dicke Luft
Machen die Smartphones unsere Luft schlecht?
Fast alle Smartphones warnen derzeit vor einer miserablen Luftqualität im Osten Österreichs – zu Recht? Was an den Warnungen dran ist, wer trotzdem vorsichtig sein sollte und weshalb uns heute wesentlich seltener die Luft wegbleibt als noch vor 15 Jahren.
Handy-Usern, die sich intensiver mit den Wetter-Apps ihrer Smartphones auseinandersetzen, bleibt seit kurzem öfters die Luft weg – und das durchaus auch im wortwörtlichen Sinn. Denn so gut wie alle einschlägigen Apps attestieren weiten Teilen Österreichs nun bereits seit vielen Tagen eine miserable, teils sogar gefährliche Luftqualität. Und warnen vor gesundheitlichen Schäden dadurch.
Mit KI-Stimme Illy: Machen Handys unsere Luft schlecht?
Aber ist den angeblich so smarten Telefonen diesbezüglich auch wirklich zu trauen? Droht derzeit tatsächlich der kollektive Atem-Kollaps, wenn man länger unter freiem Himmel unterwegs ist? Oder ist das nur Panikmache? Weshalb derzeit alle Smartphones Luft-Alarm schlagen und wie es wirklich um unsere Luft bestellt ist :
Die wichtigste Frage zuerst: Wie schlecht ist die Luft in Österreich derzeit wirklich?
Sie ist nicht rasend gut, jedoch auch nicht so schlecht, wie man angesichts der Alarmmeldungen auf vielen Handys meinen könnte. Aber die Belastung vor allem mit Feinstaub liegt in jenen Regionen, wo sich nun schon seit Tagen eine dichte Wolkendecke und oft auch zäher Nebel hält, tatsächlich immer wieder über den festgesetzten Grenzwerten.
Ist das in ganz Österreich der Fall?
Nein, oberhalb dieser dicken Schicht aus Wolken und Nebel, also in höheren Lagen und auf den Bergen, herrscht wolkenloser Himmel und strahlender Sonnenschein. Und es ist wesentlich wärmer als am Boden. Dort oben ist die Luftqualität derzeit prächtig.
Weshalb ist das Wetter so zweigeteilt?
Schuld daran ist eine sogenannte Inversionswetterlage. Meteorologen bezeichnen so eine Wettersituation, bei der Umweltbelastungen in der Luft – vor allem Feinstaub – eine in Bodennähe liegende Schicht bilden und verhindern, dass kalte Luft und Abgase aufsteigen können. Diese Schicht liegt quasi wie ein Deckel oder eine Dunstglocke über einer Region und schließt alles unter sich ein. Darüber ist es sonnig und warm, darunter kann die Kälte nicht aufsteigen und es bleibt wolkig, nebelig und düster.
Wie lange hält so eine Wetterlage üblicherweise an?
Das hängt davon ab, wie stabil die Großwetterlage ist. Wir haben aktuell die Situation, dass ein sehr stabiles Hochdruckgebiet über dem östlichen Mitteleuropa liegt und diese Inversionswetterlage quasi einzementiert. Denn das kräftige Hoch hält Tiefdruckgebiete fern, dadurch gibt es keinen Wind und keine Niederschläge, die die Dunstglocke auflösen könnten. Und durch den Nachschub an Feinstaub von unten (durch Auto- und sonstige Abgase) wird die Luftschicht, die wie ein Deckel über der Landschaft liegt, immer dichter.
Ist das ein außergewöhnliches Wetterphänomen?
Nein, das ist für die Jahreszeit vollkommen normal. Diese Art von Wetterlage ist typisch für den Spätherbst, auch zum Winterende hin kommen solche Inversionswetterlagen recht häufig vor.
Ist das auch eine Folge des Klimawandels?
Grundsätzlich nicht, diese Wettersituation hat es auch bereits vor hunderten Jahren gegeben. Ausschlaggebend dafür ist, dass eine genügend große Konzentration an Feinstaub und sonstigen Schadstoffen in der Luft ist, aus der sich die Dunstglocke bilden kann. Ob diese Schadstoffe nun aus Autoauspuffen und Industrie-Schornsteinen kommen, oder von Holzfeuern und Koksöfen, ist nebensächlich. Und auch natürlich entstandene Feuer am Boden heizen diese Wettersituation an, es braucht also nicht einmal den Menschen dazu.
Wie sind die aktuellen Wetterprognosen für Österreich?
