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So ist das wirklich, wenn man einen Oscar bekommt
In der Nacht auf Montag wird der Oscar verliehen. Stefan Ruzowitzky hat schon einen. Ein Gespräch über Parkett, Partys, Promis.
53 Nominierungen John Williams findet seinen Platz bei den Oscars vermutlich inzwischen im Schlaf. Die Filmmusik-Legende, mittlerweile 92 und verantwortlich für die unverwechselbaren Soundtracks zu Klassikern wie "Der Weiße Hai", "Krieg der Sterne", "Indiana Jones", "E.T. – Der Außerirdische" oder "Schindlers Liste", war öfter als jeder andere Künstler für einen Academy Award nominiert. Insgesamt 53 mal stand er auf dem Zettel, in besonders guten Jahren war er gleich mehrfach nominiert. Fünf Mal hat er den Preis bislang in Empfang nehmen dürfen, heuer, mit seiner 54. Nominierung (für "Indiana Jones und das Rad des Schicksals") geht er auf die sechste Trophäe los. John Williams weiß vermutlich längst besser als jeder Verantwortliche hinter der Bühne, wie so ein Oscar-Abend läuft.
Der Oscar-Fahrplan Aber was macht man, wenn man Oscar-Novize ist und noch niemals die Ehre hatte, auf einem der begehrten Plätze im Dolby Theatre in Los Angeles Platz zu nehmen? Stefan Ruzowitzky weiß, wie das ist, denn er war selbst in der Situation. 2008 war er für sein Weltkriegs-Drama "Die Fälscher" mit Karl Markovics in der Titelrolle für den Auslands-Oscar nominiert – und brachte den Goldbuben auch heim nach Klosterneuburg. Wie die Wochen zwischen der Bekanntgabe der Nominierung und dem großen Abend in Hollywood verliefen, erzählte er Newsflix:
Wie erfährt man als Filmschaffender, dass man für einen Oscar nominiert worden ist?
Das erfährt man genauso wie alle anderen Menschen auf der Welt: Die Academy veröffentlicht ihre Nominierungen im Rahmen einer Veranstaltung und that’s it. Vorher weiß das keiner.
Und wenn man nicht aufpasst und keiner sagt es einem, dann ist man möglicherweise nominiert und bekommt es gar nicht mit?
Genau. Aber es gibt ja vorab Listen, die im Rahmen des Auswahlverfahrens von der Academy publiziert werden, man weiß also schon vorher, ob eine Nominierung überhaupt im Raum steht. Und dann ist es eine Fifty-Fifty-Chance, ob es was wird oder nicht.
Wie geht es danach weiter?
Es gibt ein offizielles Programm der Academy im Vorfeld der Verleihung, mit Presseveranstaltungen, Screenings und Empfängen für alle Nominierten. In Fall von "Die Fälscher" war es so, dass zur selben Zeit gerade der Kinostart in den USA vorbereitet wurde und der US-Verleih alles Organisatorische übernommen hat. Da war ich in guten Händen und musste mich selbst um nichts kümmern.
Vom US-Verleih haben Sie dann auch alle Infos erhalten, wann Sie wo zu sein hatten, welche Kleiderordnung es für die Verleihung gibt, welche Veranstaltungen Sie besuchen müssen …?
Es gibt ja auch den Produzenten, man hat einen persönlichen Agenten, eben das Team des US-Verleihs, ich hatte da ein ganzes Team, das mich durch diese Tage und Wochen getragen hat. Man steht nicht irgendwann als Einzelkämpfer mit seinem Koffer am Airport von Los Angeles. Und nicht zuletzt ist auch die gesamte Organisation der Oscars sehr professionell, da bleibt nichts dem Zufall überlassen.
Zu wievielt sind Sie damals nach Los Angeles geflogen?
Man hat als nominierter Regisseur, wie in meinem Fall, das Anrecht auf sieben Plätze, vier im Parkett, wo es wirklich spannend ist, und drei weitere oben im Juchee. Die kann man nach Belieben verteilen.
