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Neue Studie: Das denkt Österreich über Alternativmedizin

Die MedUni Wien untersucht den Stellenwert von alternativen Behandlungsmethoden in der Bevölkerung. Vor allem die anthroposophische Medizin steht dabei auf dem Prüfstand. Worum es dabei genau geht – die Antworten.

Alternativ- und Komplementärmedizin wird in Österreich immer beliebter. Weshalb genau das so ist, untersucht jetzt die MedUni Wien in einer Studie
Alternativ- und Komplementärmedizin wird in Österreich immer beliebter. Weshalb genau das so ist, untersucht jetzt die MedUni Wien in einer Studie
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Martin Kubesch
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Österreich und Alternativmedizin – it's a match, könnte man sagen. Die Akzeptanz für nicht klassisch-schulmedizinische Behandlungsmethoden ist in Österreich im internationalen Vergleich besonders stark ausgeprägt.

Österreich knapp hinter China Laut einer Umfrage des deutschen Versicherungs-Vermittlers BDAE aus dem Jahr 2020, haben damals 12 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher mindestens einmal in den vergangenen 12 Monaten einen Heilpraktiker oder Alternativmediziner aufgesucht. Nur in China (13 Prozent), Indien (14 Prozent) und der Schweiz (15 Prozent) waren es noch mehr.

Die MedUni Wien untersucht derzeit der Akzeptanz alternativer Heil- und Therapiemethoden in der Bevölkerung in einer Studie
Die MedUni Wien untersucht derzeit der Akzeptanz alternativer Heil- und Therapiemethoden in der Bevölkerung in einer Studie
AKH Wien/Christian Hudek / OTS

MedUni Wien untersucht Akzeptanz Sind diese Zahlen schon außerordentlich, so kann man davon ausgehen, dass sich der Trend seither weiter verstärkt hat – nicht zuletzt auch aufgrund der Corona-Pandemie und ihrer vielschichtigen Auswirkungen auf das Gesundheitsverständnis der Menschen. Nun untersucht die MedUni Wien der Akzeptanz alternativer Heil- und Therapiemethoden in der Bevölkerung in einer eigenen, neuen Studie. Worum es dabei geht, was man generell zu Alternativmedizin wissen muss – der Überblick:

Was ist Alternativmedizin?
Alternativ- und Komplementärmedizin (= ergänzende Medizin) sind Oberbegriffe für unterschiedliche Behandlungen und Lehren, die meist ohne wissenschaftliche Überprüfung entwickelt wurden und auf Traditionen oder Überzeugungen beruhen. Weitere Begriffe, die alle im Grunde das selbe meinen, sind Ganzheitsmedizin, Naturheilkunde oder traditionelle (z.B. chinesische oder europäische) Medizin.

Was zählt alles dazu?
Homöopathie, Orthomolekulare Medizin und Anthroposophische Medizin. Auch Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), Akupunktur, Kneippmedizin, Bachblütentherapie und Kinesiologie werden üblicherweise zur Komplementärmedizin gezählt.

Wann zählt eine Behandlungsart zur Komplementärmedizin?
Für die meisten komplementärmedizinischen Behandlungen gibt es keine wissenschaftlich nachvollziehbaren Hinweise auf eine Wirksamkeit, das ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. Komplementärmedizinische Therapien behaupten zudem oft, (selbst)heilende Kräfte zu stärken, indem die Patienten aktiv in den Heilungsprozess mit einbezogen werden.

Traditionelle chinesische Medizin und Akupunktur gehören zu den beliebtesten Lehren der Komplementärmedizin
Traditionelle chinesische Medizin und Akupunktur gehören zu den beliebtesten Lehren der Komplementärmedizin
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Wie ist das mit der Ganzheitlichkeit?
Auch ein ganzheitlicher Ansatz in Diagnose und Behandlung ist für die meisten Methoden zentral, wobei es für den Begriff "ganzheitlich" unterschiedliche Betrachtungsweisen gibt. Damit kann gemeint sein, dass neben den körperlichen auch die psychischen Aspekte einer Erkrankung mit einbezogen werden. Darüber hinaus können auch soziale Probleme berücksichtigt werden. Auch Spiritualität als Teil einer ganzheitlichen Auffassung von Gesundheit kann eine Rolle spielen.

Was ist der Unterschied zur sogenannten Schulmedizin?
Komplementärmedizinische Behandlungen und Lehren gehen oft von grundlegend anderen Vorstellungen zur Entstehung und Behandlung von Krankheiten aus als die evidenzbasierte wissenschaftliche Medizin (die landläufige Schulmedizin). In dieser wird die Wirksamkeit von Behandlungen in Studien überprüft – ob also eine Behandlung Beschwerden lindert oder diesen vorbeugt. Eine solche Überprüfung soll für andere nachvollziehbar, wiederholbat und unabhängig von Überzeugungen welcher Art auch immer sein.

