Pakt fixiert

So schnappte sich Trump die Bodenschätze der Ukraine

Streit, Beschimpfungen, Wutausbrüche, am Ende ging dann alles ganz schnell. Die USA und die Ukraine einigten sich am Dienstag auf ein Abkommen über kostbare Bodenschätze. Wie der Vertrag ausschaut, wie Putin mitmischt – und die EU wieder einmal nicht.

US-Präsident Donald Trump mit Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj im September 2024
US-Präsident Donald Trump mit Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj im September 2024
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Christian Nusser
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Donald Trump, das wird gern vergessen, ist vom Zuschnitt vieles, nur kein Politiker. Er managt die USA mehr wie ein rabiater CEO und das mit Brachial-Methoden. Kanada, Mexiko, Panama, Grönland, China, Kolumbien, es gibt ein paar Länder, die schon Kostproben des neuen Führungs-Stils bekamen, ohne das als stilvoll empfunden zu haben.

In einer Pressekonferenz und danach in einem Posting auf Truth Social war Tump in der vergangenen Woche auch über Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj hergezogen und die Welt fragte sich warum.

Trump nannte Selenskyj einen "Diktator ohne Wahlen", einen "bescheiden erfolgreichen Komödianten", er gab ihm die Schuld an Millionen Kriegstoten. Von der Argumentationslinie her erweckte das den Anschein, als höre man Wladimir Putin zu, der sitze aber nun im Weißen Haus in Washington.

Am Dienstag stellte sich endgültig heraus, worauf der US-Präsident tatsächlich aus war: auf die Bodenschätze in der Ukraine, die USA haben einen Bärenhunger danach. Nun dürfte Trump seinen Appetit gestillt bekommen haben, ein Deal mit der Ukraine steht. Das müssen Sie dazu wissen:

Was ist der Stand der Dinge?
Die USA und die Ukraine dürften sich am Dienstag auf einen Pakt geeinigt haben. Der Financial Times liegt das Abkommen vor, eine offizielle Bestätigung fehlt noch.

Wo sich die größten Rohstoff-Vorkommen der Ukraine befinden
Wo sich die größten Rohstoff-Vorkommen der Ukraine befinden
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Was wurde vereinbart?
Es wird ein Fonds errichtet, in den die Ukraine 50 Prozent der Einnahmen der staatlichen Bodenschätze einbringt, darunter Öl und Gas. Trump bekommt also ziemlich genau das, was er wollte. Kiew konnte ein paar günstigere Bedingungen für sich herausschlagen. Die Einnahmen aus Rohstoffverkäufen, die schon jetzt in den Staatshaushalt fließen, sind ausgenommen, auch die Exporte in die EU.

Was hat die Ukraine davon?
Das Geld aus dem Fonds soll Projekte in der Ukraine finanzieren. Und, wichtig: Sie hat weiterhin die Schutzmacht USA an ihrer Seite. Es ist davon auszugehen, dass Trump Präsident Selenskyj fortan nun als tollen Hecht bezeichnen wird.

Wurde die Schutzfunktion festgeschrieben?
Nein, die Financial Times fand nichts davon im Papier. Selenskyj hatte davor gefordert, dass die USA schriftlich Sicherheitsgarantien abgibt. Jetzt verlässt er sich auf höchstens mündliche Zusicherungen.

Was gibt es in der Ukraine zu holen?
Viel! Das Land ist enorm reich an Bodenschätzen. Der Ukrainische Geologische Dienst (State Service of Geology and Mineral Resources of Ukraine, SSGSU) ist für das Management der Ressourcen zuständig. Die Behörde schätzt, dass sich etwa 5 Prozent der "kritischen Rohstoffe" der Welt in der Ukraine befinden.

Der Weltmarkt der Seltenen Erden, China ist dominant
Der Weltmarkt der Seltenen Erden, China ist dominant
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Was ist da alles dabei?
Die Ukraine verfügt über die sechsgrößten Graphit-Reserven der Erde. Das Mineral wird nicht nur in Bleistiften verwendet, sondern auch für Halbleiter, in der Metallindustrie, für Batterien von E-Autos, Bremsen, Dichtungen, Schmierstoffe, Feuerschutz oder in Atomreaktoren. Die Ukraine besitzt 19 Millionen Tonnen davon. Viele Bleistifte also.