Wen haben Sie mitgenommen?
Mit mir im Parterre saßen meine Frau, Hauptdarsteller Karl Markovics und der echte Adolf Burger, auf dessen Lebensgeschichte ja mein Film beruht. Die Produzenten saßen oben am Balkon. Und dann kamen noch viele Freunde nach Los Angeles, die bei der Party im österreichischen Generalkonsulat waren und es da bestimmt viel lustiger hatten als wir bei der offiziellen Veranstaltung.
Dann kommt der große Moment, man hört seinen Namen und geht auf die Bühne … ganz alleine?
Ja. Es wäre sehr unüblich, zu mehrt auf die Bühne zu kommen, das hat eigentlich nur István Szabó seinerzeit gemacht, als er für "Mephisto" ausgezeichnet wurde und Klaus Maria Brandauer zu sich auf die Bühne gebeten hat.
Behält man seinen Oscar danach die ganze Zeit bei sich, oder muss man den wieder abgeben, etwa um ihn gravieren zu lassen?
Das kann man machen, muss es aber nicht tun. Ich hätte den Oscar dort lassen können, damit sie die persönliche Plakette drauf machen, und dann hätte ich ihn irgendwann zugestellt bekommen, aber das wollte ich nicht. Ich habe mir lieber die Plakette zuschicken lassen und die dann selbst drauf geschraubt.
Wie geht es nach der Show weiter?
Da gibt es dann das Governors Dinner, wobei das in Europa häufig falsch verstanden wird. Da ist nicht der Gouverneur von Kalifornien der Gastgeber. Als Gouverneure werden all jene Funktionäre bezeichnet, die im Vorstand der Academy sitzen, aktuell sind das etwa 60 Menschen.
Und das Catering dafür kommt von Wolfgang Puck …
Genau, da sitzen dann alle Stars beisammen, und das ist ganz lustig, wenn man da durchmarschiert. Die Glücklicheren haben ihre Oscars auf dem Tisch stehen. Danach sind die chicen Partys.
So spät in der Nacht?
Nein, nein, die ganze Verleihungszeremonie beginnt ja bereits am Nachmittag, damit die Übertragung auch an der Ostküste, wo es drei Stunden später ist, zu einer vernünftigen Zeit aus ist.
Auf welche Party sind Sie gegangen?
Es gab eben im österreichischen Generalkonsulat eine Veranstaltung, wo auch ganz viele Mitglieder meiner Crew eingeladen waren und schon auf uns gewartet haben. Da ist es ziemlich hoch hergegangen.
Und der Oscar fliegt dann natürlich im Handgepäck mit zurück?
Ja klar, wobei das Lustige ist, dass diese Statue eine so dermaßen ikonische Form hat, dass sie bei der Security Control immer sofort auffällt. Und die meisten Securitys lassen einen dann die Tasche öffnen, weil sie sich den Oscar gerne anschauen möchten.
Und wo steht Ihr Oscar jetzt?
Auf einem ehrenvollen Plätzchen ganz hoch oben an der Wand, ehrenvoll, aber auch nicht zu angeberisch.
Manche Preisträger haben ihren Oscar ja auf dem Klo stehen …
Ja, das gibt es immer wieder, dass das behauptet wird. Aber ich finde das ehrlich gesagt ziemlich blöd. Das ist für jeden in der Branche eine wichtige Auszeichnung, die vieles im Leben verändert. Da gehört es sich schon, dass man respektvoll damit umgeht.
Was hat sich für Sie durch den Oscar verändert?
Schon sehr viel. Einerseits ist es natürlich eine tolle Bestätigung dafür, dass man doch etwas kann – viele Künstler denken ja von sich selbst, dass sie im Grunde nichts können und die Welt da irgendwann dahinterkommen wird. Und der Oscar macht es leichter, Nachfolgeprojekte zu bekommen, weil Schauspieler eher mit einem arbeiten wollen, wodurch man wiederum für Produzenten attraktiver wird. Es hat mir sicher meine weitere Laufbahn erweitert.
