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"Shogun" – Wie "Game of Thrones", nur ohne Drachen

Opulente Kulissen, epische Schlachtszenen und eine verzwickte Story voller Intrigen: Die aktuelle Verfilmung des Japan-Bestsellers "Shogun" wird als neues "Game of Thrones", gefeiert – zu recht.

Hiroyuki Sanada als Fürst Yoshii Toranaga
Hiroyuki Sanada als Fürst Yoshii Toranaga
Kurt Iswarienko / FX
Newsflix Redaktion
Uhr
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Richard Chamberlain begeht in wenigen Wochen seinen 90. Geburtstag. Der Mime, der mit "Dornenvögel" die in Österreich bis heute meistgesehene Serie überhaupt abgeliefert hat, wurde Anfang der 1980er-Jahre auf einen Schlag weltbekannt als Schiffsnavigator John Blackthorne in dem Fünfteiler "Shogun". Die Abenteuer des Seefahrers im feudalen Japan des 17. Jahrhunderts, basierend auf einem tausend Seiten dicken Wälzer des Briten James Clavell, waren ein Straßenfeger.

Jeden Dienstag gibt es eine neue Folge Wer die Serie seinerzeit gesehen hat, erinnert sich bis heute daran. Dennoch – oder gerade deshalb – hielt man in Hollywood die Zeit für gekommen, dem Stoff eine Renovierung zu spendieren. "Shogun" 2024 wird seit vergangener Woche auf Disney+ veröffentlicht. Und die Neuinterpretation übertrifft dank ihrer Opulenz und Epik alle Erwartungen. Manche sehen darin bereits ein neues "Game of Thrones" – nur ohne Fantasy-Elemente wie Drachen oder Hexerei.

Fremd in einer fremden Welt Die Geschichte von "Shogun" ist im Grunde rasch erzählt. Im Jahr 1600 gelangt der englische Seefahrer John Blackthorne im Rahmen einer Ostasienexpedition nach Japan und wird da in die Auseinandersetzung zweier rivalisierender Fürsten um die Vormacht im Land hineingezogen, während gleichzeitig portugiesische Jesuiten ihr eigenes Missionarssüppchen kochen. Er muss sich mit einer unbekannten Sprache, ihm unverständlichen Sitten und Gebräuchen sowie einer politisch hochbrisanten Situation auseinandersetzen und so agieren, dass er unbeschadet durch alle Auseinandersetzungen und Intrigen kommt. Anna Sawai, die Darstellerin der Dolmetscherin Mariko, bringt es auf den Punkt: ”Shogun erzählt im Grunde eine moderne Geschichte in einem historischen Gewand."

State-of-the-art-Serie Die erste Verfilmung von Shogun", so hölzern sie heute vielleicht wirken mag, war seinerzeit ein millionenteures Fernseh-Feuerwerk, dessen Exotik ein Gutteil der Faszination ausmachte. Aber mit bunten Bildern alleine lockt man heute niemanden mehr, da braucht es schon mehr. "Unsere Serie ist so authentisch wie sie nur sein kann, wir haben für jeden Bereich japanische Berater engagiert", erzählt Hiroyuki Sanada. Der 64-jährige Schauspieler ist in der Rolle des Toranaga zu sehen, jenes Fürsten, der John Blackthorne unter seine Fittiche nimmt. Gleichzeitig ist Sanada ausführender Produzent der Serie und hat jahrelang an deren Umsetzung gearbeitet, ehe die Dreharbeiten beginnen konnten. Sanada: "Von den Kostümen über die Architektur und das Kriegshandwerk bis hin zum Alltagsleben – es ging darum, alles so original wie möglich darzustellen."

