EU-Parlament

So stimmten Österreichs Parteien über Asyl-Pakt der EU ab

900 Seiten dick, zehn Kapitel, viele offene Fragen: Was die EU tatsächlich beschlossen hat, wie Österreichs Politiker abstimmten.

Ein polnischer Soldat am Grenzzaun an der EU-Außengrenze zu Russland
Ein polnischer Soldat am Grenzzaun an der EU-Außengrenze zu Russland
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Christian Nusser
Akt. Uhr
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Es war ein zähes Ringen, ging über Jahre, nun sorgte wohl die bevorstehende EU-Wahl für Bewegung auf den letzten Metern. Anfang Juni wird das EU-Parlament neu gewählt, ein Erstarken von Rechtsparteien gilt als wahrscheinlich, und wohl auch deshalb rang sich das Parlament am Mittwoch zu Verschärfungen bei den Asyl- und Migrationsregeln durch.

Es dauert noch vier Jahre Vor der Abstimmung gab es Proteste, Papierflieger segelten von der Besuchertribüne ins Plenum. Am Tag danach wurden die geplanten Maßnahmen als zu scharf oder als zu milde beurteilt, die viel zu spät, gerade noch rechtzeitig oder am besten gar nicht gekommen wären. Das wird ohnehin noch dauern. Bis zu vier Jahre, ehe auch alle nötigen, nationalen Gesetze dazu beschlossen sind. Aber worum geht es eigentlich, und wer war dafür und dagegen? Eine Spurensuche.

Zehn Vorschläge standen einzeln zur Abstimmung. Im EU-Parlament wird der Fraktionszwang nicht so eng gesehen wie in den nationalen Volksvertretungen, es gibt schließlich auch keine Regierung, die man mit seiner Stimme stützten oder stürzen könnte. Österreichs Vertreterinnen und Vertreter, so viel kann gesagt werden, stimmten trotzdem als Parteien einheitlich, Claudia Gamon von den Neos tat sich damit am einfachsten, sie ist allein. Darüber wurde im Detail abgestimmt:

1. Neues Asyl- und Migrationsmanagement

So stimmte das EU-Parlament ab

  • Ja-Stimmen: 322
  • Nein-Stimmen: 266
  • Enthaltungen: 31

Darum geht es EU-Mitgliedsstaaten müssen anderen EU-Mitgliedsstaaten, die einem hohen Migrationsdruck ausgesetzt sind, helfen. Diese Hilfe kann dadurch erfolgen, dass sie Asylwerber aufnehmen, Finanzhilfe leisten oder operative und technische Unterstützung leisten. Mitgliedsstaaten, die die Aufnahme der Geflüchteten aus stark belasteten EU-Ländern verweigern, müssen Strafzahlungen leisten.

Die SPÖ (Im Bild Andreas Schieder) stimmte allen zehn Punkten des Asylpakts zu
Die SPÖ (Im Bild Andreas Schieder) stimmte allen zehn Punkten des Asylpakts zu
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2. Bewältigung von Krisensituationen

So stimmte das EU-Parlament ab

  • Ja-Stimmen: 301
  • Nein-Stimmen: 272
  • Enthaltungen: 46

Darum geht es Diese Regelung soll greifen, wenn es in einzelnen Mitgliedsstaaten zu einem außergewöhnlich starken Zustrom von Menschen aus Drittstaaten kommt. Betroffene Länder müssen einen Antrag an die Kommission stellen, diese muss die Situation innerhalb von zwei Wochen bewerten und gegebenenfalls Hilfsmaßnahmen einleiten. Die Regelung kommt auch zur Anwendung, wenn feindselige Drittstaaten Migranten in Massen schicken, um die EU zu destabilisieren. Russland wäre so ein Kandidat.