Stand Dienstagabend soll am Freitag, dem 15. November, Wind aufkommen und die Inversionswetterlage auflösen. Für den Samstag ist auch für den Osten des Landes strahlender Sonnenschein angekündigt, danach soll es wieder wolkiger, aber auch windiger werden.
Bis dahin bleibt es aber wie zuletzt, also nebelig und trüb?
Ja, zumindest noch zwei bis drei Tage hat uns diese Wettersituation weiterhin fest im Griff.
Wie gefährlich ist die aktuelle schlechte Luftqualität?
Laut dem Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien ist sie auf jeden Fall ernst zu nehmen. Vor allem Menschen mit empfindlichen Atemwegen oder Vorerkrankungen sollten längere Aufenthalte im Freien meiden, zitiert der "Standard" den Mediziner. Auch für Neugeborene und Schwangere ist die aktuelle Luftgüte denkbar ungeeignet. Menschen ohne Vorerkrankungen oder aktuelle Infekte sollten hingegen mit der Mehrbelastung für den Organismus keine Probleme haben, außer eventuell beim Sport im Freien.
Warum schlagen dann alle Handy-Apps Alarm?
Weil diese grundsätzlich nicht differenzieren können, an wen sie ihre Wetter- und Luftqualitätsinformationen adressieren, ob an einen alten Menschen mit einer chronischen Atemwegserkrankung, oder an einen jungen, gesunden, trainierten Menschen. Sie richten sich nach definierten und anerkannten Grenzwerten – etwa im Fall von Apple an jene der Weltgesundheitsorganisation WHO. Da ist festgelegt, wie viel von welchem Schadstoff unbedenklich ist und wann es beginnt, belastend zu werden. Werden definierte Grenzwerte überschritten, dann schlagen die Apps Alarm. Über die individuelle Gefahr für jeden Einzelnen sagt das noch nicht sehr viel aus.
Ist es jetzt sinnvoll, Corona-Schutzmasken zu tragen?
Das kann helfen. Mund-Nasen-Schutzmasken sind gut, FFP2-Masken besser. Wer bei Smog im Freien unterwegs ist, macht mit einer Schutzmaske alles richtig und schont derzeit seine Atemwege.
Aber nicht jede App ruft gleich laut "Gefahr" – woran liegt das?
Einerseits daran, dass die Hersteller beim "Füttern" ihrer Apps auf die Messdaten von unterschiedlichen Anbietern zurückgreifen. Apple arbeitet mit dem Unternehmen Breezometer zusammen, einem spezialisierten Anbieter von Wetter- und Umweltdaten, der seit einiger Zeit zum riesigen Google-Imperium gehört. Samsung bezieht seine Daten von weather.com. Und Google selbst füllt seine Handys mit Daten aus unterschiedlichen Quellen, um daraus seine Berechnungen zu erstellen.
Und andererseits sind auch die Einschätzungen der Anbieter, wie die jeweilige Luftqualität zu beurteilen ist, unterschiedlich. So beurteilt etwa Apple die Luftqualität am Standort der Newsflix-Redaktion als "schlecht", Samsungs Quelle weather.com als "moderat" und auf Google Maps ist sie "mittelmäßig bis schlecht" (siehe Screenshots unten). Und das wohlgemerkt alles zum selben Zeitpunkt.
Weshalb diese unterschiedlichen Einschätzungen, die Daten müssten doch für alle gleich sein?
Grundsätzlich ist es richtig, dass die Messdaten mehr oder weniger übereinstimmen sollten, auch wenn es naturgemäß Unterschiede im Detail gibt, je nachdem wer misst und von wo aus was gemessen wird. Warum die einzelnen Apps aber offenbar unterschiedliche Bewertungsgrundlagen für die erhobenen Daten zu haben scheinen, ist letztlich nicht schlüssig zu beantworten. Man könnte es als eine Frage der jeweiligen Interpretations-Philosophie sehen, die in den Konzern-Zentralen für die ganze Welt einheitlich festgelegt wird.
Misst die Stadt Wien eigentlich auch die Luftgüte?
Ja sicher, insgesamt gibt es in der Stadt 16 Luftgütemessstellen. Die hier erhobenen Daten werden stündlich auf der Website der Stadt Wien veröffentlicht. Zum Zeitpunkt, als die drei internationalen Anbieter der Wiener Innenstadt eine moderate bis schlechte Luftqualität attestierten, kamen die Messungen der Stadt übrigens zu einem ganz anderen Urteil. Sie sahen nirgendwo die Grenzwerte verletzt.
Wie kann es zu solchen Diskrepanzen kommen?
