Fussball-Eklat
"Schlachte dein Baby": Was hilft wirklich gegen Hass-Poster?
Der Ehemann, Fußballer bei Arsenal London, verschoss einen Elfer. Sophia Havertz wurde daraufhin auf Instagram bedroht. Wie man sich gegen Hass im Netz wehren kann, wo man Hilfe bekommt: Digital-Expertin Ingrid Brodnig im Interview.
FA Cup, der Pokalwettbewerb im englischen Fußball: In der dritten Runde trifft Arsenal am Sonntag auf Manchester United. Nach der regulären Spielzeit steht es 1:1, nach der Verlängerung ebenfalls. Also Elfmeterschießen. Bei Manchester treffen alle, bei Arsenal nicht. Kai Havertz, deutscher Teamspieler, verschießt und das Drama nimmt seinen Lauf.
Was im Anschluss an das Spiel passiert, zeigt auf, wie toxisch Social Media sein kann. Sophia, der schwangeren Ehefrau von Havertz, wird noch am gleichen Abend auf Instagram von anonymen Postern eine Fehlgeburt gewünscht, ihr wird sogar unverhohlen damit gedroht, ihr noch ungeborenes Baby abzuschlachten. Unter anderem!
Sophia Havertz hat auf Instagram über 540.000 Follower. Sie zeigt gern ihr Leben her, auf Instagram war das früher kein Problem. Da war viel Wohlgefühl, die schönen Seiten des Lebens wurden gezeigt, auch die Oberflächlichkeit war natürlich groß. Aber Instagram war trotzdem ein Ort, an den viele flüchteten, wenn ihnen Twitter und Co zu böse und grau geworden waren. Alles Geschichte.
Kein Einzelfall Nein, eher Business as usual auf Social Media. Auch für die "großen" Accounts ist es schwer, sich zu wehren. Sogar wenn derart Bedrohte selbst bemerkenswert gelassen reagieren auf Anwürfe und Angriffe. Sophia Havertz ging in die Offensive, sie postete die unsäglichen Nachrichten selbst auf Instagram und textete dazu: "Bitte seid respektvoller, Jungs, wir sind besser als das." Und: "Ich hoffe, ihr schämt euch wirklich für euch".
Der Hass hat Methode Doch die zur Schau gestellte Gelassenheit der 25-Jährigen, ob echt oder gespielt, ändert nichts am grundlegenden Befund: Social Media ist längst der Lieblingsspielplatz für so ziemlich jede Art von Soziopathen, Psychopathen und sonst wie verhaltensauffälligen Figuren aller Art. Hier wird inzwischen so enthemmt beleidigt, verunglimpft und gedroht wie auf Facebook oder X. Und meistens passiert es auch noch ungestraft.
Die meisten kommen damit durch Denn nur die wenigsten Opfer von Hass im Netz setzen sich dagegen auch zu Wehr. Weshalb das so ist, was man gegen derartige Angriffe unternehmen kann und ab wann es sich lohnt, die Justiz einzuschalten – die Publizistin, Buchautorin und Digital-Expertin Ingrid Brodnig über die besten Strategien gegen Hass im Netz:
Mordphantasien und unsäglichste Verwünschungen für die Ehefrau eines Fußballspielers, der für seine Mannschaft ein Spiel verloren hat – nimmt der Hass im Netz immer weiter zu?
Mein Eindruck ist, dass der Hass im Netz wellenförmig passiert. Es gibt Phasen, in denen es besonders übel ist – etwa ein negativer Wahlkampf, eine Pandemie oder die Debatte, als sehr viele geflüchtete Menschen nach Europa gekommen sind. Also wenn in der Gesellschaft generell sehr viel Streit vorherrscht und die Nerven blank liegen, dann zeigt sich das auch im Internet stärker.
Hat Social Media den Trend noch einmal beschleunigt?
Mit der wachsenden Bedeutung von Social Media erleben auch immer mehr Menschen das Phänomen der Hasskommentare, als Beobachter oder am eigenen Leib.