Wir haben für jeden Bereich japanische Berater engagiert, um alles möglichst authentisch zu zeigen
"Shogun"-Produzent und -Darsteller Hiroyuki Sanada

Japan liegt außerhalb von Vancouver So wurden etwa mehr als 2.300 Kostüme nach historischen Vorbildern angefertigt. Für die Schlachtszenen trainierten hunderte Darsteller alte Kampftechniken. Das Dorf, in dem Blackthorne nach seiner Landung in Japan lebt, eine riesige Befestigungsmauer aus massiven Steinen und der historische Hafen von Osaka wurden originalgetreu eine halbe Fahrstunde außerhalb von Vancouver an der kanadischen Westküste errichtet. Hanada: "In Japan wäre es nicht möglich gewesen, all diese Gebäude aufzubauen, ohne dass einem dabei modernen Bauten in die Quere kommen." So viel Detailversessenheit macht sich bezahlt, die Serie entwickelt in ihrer vielschichtigen Exaktheit eine fast magische Energie, die einen ins historische Setting zieht.

    Cosmo Jarvis als Navigator John Blackthorne, der in Japan strandet
    Cosmo Jarvis als Navigator John Blackthorne, der in Japan strandet
    Kurt Iswarienko / FX
    1/10

    Autor war japanischer Kriegsgefangener Die Serie Shogun" basiert auf einem Buch, das der britisch-amerikanische Schriftsteller James Clavell Mitte der 1970er-Jahre veröffentlicht hat und das sich rasch zum Bestseller entwickelte. Clavell, der im Zweiten Weltkrieg in Südostasien gekämpft hatte und in japanische Kriegsgefangenschaft geraten war, ging nach Kriegsende in die USA und arbeitete da zunächst als er Drehbuchautor. Sein erfolgreichstes Drehbuch war jenes zum Film "Gesprengte Ketten", in dem alliierte Soldaten (u.a. Steve McQueen und James Garner) aus einem deutschen Kriegsgefangenenlager ausbrechen. In seinem ersten Roman "Rattenkönig" (erschienen 1962) verarbeitete Clavell seine Erfahrungen im berüchtigten Kriegsgefangenenlager Changi bei Singapur. 

    John Blackthorne gab es wirklich Es folgte der in Hongkong spielende historische Roman "Tai Pan" und 1975 schließlich "Shogun", für das Clavell mehr als drei Jahre lang recherchiert hatte. Die Idee dazu hatte er, weil er in einem Schulbuch seiner Tochter folgenden Satz las: "Im Jahr 1600 ging ein Engländer nach Japan und wurde dort ein Samurai." Dieser Engländer hieß William Adams und war tatsächlich Schiffsbauer und Navigator. Er segelte zunächst für die Royal Navy, danach auf Handelsschiffen zwischen England und Nordafrika. 1598 wurde er als Navigator für eine kleine niederländische Handelsflotte aus fünf Schiffen angeheuert, die er nach Ostindien bringen sollte, und zwar auf der Westroute, über Atlantik und Pazifik.

    Auf die Idee zu 'Shogun' brachte mich ein Satz in einem Schulbuch meiner Tochter
    Autor James Clavell

    Nur ein Schiff kam ans Ziel Von der kleinen Flottille erreichte nur ein Schiff Asien, und zwar jenes mit William Adams an Bord. Es landete auf der südlichsten der großen japanischen Inseln, Kyushu, von der Besatzung waren noch 24 Mann am Leben, von denen jedoch nur mehr neun selbständig stehen und gehen konnten, so geschwächt waren sie. Die Besatzung wurde festgesetzt und verhört, weil man sie für Piraten hielt. Doch Adams beeindruckte mit seinem vielfältigen Wissen, wurde zum wertvollen Berater für dem Shogun und schließlich, nach einigen Jahren, in den Stand eines Samurai erhoben – als erster Europäer überhaupt. Er baute für seinen neuen Herren Schiffe nach europäischem Vorbild, reiste als Handelsdiplomat durch ganz Ostasien – nur in seine Heimat England durfte er nie mehr zurück. Der Shogun hatte es verboten. William Adams starb 1620 und wurde bei Nagasaki beigesetzt, sein Grab ist bis heute erhalten.

