Das Reise-Tagebuch/3
Peking, Klogenfuat und die Frage: "Wo ist da Hofer?"
Die größte Delegation aller Zeiten erlebte am ersten Tag des Staatsbesuchs Erstaunliches. Auch in China ist Zeit für Veränderungen. Dabei ist der Kanzler noch gar nicht da.
7. April 2018 Touchdown! Samstag 8.44 Uhr Ortszeit setzt die "Austroforce One" am Flughafen Peking-Capital auf. Eine halbe Stunde zu früh, der Wind stand günstig. Man kann, muss aber nicht alles für ein Zeichen halten.
Es ist vier Grad kühl, heiter. Eine kleine, chinesische Delegation empfängt Bundespräsident Van der Bellen und "First Lady" Doris Schmidauer. Xi Jinping ist nicht da, die Gastgeschenke bleiben vorerst im Koffer. Alexander Van der Bellen bringt dem chinesischen Staatspräsidenten ein Teeservice von Augarten mit und einen Ski-Anorak der Firma Sportalm. Chinas First Lady bekommt eine Musikedition der Wiener Philharmoniker sowie eine Rose der Firma Swarovski. Skifahren darf sie offenbar nicht mit.
Es ist keine Unhöflichkeit, dass Xi die Niederkunft der größten Delegation aller Zeiten schwänzt. Offiziell beginnt der Staatsbesuch (der größte aller Zeiten, wurde das schon erwähnt?) erst am Sonntag. Zwei Blumenmädchen stehen an der Gangway, überreichen Bouquets. Ein paar weitere warten vor dem Airport. Sie wirken etwas verloren zwischen all den schwarzen Staatskarossen.
Dann setzt sich der Tross in Bewegung. Die S12 vom Airport in die Innenstadt ist abgesperrt, alle zehn Meter steht ein Soldat mit dem Rücken zur Fahrbahn. Chinesische und österreichische Fahnen wehen. Das macht was her.
Der 7. April ist ein Samstag und in China ein Feiertag, Allerseelen. Statt wie sonst 20 Millionen Menschen sind in Peking also 20 Millionen Menschen unterwegs, und dies nur sehr gebremst, denn die größte Delegation aller Zeiten ist in der Stadt. Für den Konvoi sperrt die Polizei alle Straßen, auch den zwölfspurigen Boulevard, der zur "Verbotenen Stadt" führt. Dort entlang geben rot-weiß-rote Fahnen den Bewohnern der Stadt eine Anmutung davon, warum sie zu Fuß, am Radl oder auf ihren Mopetten elendslang warten müssen.
Ein zweites Wunder ist passiert. Irgendwer hat die Wolken weggeschoben und die Smogglocke darunter gleich mit. Peking erstrahlt im Sonnenlicht und wärmt die Einwohner auf, die in der Nacht gefroren haben wie die Schneider. Heizen ist nämlich nur zwischen 15. November und 15. März gestattet, dann dreht die Stadt das Gas ab. Die Proteste dagegen halten sich im Rahmen. Jedenfalls tut Sonne bei der Kälte gut.
Während also die Menschen warten, dass sie die Straßen befahren oder überqueren können, zieht die größte Delegation aller Zeiten an ihnen und den rot-weiß-roten Fahnen vorbei, biegt zweimal ums Eck und betritt die "Verbotene Stadt" von der Maschekseite her, wie man in Wien sagen würde. Wie das auf chinesisch heißt, muss erst erfragt werden.
Die "Verbotene Stadt" ist menschenleer, was verwundert, weil sie sonst, und das nicht nur zu Allerseelen, gestürmt wird. "Wos, 80.000 Menschn kumman do jedn Tog her", wundert sich Tourismusministerin Elisabeth Köstinger, als sie über den Besucherstrom informiert wird. "Dos is jo fost so vül wie Klogenfuat Einwohna hot". Kärnten ist eben eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält.
Für die größte Delegation aller Zeiten hat die Polizei die "Verbotene Stadt" einfach gesperrt. Das kannten selbst die Touristenführer bisher nicht. Und so bietet sich den Chinesen auf der einen Seite und den Angehörigen der größten Delegation aller Zeiten ein ungewöhnliches Bild. Die Chinesen stehen aufgefädelt wie auf einer Perlenkette hinter einer Absperrung und warten auf Einlass, während die Österreicher - und nur die Österreicher - über die riesigen Plätze lustwandeln.
Dazu muss man wissen: Die "Verbotene Stadt" ist wie Schönbrunn, nur halt fünfmal hintereinander. Man stelle sich das in Wien vor, wo sich Stichwaffen einer immer größeren Beliebtheit erfreuen. Da würde doch mancher in einer solchen Situation seinen Schatz an vergessen geglaubten Altwiener Schimpfworten hervorkehren, oder? Und was macht der Chinese? Er winkt der größten Delegation aller Zeiten freundlich zu.
Die hat sich im ersten Hof zum Gruppenfoto getroffen, dann kommt man drauf: Einer fehlt. "Wo ist der Hofer?" Abgebogen, eine Balustrade rauf, aus der Ferne kann man ihn sehen, wie er den Blick über den Platz schweifen lässt und mit den Fingern da- wie dorthin deutet. Vielleicht hat er sich gedacht: Kickls Polizei-Reiterstaffel würde sich hier gut machen.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen, First Lady Doris Schmidauer, die Ministerinnen Elisabeth Köstinger, Margarete Schramböck und Karin Kneissl haben sich in der Zwischenzeit damit abgefunden, dass es nur zu einem unvollständigen Gruppenfoto reicht.
Ein paar Höfe weiter taucht Hofer dann wieder auf. Dort hat sich inzwischen der Bundespräsident vor einem Schreibtisch niedergelassen und trägt sich in ein Buch ein. Er schreibt ein paar Zeilen, hält inne, sinniert, fragt dann: "Was für ein Datum ist eigentlich heute?" Rund 30 andere Mitglieder der größten Delegation aller Zeiten, die mit ihren Handkameras den historischen Moment festhalten, rufen: "Der 7. April". Van der Bellen nickt huldvoll, schreibt weiter. "Diese wundervolle kaiserliche Palastanlage aus der Ming-Zeit macht uns alle staunen. Fast 600 Jahre hat die 'Verbotene Stadt' nun hinter sich – mögen ihr noch viele 600 Jahre beschieden sein." Schöner hätte es Heinz Fischer auch nicht formulieren können.
"Schön, wieder da zu sein", ergänzt Außenministerin Kneissl per Eintrag ins Buch. "Ein einmaliges Erlebnis", schreibt Tourismusministerin Köstinger. Digitalministerin Schramböck spendete nur ihre Unterschrift.
Dann ist das Ende der "Verbotenen Stadt" erreicht. Die größte Delegation aller Zeiten begibt sich zu den Autos. Van der Bellen fährt einen schwarzen, chicen Riesenkübel, den die Chinesen angeblich "Rote-Fahne-Auto" nennen. Er soll die Kopie einer russischen Staatskarosse sein, die wiederum die Kopie einer amerikanischen Staatskarosse sein soll. Es könnte aber auch genau umgekehrt sein.
Wir werden es mutmaßlich nie erfahren. Die Chinesen, jetzt müssen es Zehntausende sein, winken immer noch freundlich und fotografieren die größte Delegation aller Zeiten zum Abschied und die größte Delegation aller Zeiten fotografiert zurück.
Sie merken: Es war verboten schön in der "Verbotenen Stadt".
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