Aber da gibt es noch mehr, oder?
Ja, über ein Drittel aller europäischen Lithiumvorkommen, dem Schlüsselbestandteil moderner Batterien. Der weltweite Anteil der Ukraine an der Produktion von Titan, das beim Bau von Flugzeugen oder Kraftwerken verwendet wird, betrug vor dem Krieg 7 Prozent.

Was listet der Geologische Dienst noch auf?
Die Zahlen stammen aus 2020. Da lag die Ukraine bei der Produktion von Rutil (Titan-Industrie, Schmuck) weltweit auf Platz 3,  bei Titanschwamm (Autos, Luftfahrt) und Brom (Medikamente, Treibstoffzusatz) auf Platz 5, bei Ilmenit (Flugzeuge, künstliche Körperteile, Sportgeräte) auf Platz 6. Dazu noch im Spitzenbereich bei Kaolin (Porzellan, Kosemetik, Puder), Manganerz, Roheisen, Rohstahl, Aluminiumoxid, Torf, Bentonit, Kalk, Stickstoff, Salz und Silikon. Das Land hat auch bedeutende Kohle- und Uranvorkommen.

Und da wäre noch die Seltenen Erden, oder?
Ja! Dabei handelt es sich um eine Gruppe von 17 Elementen, die in der Industrie bei der Herstellung etwa von LEDs, E-Motoren, Smartphones, Drohnen, Windrädern nicht mehr wegzudenken sind. Die Ukraine verfügt über bedeutende Vorkommen.

Seltenen Erden und ihre Verwendung

  • Scandium (Sc) Hochleistungslampen (Stadion), Laserkristalle, russische Kampffugzeuge, Fahrrad-Komponenten
  • Samarium (Sm) Laser, Magnete, Quarzuhren, Kopfhörer, Krebstherapie
  • Holmium (Ho) Magnetfelder, Feststofflaser, Microwellenbauteile, gelbes Glas
  • Lanthan (La) Kameralinsen, Brennstoffzellen, chirurgische Instrumente, Glas und Glasuren (statt Blei), Glaspoliermittel, Dialyse
  • Europium (Eu) Leuchtmittel, roter Leuchtstoff in Farbbildröhren, Energiesparlampen, Kernreaktoren
  • Erbium (Er) Knochenersatz, Zahnschmelz, Gasspeicher, Laser, Leuchtstoffe
  • Cer (Ce) UV-Filter Windschutzscheiben, Katalysatoren, Poliermittel Glasindustrie, Leuchtdioden, Keramik in Zahntechnik
  • Ytrium (Y) Reaktoren, Zündkerzen, LEDs, Plasmaschirme, Heizdrähte, Brennstoffzellen, Energiesparlampen
  • Thulium (Tm) E-Motoren, Turbinen, Mikrofone, Handy-Lautsprecher, Generatoren Windkraftanlagen
  • Praseodym (Pr) färbt Kristallglas grün, Flugzeugmotoren Schutzgläser
  • Gadolinium (Gd) Mikrowellen, MRT, Kontrastmittel Kernspintomographie, CDs, Datenspeicherung
  • Ytterbium (Yb) Zahnfüllungen, Kontrastmittel Röntgen, Nuklearmedizin, Stahlproduktion, Haushaltsgeräte, Fernseher, Glas, Energiesparlampen
  • Neodym (Nd) Magnete, Batterien und Motoren für Autos, Glasfärbung, Festplatten, Lautsprecher, Kopfhörer, Kernspintomographie, Laser, Sonnenschutzglas
  • Terbium (Tb) Bildröhren, Halbleiter, Brennstoffzellen, Leuchtstoffe
  • Luteium (Lu) Tomographie, Bestrahlung Tumore, Katalysator
  • Promethium (Pm) Leuchtziffern Uhren, Kaltlichtquellen von Signalanlagen, Radionuklidbatterien Raumfahrt
  • Dysprosium (Dy) Energiesparlampen, Halogenlampen, CDs, Kernreaktoren, Magnete Windkraftanlagen, E-Autos
Seltene Erden, hier die Produktion des Tesla Model Y, spielen in der Autoindustrie eine entscheidende Rolle
Seltene Erden, hier die Produktion des Tesla Model Y, spielen in der Autoindustrie eine entscheidende Rolle

