ISTA-forscher
Neue Mobilität: "Wir müssen 20 Mal so viele Batterien produzieren"
Stefan Freunberger forscht seit 22 Jahren an nachhaltigen Batterien. Wie er die Zukunft sieht, welche Rolle Sauerstoff spielt, was "natürliche Batterien" sind.
Er hat einen langen Atmen. Stefan Freunberger ist Grundlagenforscher am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg und beschäftigt sich fast schon ein Vierteljahrhundert lang mit nachhaltigen Batterien. Nebenbei entstehen dabei auch Erkenntnisse für andere Fachbereiche. Auf Newsflix erklärt er, woran derzeit geforscht wird.
Müssen wir weg vom Verbrenner?
Der Klimawandel ist in der Wissenschaft ebenso unstrittig wie die Rolle, die CO2-Emissionen dabei spielen. Viele Bereiche spielen bei dem Ausstoß eine Rolle, auch unsere Mobilität. Gerade in Österreich hat der Zuwachs im Bereich Mobilität seit 1990 CO2-Einsparungen in sämtlichen anderen Bereichen zunichtegemacht. Mit einem Drittel der Emissionen ist fossiler Verkehr das Klimasorgenkind Österreichs. Es ist allen klar, dass wir im Verkehrssektor weg von Verbrennungsmotoren müssen. Ein Ausweg: E-Mobilität, also das Fahren mit Strom.
Wann ist E-Mobilität CO2-neutral?
Batteriebetriebene Fahrzeuge stoßen im Betrieb kein CO2 aus. Kommt ihr Ladestrom aus dem Kohlekraftwerk, stecken Treibhausgase dahinter. Wirklich CO2-neutral sind sie nur, wenn sie auch mit erneuerbarer Elektrizität geladen werden: Strom aus Solar-, Wind- und Wasserkraft. Bereits jetzt können die Fahrzeuge mit zeitlich fluktuierender erneuerbarer Elektrizität geladen werden – eine Grundvoraussetzung für die Umstellung auf diese Energiequellen. Allerdings braucht es für mehr E-Autos auch mehr Batterien. Sehr viel mehr Batterien.
Können wir die Batterie-Produktion einfach ausweiten?
Es bräuchte ungefähr eine Verzwanzigfachung der Batterie-Produktion bis 2030. Die jetzigen Batterien – Lithium-Ionen-Batterien – benötigen seltene und geographisch ungleich verteilte Elementen wie Kobalt, Nickel oder Lithium. Oft stammen sie aus problematischen Quellen und Krisengebieten. Damit im Zusammenhang stehen ein hoher Energieaufwand zur Erzeugung (das rund 300-fache der gespeicherten Energie) sowie hohe Kosten – menschlich wie wirtschaftlich.
Die Verbesserungen in der Herstellung haben den Preis in den 30 Jahren von den frühen 1990ern bis in die 2020er-Jahre von einigen 1000 auf rund 100 Euro pro kWh fallen lassen. Für sich ein Durchbruch, der Hoffnung gibt. 2021 stieg der Preis erstmals wieder deutlich. Durch die enorme Nachfrage nach Batterien verfünffachte sich der Lithiumpreis und verdoppelte sich der Kobaltpreis innerhalb eines Jahres – und es geht wahrscheinlich weiter hinauf, da die Nachfrage weiter steigt.
Können wir Kobalt, Lithium & Co nicht recyceln?
Recycling ist ein hochrelevanter Aspekt für eine nachhaltige Zukunft. Ich begrüße ausdrücklich die Bemühungen von Kolleg:innen, etwa an Forschungsinstitutionen wie dem französischen CNRS oder bei Materialherstellern, seltene Stoffe für die Batterieproduktion aus alten Produkten zu lösen und wieder nutzbar zu machen. Dabei wird beispielsweise auf innovative Ansätze gesetzt, wie Bakterien, die diese Stoffe auslösen. Allerdings ist bei wirklich seltenen, endlichen Stoffen zu bedenken, dass auch sehr gutes Recycling immer mit einem Verlust einhergeht. Bei einem Recycling-Erfolg von 80 Prozent von 100 Kilo Material sind nach drei "Runden" nur mehr etwa 50 Kilo übrig und nach zehn Durchgängen nur mehr zehn Kilo.
Welche Alternativen gibt es zu Lithium-Ionen-Batterien?
