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"My Old ass": Warum es okay ist, doch nicht queer zu sein

Die Independent-Komödie "My Old Ass" spielt mit dem Thema Zeitreise und bricht mit ein paar Dogmen der aktuellen Teenie-Generation. Kurzweilig und nett. Ab sofort auf Amazon Prime.

Die 18-jährige Elliott (Maisy Stella, l.) trifft im Mushroom-Rausch ihr um 20 Jahre älteres Ich (Aubrey Plaza): "My Old Ass"
Die 18-jährige Elliott (Maisy Stella, l.) trifft im Mushroom-Rausch ihr um 20 Jahre älteres Ich (Aubrey Plaza): "My Old Ass"
Courtesy of Prime
Newsflix Redaktion
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Zeitreisen sind beliebte Motive in der Filmwelt. Sie bieten stets interessante erzählerische Möglichkeiten, und das in fast allen Genres: Ob es sich nun um Actionfilme wie "Terminator" und "Tenet", Abenteuer-Streifen wie "Zurück in die Zukunft" oder Thriller wie "Deja Vu" oder "Looper" handelt, ganz egal. Auf's Publikum üben Reisen durch Zeit und Geschichte eine große Faszination aus.

Best Friends Forever: Ro (Kerrice Brooks), Elliott (Maisy Stella) und Ruthie (Maddie Ziegler, v. l.)
Best Friends Forever: Ro (Kerrice Brooks), Elliott (Maisy Stella) und Ruthie (Maddie Ziegler, v. l.)
Courtesy of Prime

Zeitreise-Klassiker Auch für Komödien eignet sich das Thema hervorragend. Die bekannteste und vielleicht auch beste unter ihnen ist der Klassiker "Und täglich grüßt das Murmeltier", die der Unterkategorie Zeitschleifen-Film zuzuordnen ist. Darin muss ein dauergrantiger, zynischer, misanthropischer Wettermann – genial gespielt von Bill Murray – den selben Tag immer und immer wieder erleben, bis er seine Lektionen gelernt hat und ein besserer Mensch geworden ist.

Postmoderne Variantion "My Old Ass" von Regisseurin Megan Park variiert das Motiv auf ihre ganz eigene Art: Die 18-jährige Elliott (Maisy Stella) verabredet sich mit ihren beiden besten Freundinnen zu einem spätsommerlichen Mushroom-Trip im Wald. Es soll das auch ein "Übergangsritual" sein. Elliott will die von ihr ungeliebte Cranberry-Farm ihrer Familie in wenigen Wochen  hinter sich lassen und Richtung Uni in Toronto aufbrechen. Denn als künftige Beeren-Bäuerin sieht sie sich wirklich nicht.

Drogeninduzierter Trip Nach Einnahme der bewusstseinserweiternden Substanz passiert bei Elliott allerdings erst einmal gar nichts. Sie zweifelt schon daran, ob die Drogen bei ihr überhaupt wirken, da taucht plötzlich eine ihr unbekannte Frau (gespielt von Aubrey Plaza) auf. Die weiß erschreckend viel über Elliott, auch Dinge, die eigentlich gar niemand wissen kann - bis sich herausstellt, dass die Fremde die 39-jährige Version von Elliott ist, die auf unerklärliche Weise in die Gegenwart katapultiert wurde.

Warnung aus der Zukunft Sie erzählt ihrem jüngeren Ich ein paar Dinge aus der Zukunft, gibt ihr Tipps, und warnt: Vor allem müsse sie sich von einem Kerl namens Chad fern halten, um jeden Preis, warum erzählt sie aber nicht. Und dann verschwindet sie wieder. Die junge Elliott kann mit der Info zunächst wenig anfangen, da sie sich als lesbisch definiert und weit und breit keinen Chad kennt.

Die ältere Elliott (Aubrey Plaza) warnt ihr junges Ich eindringlich vor einer Affäre mit einem Kerl namens Chad. Bloß – wer soll das sein?
Die ältere Elliott (Aubrey Plaza) warnt ihr junges Ich eindringlich vor einer Affäre mit einem Kerl namens Chad. Bloß – wer soll das sein?
Courtesy of Prime

Der Unbekannte im See Doch das ändern sich aber bald, denn beim Baden im zum Anwesen ihrer Familie gehörenden See trifft die junge Frau einen Typ, zu dem sie sich seltsamerweise hingezogen fühlt und der behauptet, sein Name wäre Chad. Erst will Elliott den Rat ihres älteren Ichs befolgen und ihm aus dem Weg gehen.

