, dass man der Altersgruppe nachsagt, sie wäre entscheidungsschwach.
In Schweden, Norwegen und Finnland ging man so weit, den Unterricht der Alphas komplett auf Tablets und Computer umzustellen. Damit sollte den Schülern das Lernen erleichtert werden. Doch – Überraschung! – das Gegenteil war der Fall, die Leistungen wurden schlechter. Nun rudert man wieder zurück zu mehr analogem Unterricht.
Wohin soll das alles führen?
Das Buch arbeitet gut heraus, wie sich Werte und Lebensweisen der jüngeren Generationen durch Technologie und gesellschaftliche Veränderungen transformieren. Es wird deutlich, dass in der Arbeitswelt immer weniger Menschen zur Verfügung stehen. Die können sich dann die Bedingungen mehr und mehr aussuchen. Hier steckt wohl auch ein gewisses Neidpotential der Alten drin, die noch rackern mussten.
Auch die Frage der gegenseitigen Verantwortungsvorwürfe zwischen den Generationen, wird gestellt. Wer muss nun auf die Welt aufpassen? Wie der Gap zwischen den Alten und den Jungen kleiner gemacht werden kann, darauf geht er weniger ein. Wenn es am Ende des Buches um die Chancen und Risiken für die Zukunft unserer Gesellschaft geht, wird Maas zunehmend spekulativ.
Was heißt das für die Generation Beta?
Den noch ungeborenen Betas zeichnet Maas eine traurige, ja erschreckende Zukunft. Sie werden nicht nur die kleinste Gruppe innerhalb der gleichzeitig lebenden Bevölkerung sein, denn immer mehr Menschen entscheiden sich gegen ein Kind. Ihre Eltern könnten sie durch Apps und technische Apparate erziehen und betreuen.
Die Kinder werden immer bespielt. Bei Eltern mit hohem Bildungsgrad werden die Kids in Cyberskills wie Programmieren, KI-Anwendungen und effizientes Internetsurfen unterrichtet. Sport, Kunst und Deutsch im Unterreicht gibt es nicht mehr, hingegen e-Sport, KI-Kunst und Cyberphilosophie.
Mit Fake News werden sie zu 60 Prozent regelmäßig konfrontiert. Welchen Daten man vertrauen kann, wird keiner mehr wissen. Das wird das Ende von eigenständigem Denken, verlässlicher Wahrnehmung und echter Kreativität bedeuten, so der Autor.
Und was bedeutet das für die Welt?
Auch der Transhumanismus soll die Zukunft der Menschheit, also auch der Betas, bestimmen. Elon Musk, ein Generation Xler, investiert Unsummen an Geld in Projekte zur Modifikation der Gene für den superintelligenten und widerstandsfähigeren Supermenschen. Das Implantieren von Chips in den Körper, die dann mit dem Computer verbunden werden, soll die menschlichen Leistungen steigern.
Viele Superreiche aus dem Silicon Valley investieren heute in die Entwicklung "Technik statt Evolution" und Langlebigkeit (Longevity). Und wenn das mit dem Klima doch schief geht? Auch kein Problem. Wer reich genug ist, übersiedelt mit Musk und seinem Unternehmen Space X auf den Mars. Nur noch 20 Jahre müssen sie durchhalten!
Was kann das Buch leisten?
Rüdiger Maas gelingt es, sozialwissenschaftlich fundierte Methoden leicht verständlich zu transportieren. Dazu tragen auch seine authentischen Vergleichsbeispiele bei. Als Leser kann man sich gut in die unterschiedlichen Lebenswelten hineindenken. Je mehr man von den verschiedenen Generationen begreift, desto deutlicher wird, wie wichtig gute, wertschätzende Kommunikation wäre, um Frieden zu stiften.
Maas bringt interessante und wichtige Exkurse ein. Leider stört deren Platzierung manchmal den Lesefluss zum Hauptthema.
Der Autor möchte Impulse geben, um den Generationenkonflikt zu überwinden. "Wir müssen also wieder zusammenfinden, analog wie digital… und unsere Unterschiede aushalten."
Ob das Buch dafür nötig ist? Nicht zwingend, aber es kann hilfreich sein. Wie sagt man im Zirkus (und zu Weihnachten) so schön? Möge die Übung gelingen!
Rüdiger Maas: "Konflikt der Generationen", Sachbuch, Hardcover, 240 Seiten, € 23,50 (YES Publishing)
Angela Szivatz ist Autorin ("Betrug und Liebe - die wahren Fälle einer Detektivin") Moderatorin und Bloggerin ("Oma aus dem Kirschbaum"). Für Newsflix schreibt sie über aktuelle Literatur. Angela Szivatz lebt in Wien