Ich bin mir sicher: Batterien für elektrische Mobilität, aber auch für stationäre Energiespeicherung, sollten auf Hauptgruppenelementen beruhen. Das sind zum Beispiel Sauerstoff und Schwefel, aber auch weitere Elemente der organischen Chemie wie Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff. Anstelle von Lithium bieten sich Natrium und Magnesium an. Sie haben großes Zukunftspotenzial, weshalb ich meine Forschung darauf ausgerichtet habe. Unsere Grundlagenforschung am ISTA in Klosterneuburg ist hier zentral, um funktionierende Lösungen zu finden.
Gibt es "natürliche Batterien"?
Der Vorteil von Batterien mit diesen Elementen ist klar: Diese Stoffe gibt es überall in der Natur um uns herum, in großen Mengen. Aufgrund der Verfügbarkeit – überall und in Massen – wäre hier nicht einmal eine strikte Rückgewinnung aller Elemente durch Recycling notwendig. Wie beim Recycling in der Biosphäre, können Hauptbestandteile wie Kohlenstoff, Wasserstoff oder Stickstoff in den natürlichen Kreislauf rückgeführt werden.
Werden Batterien kleiner und leichter?
Unsere Resultate zeigen, dass viele der möglichen Stoffe auch weniger Masse und Volumen für eine gewisse Speicherkapazität benötigen als die jetzt verwendeten. Wenn diese also in Batterien eingesetzt werden können, sind die Batterien potentiell auch leichter und kleiner – ein weiterer Gewinn für die Nachhaltigkeit. Gerade in der Mobilität zählt jedes Gramm des Fahrzeugs. Man kann kleinere Materialmengen einsetzen und spart auch Platz in der stationären Speicherung.
Wie ist der aktuelle Stand der Forschung?
Ganz so einfach ist die Suche nach den richtigen Zusammensetzungen natürlich nicht. Ich selbst forsche seit 22 Jahren an diesem Thema, am ISTA aktuell mit neun weiteren Wissenschafter:innen in meiner Forschungsgruppe.
Bei Batterien mit Schwefel und Sauerstoff forschen wir noch an Grundlagen. Bei Batterien mit organischen Materialien aus Kohlenstoff aber schauen wir auch schon Richtung Anwendung: Wir könnten in wenigen Jahren Prototypen damit haben. Das heißt aber auch: Wir sollten als Gesellschaft nicht alles darauf setzen, sondern bereits jetzt unsere Verkehrs-Emissionen drastisch reduzieren.
Gibt es "nebenbei" noch andere Durchbrüche?
Besonders erfüllend finde ich es, wenn unsere Forschung zu Ergebnissen führt, die in komplett anderen Gebieten wichtige Fragen beantworten – das heißt, wenn es Grundlagenergebnisse im eigentlichen Sinne sind. Zum Beispiel fanden wir im Zusammenhang mit Sauerstoff-Batterien Reaktionsmechanismen, die auch in der belebten Natur für die Alterung von Organismen mitverantwortlich sind und sie so erklären können. Die interdisziplinäre Atmosphäre an unserem Institut passt fantastisch zu meinem Stil. So arbeite ich auch an Projekten mit Physiker:innen, Biolog:innen und Computerwissenschafter:innen, mit gegenseitigem Nutzen.
Was braucht es außer Leidenschaft noch?
Unterstützt wird unsere Forschung außer vom Institut selbst auch durch Drittmittel, zum Beispiel vom Europäischen Forschungsrat (ERC) sowie dem Österreichischen Wissenschaftsfond (FWF), dem Land Niederösterreich und weiteren EU-Programmen. Diese Unterstützung ist wichtig für eine ökologische Wende. Auch wenn die Rolle der Chemie und der Grundlagenforschung nicht immer allen bewusst ist, ist es wichtig, dass diese Finanzierung erhalten bleibt – und idealerweise noch weiter ausgebaut wird. Wir haben keine Zeit zu verlieren.
Abschließend möchte ich noch Worte an den (wissenschaftlichen) Nachwuchs richten: Unser Forschungsbereich ist wahnsinnig spannend und erfüllend – und bietet enorme Chancen für den Forscher:innen-Nachwuchs. Ziehen Sie eine Karriere in diesem Bereich der chemischen Grundlagenforschung in Erwägung. Nachfolgende Generationen könnten es Ihnen danken.
Stefan Freunberger ist Grundlagenforscher am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg. Nach seinem Diplom an der TU Wien, arbeitete der Chemiker an der ETH Zürich, sowie in Kanada, Großbritannien und Frankreich, bevor er erst an die TU Graz und schließlich an das ISTA in seinem Heimatbundesland Niederösterreich wechselte.