Wie lässt sich der Wert der Bodenschätze darstellen?
Abseits der Milliarden? Die in der Ukraine entdeckten Lithium- und Graphitreserven reichen aus, um Kathoden- und Anodenmaterialien für Lithiumbatterien mit einer Gesamtkapazität von 1.000 GWh herzustellen. Damit könnten rund 20 Millionen Elektrofahrzeuge produziert werden.

Was ist das Problem dabei?
Einige der Hauptvorkommen liegen im Kriegsgebiet. Russland hat bis zu 70 Prozent der Bodenschätze der Ukraine unter seine Kontrolle gebracht. Die größten Vorkommen liegen in den Regionen Donezk, Dnipropetrowsk und Luhansk.

Wie hoch ist der Wert?
Die ukrainischen Wirtschaftsministerin Julia Sweriddenko schätzt den Wert der Mineralvorkommen in den besetzten Regionen auf 350 Milliarden US-Dollar. Laut Forbes Ukraine haben die Vorkommen sogar einen Wert von etwa 15 Billionen US-Dollar.

Sind die Seltenen Erde eigentlich selten?
Nicht wirklich. Das United States Geological Survey (USGS) schätzt die weltweiten Vorkommen auf mindestens 110 Millionen Tonnen, davon 44 Millionen in China, dem bei weitem größten Produzenten der Welt.

Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Ehefrau Olena am Maidian Square in Kiew
Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Ehefrau Olena am Maidian Square in Kiew
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Warum sind sie dann so begehrt?
Der Bedarf weltweit ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Es werden immer mehr Anwendungsgebiete entdeckt. Seltene Erden finden mittlerweile in beinahe allen modernen Produkten Verwendung.

Sind Seltene Erden teuer?
Ja! Ein Kilo Terbium aus China kostete etwa im vergangenen Jahr im Schnitt fast 1.000 US-Dollar. Seltene Erden kann man auch nicht einfach so schürfen wie etwa Gold. Sie sind Bestandteil von Mineralen aus den Gruppen der Silikate, Oxide, Karbonate oder Phosphate, ihre Gewinnung ist aufwändig und ein komplexer chemischer Prozess.

Warum interessiert sich Trump so dafür?
Weil die US-Industrie Seltene Erden wie einen Bissen Brot braucht. Daraus erklärt sich unter anderem auch sein jüngstes Interesse für Grönland. Die Insel verfügt über einige der größten Rohstoffvorkommen der Welt und vieles davon wurde noch nicht einmal erschlossen. Als Alternative zum Weltmarktführer China ist das autonome Territoriums Dänemarks sehr attraktiv.

Warum kauft er nicht in China ein?
China kontrolliert etwa 75 Prozent des Weltmarkts der Seltenen Erden. Das macht erpressbar, vor allem in einer Zeit, in der es im globalen Handel häufig um Sonderzölle geht.

Der frühere britische Premierminister Boris Johnson riet der Ukraine zum Einlenken
Der frühere britische Premierminister Boris Johnson riet der Ukraine zum Einlenken
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Kommen die USA nun an die Bodenschätze der Ukraine ran?
Es schaut so aus, der Theaterdonner von Trump hat Wirkung entfacht. Olga Stefanishyna, stellvertretende Ministerpräsidentin für europäische und euro-atlantische Integration, sagte schon am Montag auf X , dass "die Verhandlungen sehr konstruktiv verlaufen seien und fast alle wichtigen Details finalisiert" werden konnten.

Warum lenkte die Ukraine ein?
Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj war in einer miserablen Verhandlungsposition und Trump wusste das. Russland erobert immer weitere Gebiete, der Ukraine geht militärisch die Puste aus. Die zauderhafte EU ist keine Hilfe. Blieb Trump, aber der wollte für seine weitere Unterstützung Gegenleistungen.