"Nicht queer ist okay" Doch er taucht immer wieder auf, und sie kann die Finger nicht von ihm lassen, die beiden verstehen sich einfach ausgezeichnet. Als ihr schließlich auch noch ihre Freundin sagt, dass es "OK ist, nicht queer zu sein", gibt sie ihren Gefühlen nach und verliebt sich Hals über Kopf in Chad. Trotz der wiederholten Warnungen.

Noch einmal mit den Freundinnen abhängen, ehe es auf die Uni nach Toronto geht: Elliott (Maisy Stella) und Ro (Kerrice Brooks)
Noch einmal mit den Freundinnen abhängen, ehe es auf die Uni nach Toronto geht: Elliott (Maisy Stella) und Ro (Kerrice Brooks)
Marni Grossman/Prime

Coming-of-Age Geschichte Der Plot von "My Old Ass" ist nicht besonders ausgefeilt und auch nicht detailreich ausgearbeitet, er beschränkt sich auf das Wesentliche und lässt Erklärungen, was hier eigentlich vor sich geht und warum, gänzlich aus. Stattdessen konzentriert sich der Film auf die Erfahrungen der jungen Elliott – eine klassische Coming-of-Age-Geschichte also – und ihre sich anbahnende, unerwartete Beziehung zu Chad, der sie sogar ihre sexuelle Orientierung überdenken lässt.

Ungewöhnliche Lovestory Im Zentrum des Films stehen die Gespräche zwischen Elliott und ihren Freundinnen, ihrer Familie, Chad - und ihrem älteren Ich. Die Dramaturgie ist minimalistisch, wozu auch die sehr kurze Laufzeit (knapp über 80 Minuten) passt. Trotzdem ist der Film nicht uninteressant, da er ganz unprätentiös eine ungewöhnliche "Liebesgeschichte" erzählt, die gegen Ende doch in klassische Fahrwasser eintaucht, nachdem zuvor genügend "woke baits" für das junge Publikum platziert wurden.

Trautes Heim: Elliott (Maisy Stella) und ihr Bruder Spencer (Carter Trozzolo)
Trautes Heim: Elliott (Maisy Stella) und ihr Bruder Spencer (Carter Trozzolo)
Marni Grossman/Prime

Was ist Liebe? Im Kern geht es dabei um die Frage, was Liebe ist. Was Älterwerden bedeutet. Ob man mit dem Alter wirklich "weiser" wird. Und wie sich Perspektiven und "Lebensphilosophien" im Laufe der Zeit ändern können und das auch völlig normal, gut und richtig ist: Die junge Elliott will leben, erleben, genießen, auch Fehler machen, während sich die ältere Elliott Sorgen um ihr jüngeres Ich macht, diese Fehler und Verletzungen um jeden Preis verhindern will.

Überzeugende Darsteller Dass "My Old Ass" nach manch enervierenden Ansätzen am Ende doch noch ein ganz solider Independent-Film geworden ist, liegt auch an den überzeugenden Darsteller-Leistungen: Maisy Stella als Protagonistin Elliott ist eine Entdeckung und überzeugt durch ihre sympathische Ausstrahlung. Fast noch besser agiert ihr Gegenpart Percy Hynes White, der Chad mimt. Aubrey Plaza, so viel kann man sagen, spielt im Film nur eine untergeordnete Rolle, macht ihre Sache aber auch recht solide.

Elliott (Maisy Stella) mit ihrer Mutter Kath (Maria Dizzia)
Elliott (Maisy Stella) mit ihrer Mutter Kath (Maria Dizzia)
Marni Grossman/Prime

Fazit Alles in allem erfindet "My Old Ass" das Zeitreise-Rad nicht neu. Wer auf der Suche nach innovativen Geschichten ist, wird mitunter enttäuscht werden. Vielmehr legt der Film den Fokus auf die zwischenmenschlichen Aspekte. Die werden aber dank der Darsteller-Leistungen überzeugend vermittelt. Kein großer Wurf, aber ein netter Indie-Film für zwischendurch.

"My Old Ass", USA 2024, 89 Minuten, ab sofort auf Amazon Prime

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