Gibt es Gruppen, die stärker betroffen sind als andere?
Ja. Gewisse Minderheiten sind Ressentiments wie etwa Rassismus, Queerfeindlichkeit, Sexismus oder Antisemitismus viel stärker ausgesetzt. Aber generell ist es so, egal ob ich ein Mann oder eine Frau bin, alle können Hass im Netz erleben. Der Unterschied ist, bei Frauen geht es oft eher unter die Gürtellinie und es wird bei den Herabwürdigungen weniger auf die Kompetenz einer Frau eingegangen, sondern auf das Äußerliche. Oder es gibt Gewaltfantasien, die oft auch sexuell sind. Das ist dann besonders einschüchternd.
Der Ehefrau des deutschen Fußballers Kai Havertz wurde damit gedroht, ihr noch ungeborenes Kind zu töten …
Es gibt gerade bei Frauen immer wiederkehrende Arten von Beleidigungen, Erniedrigungen und Drohungen. Entweder es wird die sexuelle Selbstbestimmtheit bedroht, im Sinne von "ich werde dich vergewaltigen" oder "wundere dich nicht, wenn du vergewaltigt wirst". Oder es geht gegen Kinder, ganz gleich ob ungeboren oder bereits auf der Welt.
Die Gesellschaft hat gelernt, wie man Frauen richtig Angst machen kann, nämlich indem man ihnen sexuell droht oder ihre Kinder bedroht. Das sind angsteinflößende Punkte.
Wie geht man mit solchen Bedrohungen am besten um?
Das Wichtige ist: Wenn ich selbst Hass im Netz erlebe, nicht alleine bleiben. Man sollte Menschen im Freundeskreis, denen man vertraut, die Hassbotschaften schicken und sagen "schaut, was mir passiert ist". Erstens werde ich dann viel Solidarität bekommen, und das tut sehr gut. Und vielleicht bekommt man auch schon Tipps, was man weiter unternehmen könnte. Es kann zudem eine Zusatzstrategie sein, solche Postings öffentlich zu machen, aber das muss sich der oder die betroffene Person gut überlegen, ob sie das wirklich will.
Warum ist es wichtig, nicht alleine zu bleiben?
Selbst wenn ich sehr selbstsicher bin, nagt es an einem, wenn ich derbe Kommentare bekomme oder zigfach herabgewürdigt werde. Wenn ich das mit anderen teile, rücken die das wieder ein bisschen zurecht, ordnen es ein, sagen, das hast du nicht verdient.
Was kann man noch unternehmen?
Wenn ich eine Welle an Beleidigungen erlebe, kann auch das sogenannte Buddy-System eine Lösung sein. Das heißt, ich betreue meinen Social-Media-Kanal kurzzeitig nicht aktiv, sondern gebe einem guten Freund, einer Freundin, jemandem, dem ich vertraue, den Zugang. Und die Person soll mitlesen, screenshoten, notfalls löschen oder Dinge speichern, falls man es später anzeigen möchte, und so der Person, die so übel fertiggemacht wird, die Möglichkeit geben, dass sie sich gedanklich freispielen kann. Weil bei einer Welle extremer Beleidigungen besteht die Gefahr, dass Leute gedanklich nicht mehr aus dem Strudel rauskommen, in den sie dadurch gezogen werden.
Und wenn ich mich juristisch wehren möchte?
Es gibt in Österreich zum Beispiel die Beratungsstelle ZARA – das steht für "Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit". Das ist eine NGO, die auch eine staatlich geförderte Beratungsstelle gegen Hass im Netz anbietet. Da wird zum Beispiel geschaut, ob das, was man an Hass im Netz geschickt bekommt, klagbar ist. Man kann auch Tipps bekommen, welche Einstellungen man an seinen Apps vornehmen kann, um besser geschützt zu sein.
Was kostet dieser Service?