Kam der Vorschlag zu einem Deal von Trump?
Nein, Selenskyj selbst warf die Bodeschätze in die Waagschale. Im September 2024 legte er einen "Siegesplan" vor. Darin unterbreitete er erstmals das Angebot mit den Bodenschätzen.

Was war der Sinn?
Die USA als dauerhaften Partner an Bord zu bekommen. Ein Abkommen sei "der große Preis", weil es "das Engagement der Vereinigten Staaten unter Donald Trump für eine freie, souveräne und sichere Ukraine" sicherstellen würde, sagte der frühere britische Premierminister Boris Johnson bei einem Besuch in Kiew der BBC.

Angebot an Trump: Russlands Präsident Wladimir Putin beim Interview mit dem russischen Staatsfernsehen
Angebot an Trump: Russlands Präsident Wladimir Putin beim Interview mit dem russischen Staatsfernsehen
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Warum dauerte es mit dem Abschluss?
In der vergangenen Woche verlangten die USA einen Anteil von 50 Prozent an den Bodenschätzen. Selenskyj lehnte ab. "Ich kann mein Land nicht verkaufen", sagte er. Jetzt knickte er ein.

Wie reagierte Trump auf die erste Ablehnung?
Mit der bekannten Schimpftirade und einem Gegenvorschlag. Die USA wollten danach nicht mehr die Hälfte der Vorkommen, sondern mehr oder weniger alles. Sie rechneten ihr Investment in die Kriegs-Ukraine auf 500 Milliarden US-Dollar hoch, das sollte nun mit Seltenen Erden abgegolten werden. Selenskyj sprach von 100 Milliarden aus den USA und er habe das als Hilfe verstanden, nicht als Kredit.

Was jetzt?
Nach dem Pakt will Trump nun Selenskyj treffen. Ukrainische Beamte sagten zur Financial Times, der Deal sei von den Justiz-, Wirtschafts- und Außenministern genehmigt worden, und stellten in Aussicht, dass Selenskyj in den kommenden Wochen zu einer Unterzeichnungszeremonie mit Trump ins Weiße Haus reisen würde.

Und Putin?
Schaut nicht nur interessiert zu, sondern mischt voll mit, schließlich hat er momentan die Hand auf einem guten Teil der Rohstoffe. In einem Fernsehinterview mit dem russischen Staatssender Rossija 1 unterbreitete er am Dienstag einen Vorschlag. Er sei bereit, den Amerikanern den Zugang zu den Bodenschätzen in den eroberten Gebieten zu ermöglichen, aber nicht nur das.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Europa ist wieder nur Zuschauer
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Was heißt das aber?
Putin beschränkte sein Angebot nicht allein auf die ukrainischen Gebiete. Er stehe auch für Partnerschaften auf russischem Gebiet offen. "Wir verfügen zweifelsohne, und das möchte ich betonen, über wesentlich mehr Ressourcen dieser Art als die Ukraine", sagte er.

Klingt nach Tauwetter?
Ja, aber man darf das nicht überbewerten, Weltmächte sind üblicherweise nur aus wirtschaftlichen oder geostrategischen Gründen nett zueinander.

Was bedeutet das?
Zunächst einmal hat das Auswirkungen auf den Friedensvertrag für die Ukraine. Dort werden die Rohstoffe in den Verhandlungen breiten Raum einnehmen. Die USA und Russland werden versuchen, einen Deal miteinander auszuhandeln und sich möglichst viel der Bodenschätze zu sichern.

Und die EU?
Ist wieder einmal nur Zuschauer.

Ist das nicht gefährlich?
Ja, und peinlich auch. Wien und Bregenz liegen von der Luftlinie her weiter auseinander als Wien und die Staatsgrenze der Ukraine. Über die Köpfe der 27 EU-Länder hinweg, für die Kiew quasi vor der Haustür liegt, machen sich die Amerikaner mit den Russen unter Beiziehung der Ukrainer die Zukunft aus – und die Europäische Union sieht's im Fernsehen.

Akt. Uhr
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