    Verliebt sich in den Engländer: Anna Sawai als Toda Mariko
    Verliebt sich in den Engländer: Anna Sawai als Toda Mariko
    Kurt Iswarienko / FX
    Ging ganz in seiner Rolle als John Blackthorne auf: Cosmo Jarvis
    Ging ganz in seiner Rolle als John Blackthorne auf: Cosmo Jarvis
    Kurt Iswarienko / FX

    Der neue Navigator Der erste Darsteller des John Blackthorne, Richard Chamberlain, war bereits Mitte 40, als er die Rolle des Navigators übernahm. In der Neuverfilmung gibt nur der wesentlich jüngere britische Schauspieler und Singer-Songwriter Cosmo Jarvis den Weltreisenden. Jarvis, der heuer 35 wird, wirkt weicher und weniger schneidig in der Rolle, die ihm Weltruhm bringen könnte.

    Dass die Dolmetscherin Mariko, von der in Neuseeland aufgewachsenen Japanerin Anna Sawai herausragend gespielt, ihm verfallen und seinetwegen sogar zum Christentum konvertieren könnte, ist nicht leicht nachvollziehbar. Nichtsdestotrotz gab Cosmo Jarvis während der mehr als zehn Monate dauernden Dreharbeiten (angesetzt waren eigentlich nur sechs Monate) für seine Rolle alles: "Ich habe nur noch im Dialekt von Blackthorne gesprochen, auch in den Drehpausen oder am Abend konnte ich den Mann nicht mehr ablegen."

    Ochiba no Kata (Fumi Mikado) ist eine der größten Gegnerinnen von Fürst Toranaga
    Ochiba no Kata (Fumi Mikado) ist eine der größten Gegnerinnen von Fürst Toranaga
    Kurt Iswarienko / FX

    Das Zeug zum Klassiker Einer, der sich mit der japanischen Geschichte und der Lebensart der Japaner erstklassig auskennt, ist der in Wien lebende Musiker, Dirigent und Gastronom – sein Restaurant "Shiki" ist seit vielen Jahren der beste und gleichzeitig entspannteste Japaner in Wien – Joji Hattori. Der 55jährige Ausnahme-Violinist, der mit fünf Jahren nach Österreich kam, liebt historische Stoffe generell, solche mit Japan-Bezug ganz besonders: "Es ist mir lieber, wenn eine Geschichte auf historischen Tatsachen beruht, dann kann ich mich leichter darauf einlassen und es berührt mich eher."

    Das ist schon eine tolle, faszinierende Story!
    Musiker und Gastronom Joji Hattori über "Shogun"

    An die erste Verfilmung von "Shogun" kann er sich noch genau erinnern: "Das war natürlich ein großes Ereignis damals, und ich denke, dass die Story recht gut in die historischen Tatsachen eingebettet worden ist." Von der Neuverfilmung verspricht sich Hattori einiges: "Es sind sehr viele Japaner an der Produktion beteiligt, das sollte die Serie auch in den Details stimmig machen." Die Geschichte an sich hat für ihn das Zeug zum Klassiker: "Das ist schon eine tolle Story – einerseits die jahrhundertelang isolierte, strenge japanische Feudalgesellschaft, andererseits der englische Abenteurer, der da hineingeworfen wird – faszinierend!"

    Dirigent, Violinist, Top-Gastronom und "Shogun"-Fan Joji Hattori
    Dirigent, Violinist, Top-Gastronom und "Shogun"-Fan Joji Hattori
    Anna Stöcher

    Die Kritiken überschlagen sich So wie Hattori sieht es auch die überwiegende Mehrzahl der Seherinnen und Seher. "Shogun" hat großes Potenzial – und die Serienmacher haben es verstanden, dieses zu nutzen. Auf der Plattform Rotten Tomatoes, die Kritiker- und Publikumsrezensionen zusammenfasst, hält "Shogun" aktuell bei 99 Prozent positiven Kritikerstimmen, 93 Prozent Publikumszustimmung und rangiert im Trend-Barometer ganz oben. Kein Wunder, dass viele Stimmen bereits jetzt sagen, "Shogun" hat das Zeug, die beste Serie des Jahres 2024 zu werden.

    "Shogun", 2024, Mini-Serie, 10 Folgen, seit 27. Februar auf Disney+ (jeden Dienstag eine neue Folge)

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