Nichts, das ist für alle Menschen kostenlos. Darüber hinaus gibt es dann natürlich noch die Möglichkeit, sich an spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien zu wenden, oder auch an PR-Agenturen, die Social Media für einen betreuen. Aber auch bei Promis kann es durchaus sein, dass sie auf einen Buddy als Unterstützung zurückgreifen.
Stichwort Rechtsanwalt – wann ist es sinnvoll zu klagen?
Als Laie tut man sich sehr schwer einzuschätzen, was klagbar ist. Das heißt, man muss das zunächst einmal abklären, eben zum Beispiel bei ZARA, wo auch Juristen arbeiten. In manchen Fällen ist die Staatsanwaltschaft zuständig, in anderen Fällen muss man selber klagen.
Wenn etwas grundsätzlich klagbar ist, kann es sinnvoll sein, sich einen erfahrenen Medienanwalt zu nehmen, weil der eine Sachverhaltsdarstellung bereits so eingeben kann, dass sie nachvollziehbar verfasst ist, vielleicht auch gleich die richtigen Tatbestände und Verweise auf die Rechtsprechung beinhaltet. Die Frage ist aber auch, ob man sich das leisten kann und will.
Welche Art von Hass-Botschaft lässt sich einklagen?
Im konkreten Fall muss das immer ein Jurist ansehen. Aber grob gesagt, je konkreter etwas gegen einen gerichtet ist, je derber, verletzender oder gar bedrohlicher es klingt und je mehr auch wirklich eine Absicht erkennbar ist, dass jemand einem etwas Böses zufügen möchte, desto eher sollte man das juristisch abklären lassen.
Und ist es sinnvoll, Hass-Botschaften öffentlich zu machen?
Auch das müssen die Betroffenen für sich selbst überlegen. Aber Dinge öffentlich zu machen, vielleicht auch anonym zu erzählen, was man gerade erlebt, hilft oft. Ich habe mit vielen Betroffenen von Hass und Netz gesprochen, und mir wurde immer wieder erzählt, dass die Solidarität von anderen ihnen sehr geholfen hat. Das kann also durchaus ein guter Weg sein.
Welche Risiken gibt es, wenn man bei Hass im Netz vor Gericht zieht?
Die Sache ist die: Nur für einen Teil der Hasskommentare im Netz ist der Staatsanwalt zuständig. Das sind sogenannte Offizialdelikte wie gefährliche Drohung oder Verhetzung.
Aber sehr viele Hasskommentare sind Delikte, die man nur privat einklagen kann, etwa Beleidigungen oder üble Nachrede. Da muss man selbst Klage einbringen und trägt auch das Prozessrisiko. Wenn man verliert, bezahlt man den eigenen Anwalt, den der Gegenseite sowie die Gerichtskosten. Und deshalb wird sehr vieles, was grundsätzlich einklagbar wäre, nicht eingeklagt, weil die Betroffenen das Prozessrisiko scheuen.
Was raten Sie?
Ich würde empfehlen, sich zuerst professionelle Hilfe zu holen, etwa bei ZARA oder auch bei BanHate, das ist eine Initiative der steirischen Antidiskriminierungsstelle. Die können recht gut einschätzen, was juristisch möglich ist. Auch kann sinnvoll sein, einen Medienanwalt hinzu zu ziehen. Und dann heißt es überlegen, ob man das Risiko eingehen will, denn jeder Fall ist anders. Insgesamt ist es aber gut, wenn Menschen solche Dinge einklagen. Weil wir haben ja diese Gesetze und diese Straftatbestände aus gutem Grund, nämlich dafür, dass sie genutzt werden und die Menschen zu schützen.
Das aktuelle Buch von Ingrid Brodnig heißt "Wider die Verrohung. Über die gezielte Zerstörung öffentlicher Debatten: Strategien & Tipps, um auf Emotionalisierung und Fake News besser antworten zu können" und ist im Brandstätter Verlag erschienen