Und woran arbeiten Sie derzeit gerade?
Einem internationalen Thriller, aber es ist noch zu früh, darüber zu sprechen. Lassen Sie sich überraschen.
Sie haben auch nach dem Oscar einen Thriller in den USA gedreht, mit Stars wie Eric Bana, Olivia Wilde und Musiker-Legende Kris Kristofferson. Weshalb sind Sie damals nicht in den USA geblieben?
Weil Amerika schon ein wesentlich härteres Pflaster ist als Europa. Es gehört viel mehr Glück dazu, um einen Film zustande zu bringen – wenn ein Star eine Rolle in deinem Film gut findet, dann hast du ein 50-Millionen-Dollar-Projekt vor dir. Und wenn der aber schlecht geschlafen hat und den Film nicht machen will, dann hast du gar nichts, bleibst arbeitslos und ohne Geld. Das war mir dann doch zu stressig, mit zwei kleinen Kindern in die USA zu übersiedeln. Außerdem muss man als Schauspieler nicht permanent präsent sein, um für Projekte in Frage zu kommen, da haben wir es einfacher als Schauspieler. Und mittlerweile passieren die meisten Besprechungen ohnedies per Videocall, insofern war das, nachträglich gesehen, sicher die richtige Entscheidung.
Und werden Sie sich die Übertragung heuer ansehen?
Live sicher nicht, so spannend finde ich das auch nicht, es genügt mir, es am nächsten Morgen anzusehen. Wenn man früh aufsteht, kann man meist noch die letzte Verleihung, die des besten Films, live sehen.
Wer sind für Sie die Favoriten heuer?
Es ist grundsätzlich immer schwierig zu sagen, wer die Auszeichnung mehr verdient, wer am besten gespielt oder Regie geführt hat. Alle Filme, die hier zur Wahl stehen, sind auf einem sehr hohen Niveau und wurden von Profis gemacht, die ihr Handwerk super verstehen. Es geht eher darum zu sagen, wer hat das richtige Thema zur richtigen Zeit und wer hat das am besten erzählt. Ich denke etwa, dass Lily Gladstone in "Killers oft the Flower Moon" heuer sehr gute Chancen auf einen Hauptrollen-Oscar hat, weil das Native Americans-Thema in den USA gerade sehr präsent ist und sie als Native American das gut symbolisiert. Und um solche Querverbindungen geht es immer bei den Oscars. Die Qualität muss da sein, keine Frage. Aber es kommt auch darauf an, welcher Film ist derzeit wichtig, wer trifft mit seinem Film das gesellschaftspolitische Klima. Das mag man falsch finden, aber ich finde, das macht durchaus Sinn. Manche Filme hätten ein paar Jahre früher oder später wahrscheinlich nichts gewonnen, aber die haben es eben gerade richtig erwischt. Es geht bei den Oscars um die Frage, wer hat die richtige Geschichte auf die richtige Art und Weise zur richtigen Zeit erzählt.
Angesichts dessen würde vieles für "Oppenheimer" von Christopher Nolan sprechen. Es geht um die Geschichte des "Vaters der Atombombe", der sich nach den Abwürfen über Hiroshima und Nagasaki am Ende des Zweiten Weltkriegs zum entschiedenen Atomwaffengegner wandelte …
Christopher Nolan hätte man auch schon vor zehn Jahren auszeichnen können, keine Frage, aber das waren damals offenbar nicht die Filme, wo man gemeint hat, das ist jetzt notwendig. Er gilt heuer als großer Favorit, weil er im Moment die richtige Geschichte erzählt, ich sehe das auch so. Aber auch Greta Gerwigs "Barbie"-Film ist eine tolle Leistung, sie hat es geschafft, aus einer Plastikpuppe ein vergnügliches, verständliches Manifest zum Feminismus zu machen. Wirklich gut gelungen! Man wird sehen.