Das hat vermutlich damit zu tun, dass hier die Stadt direkt am Ort des Geschehens misst. Während viele der internationalen Datenanbieter die Messwerte aus Großwetterlagen und ebensolchen Modellen errechnen bzw. auch mittels Satellitendaten zusammenstellen. Es ist davon auszugehen, dass die von der Stadt an Ort und Stelle stündlich erhobenen Daten exakter die Wirklichkeit abbilden als jene der Handy-App-Anbieter.
Auf Basis welcher Messdaten wird die Luftgüte-Einschätzung überhaupt erstellt?
Dafür werden verschiedene Messdaten erhoben und die Ergebnisse fließen in die Gesamtbewertung. Apple bzw. sein Datenlieferant Breezometer etwa erhebt die Luftgüte anhand der jeweiligen Messwerte von insgesamt 17 verschiedenen Schadstoffen in der Luft. Die wichtigsten sind Feinstaub (PM 10 bzw. PM 2,5), Ozon (O3), Schwefeldioxid (SO2), Kohlenmonoxid (CO), Stickstoffdioxid (NO2) und die jeweilige Pollenbelastung.
Welche Schadstoffe sind derzeit für die schlechte Luft verantwortlich?
Hauptsächlich der Feinstaub in der Luft. Dieser wird in zwei "Güteklassen" eingeteilt, die sich in der Größe der Feinstaubpartikel unterscheiden. Die Klasse PM 10 bezeichnet Feinstaubpartikel bis zu einem Durchmesser von 10 Mikrometern (zum Vergleich: ein menschliches Kopfhaar hat etwa einen Durchmessern von 100 Mikrometern). Diese gelangen in die Lunge und können dort u.a. Entzündungen verursachen. Die andere Feinstaubklasse wird als PM 2,5 bezeichnet. Diese Partikel sind kleiner, sind haben höchstens eine Größe von 2,5 Mikrometern. Sie können bis in den Blutkreislauf und so in alle Organe gelangen.
Woher kommt der Feinstaub?
Vor allem aus Verbrennungsprozessen. Also von den Verbrennungsmotoren in Kraftfahrzeugen, aus der Industrie und aus der Energie- und Wärmeerzeugung. Dass die Feinstaubbelastung gerade in der kalten Jahreszeit stark zunimmt, hat vor allem mit dem Bedarf an Wärme in Häusern und Wohnungen zu tun.
Jede Form von Heizung erhöht den Feinstaubausstoß, ob in Öfen und Kaminen Holz, Kohle, Gas oder Pellets verbrannt werden, oder ob in Fernwärmeheizkraftwerken Brennstoffe verfeuert werden, um für Wärme zu sorgen. Aber auch z. B. Zigaretten oder Kerzen haben einen Feinstaubausstoß, der sich dann vor allem kleinräumig auswirkt.
War die Luftqualität früher auch so schlecht wie heute?
Sie war sogar noch wesentlich schlechter als heute. Vor allem in den vergangenen 15 Jahren hat es hier massive Fortschritte hin zum Besseren gegeben. Am Beispiel von Wien lässt sich das an den Luftgüte-Jahresberichten ablesen. Demnach gab es etwa in den Nuller-Jahren noch mehr als 50 Tage pro Jahr mit hohen Feinstaubbelastungen (Partikelgröße PM 10), bei denen der Tagesmittelwert über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft lag – das sind etwa auch die Werte, wie wir sie in den vergangenen Tagen in Wien hatten. 2022 und 2023 wurden nur jeweils 2 Tage pro Jahr mit einem PM 10-Tagesmittelwert über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen.
Und wie sieht es damit heuer aus?
2024 gab es bisher 6 Tage mit einem Feinstaub (PM 10) -Tagesmittelwert über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Wobei 3 Tage im März gemessen wurden, als sich Saharastaub über ganz Mitteleuropa legte, und die anderen 3 Tage eben jetzt im November.
Was kann getan werden, um die Luftqualität weiter zu verbessern?
Im Grunde alles, was dem Klimaschutz dient, denn Klimaschutzmaßnahmen sind auch Luftreinhaltemaßnahmen. Also etwa der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der Einsatz möglichst emissionsarmer Fahrzeuge, der Ausbau der Elektromobilität, die Ausweitung des Fernwärmenetzes, die thermische Sanierung von Wohnhäusern, der Erhalt von Grünräumen, die Entsiegelung von Böden. Das und 1.000 andere Dinge, die längst bekannt sind. Und wenn wir dazu übergehen, sie auch umzusetzen, dann profitieren letztlich alle davon.