Und in der Schulmedizin gibt es keine ganzheitlichen Zugänge?
Mittlerweile findet man eine "ganzheitliche" Einstellung zu gesundheitlichen Themen nicht mehr ausschließlich in der Komplementärmedizin. Auch in der wissenschaftlichen Medizin hat es sich inzwischen durchgesprochen, dass die Psyche und die Lebensumstände der Patienten den gesamten Behandlungserfolg beeinflussen können.

Die sogenannte Schulmedizin gilt immer noch vielen als zu technisch, aber auch hier gibt es zunehmend ganzheitliche Zugänge
Die sogenannte Schulmedizin gilt immer noch vielen als zu technisch, aber auch hier gibt es zunehmend ganzheitliche Zugänge
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Welche Art von Komplementärmedizin kommt in Österreich besonders gut an?
Dazu hat die Gesundheitsstudie der Wiener Städtischen Versicherung aus dem Jahr 2023 Antworten. Demnach sind es vor allem Homöopathie und Akupunktur, die von den Österreichern nachgefragt und auch als erfolgreich angesehen werden.

Was denken die Österreicher generell über Komplementärmedizin?

  • 3 von 4 Österreichern, also 75 Prozent, sehen Komplementärmedizin als Teil der gesundheitlichen Versorgung, hat die Gesundheitsstudie der Wiener Städtischen weiters ergeben
  • 55 Prozent haben bereits persönliche Erfahrungen mit alternativen Behandlungen gemacht
  • Frauen (60 Prozent) stehen Komplementärmedizin aufgeschlossener gegenüber als Männer (50 Prozent)
  • Das häufigste Anwendungsgebiet komplementärmedizinischer Methoden, sind Nacken- und Rückenschmerzen (53 Prozent der Betroffenen suchen dabei komplementärmedizinische Hilfe), gefolgt von Stress und Nervosität (28 Prozent)
  • 70 Prozent all jener, die komplementärmedizinische Hilfe in Anspruch nehmen, sind mit den Ergebnissen der Behandlungen zufrieden
  • Der wichtigste Grund, weshalb auf diese Formen der Behandlung zurückgegriffen wird, ist, dass sie als gute Ergänzung zur Schulmedizin gesehen werden – das sagen 68 Prozent der Anwender von Komplementärmedizin
  • Und 43 Prozent der befragten Eltern haben auch bereits ihre Kinder mit Komplementärmedizin behandeln lassen
Homöopathie mit den dabei gerne verwendeten Globuli wird von den Österreichern unter den Alternativ-Angeboten besonders geschätzt
Homöopathie mit den dabei gerne verwendeten Globuli wird von den Österreichern unter den Alternativ-Angeboten besonders geschätzt
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Und was macht jetzt die MedUni Wien genau?
Sie möchte genauer unter die Lupe nehmen, wie sich diese offenkundige Akzeptanz der Österreicher für komplementäre Behandlungs- und Therpiemethoden darstellt und in der alltäglichen Praxis auswirkt. Ein besonderes Augenmerk soll dabei vor allem auf die sogenannte anthroposophische Medizin gelegt werden.

Was, bitte, ist Anthroposophische Medizin?
Die anthroposophische Medizin geht auf den österreichischen Theosophen Rudolf Steiner und die Ärztin Ita Wegman zurück. Sie ergänzt die Schlumedizin um seelisch-geistige Komponenten des Leidens. Jedes Leiden wird auf der Basis des anthroposophischen Menschenbildes behandelt.

Und was ist das anthroposophische Menschenbild?
Die anthroposophische Medizin geht u. a. davon aus, dass der Mensch vier Wesensglieder hat. Nur ein Wesensglied bezieht sich auf körperliche Vorgänge, die drei anderen beziehen sich auf das Lebendige sowie geistige und seelische Vorgänge. Nimmt ein Wesensglied überhand, so geht die Balance verloren und Krankheit entsteht. Da die individuelle Bedeutung der Erkrankung wichtig ist, sehen Anthroposophen darin auch eine Chance zur persönlichen Weiterentwicklung.

Die Waldorf-Pädagogik basiert ebenso auf den Lehren des Theosophen Rudolf Steiner wie die anthroposophische Medizin
Die Waldorf-Pädagogik basiert ebenso auf den Lehren des Theosophen Rudolf Steiner wie die anthroposophische Medizin
Thomas Müller / dpa / picturedesk.com

Gibt es Anthroposophie nur in der Medizin?
Nein, das ist eine Weltanschauung, die sich über viele Bereiche erstreckt. Die Waldorf-Pädagogik ist ebenso auf Basis anthroposophischer Erkenntnisse entstanden wie etwa die Demeter-Landwirtschaft.

Zurück zur MedUni Wien: Was passiert hier jetzt genau?
Es wird untersucht, welche konkreten Auswirkungen und Niederschläge die Offenheit der Österreicher für Komplementärmedizin generiert. Harald Sitte, Pharmakologe an der MedUni Wien, betreut Studierende im Wahlfach "Komplementärmedizin", um diesen die Gelegenheit zu geben, sich selbst ein Bild alternativer Behandlungsmöglichkeiten zu machen: "Wir möchten mit unserer Umfrage den Stellenwert dieser Behandlungsansätze besser verstehen lernen", so der Mediziner.

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