3. Überprüfung an EU-Grenzen

So stimmte das EU-Parlament ab

  • Ja-Stimmen: 366
  • Nein-Stimmen: 229
  • Enthaltungen: 26

Darum geht es Personen, die die Kriterien für eine Einreise in die EU nicht erfüllen, werden an der EU-Außengrenze einem strengen Kontrollverfahren unterzogen. Dabei werden sie identifiziert, ihre biometrischen Daten werden erfasst und sie werden Gesundheits- und Sicherheitskontrollen unterzogen. Diese Überprüfungen dürfen bis zu sieben Tage dauern. Die Mitgliedstaaten müssen unabhängige Kontrollgremien einrichten, um sicherzustellen, dass die Grundrechte geachtet werden.

4. Strafregisterauskunft

So stimmte das EU-Parlament ab

  • Ja-Stimmen: 414
  • Nein-Stimmen: 182
  • Enthaltungen: 29

Darum geht es ECRIS-TCN ist ein europäisches Strafregister-Informationssystem für Drittstaatsangehörige (Nicht-EU) und Staatenlose. Überprüfungsbehörden bekommen das Recht, auf die ECRIS-TCN-Daten zuzugreifen. Sie können sie gezielt durchsuchen, um über die Vorstrafen von Personen zu erfahren.

5. Neues Asylverfahren

So stimmte das EU-Parlament ab

  • Ja-Stimmen: 301
  • Nein-Stimmen: 269
  • Enthaltungen: 51

Darum geht es Für die Zu- oder Aberkennung des internationalen Schutzes wird EU-weit ein neues, gemeinsames Verfahren eingeführt. Die Bearbeitung von Asylanträgen an den Grenzen der EU soll in Zukunft schneller erfolgen. Auch Abschiebungen direkt an der EU-Außengrenze sollen beschleunigt möglich werden. Ausnahme: unbegleitete flüchtende Minderjährige.

Die ÖVP (Im Bild Lukas Mandl) stimmte allen zehn Punkten des Asylpakts zu
Die ÖVP (Im Bild Lukas Mandl) stimmte allen zehn Punkten des Asylpakts zu
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6. Rückführung an der Grenze

So stimmte das EU-Parlament ab

  • Ja-Stimmen: 329
  • Nein-Stimmen: 253
  • Enthaltungen: 40

Darum geht es Drittstaatsangehörige und Staatenlose, deren Asylantrag an der Grenze abgelehnt wurde, dürfen nicht in das Gebiet des betreffenden Mitgliedstaates einreisen. Diese Personen dürfen für maximal zwölf Wochen an Orten nahe der Außengrenze oder in Transitbereichen festgehalten werden. Wenn keine Unterbringung an diesen Orten möglich ist, können andere Orte im Hoheitsgebiet genutzt werden. Die Verpflichtung, an einem bestimmten Ort zu bleiben, bedeutet keine Erlaubnis zur Einreise oder zum Aufenthalt.

7. Fingerabdruck-Regulierung

So stimmte das EU-Parlament ab

  • Ja-Stimmen: 404
  • Nein-Stimmen: 202
  • Enthaltungen: 16

Darum geht es Die Daten von Personen, die illegal in die EU einreisen, werden in der reformierten Eurodac-Datenbank gespeichert. Erfasst werden auch Fingerabdrücke und Gesichtsbilder, selbst von Kindern ab einem Alter von sechs Jahren. Die Behörden sollen in die Lage versetzt werden, zu erkennen, ob jemand ein Sicherheitsrisiko darstellen könnte oder gewalttätig bzw. bewaffnet war.

8. Einheitliche Qualitäts-Standards

So stimmte das EU-Parlament ab

  • Ja-Stimmen: 340
  • Nein-Stimmen: 249
  • Enthaltungen: 34

Darum geht es Das "Dublin-Verfahren" wird neu geregelt. Es kommen einheitliche Standards für alle Mitgliedstaaten für die Anerkennung des Flüchtlingsstatus oder des subsidiären Schutzstatus. Das gilt auch hinsichtlich der Rechte, die den Schutzberechtigten gewährt werden. Die Mitgliedstaaten sollten die Situation im Herkunftsland auf der Grundlage von Informationen der EU-Asylagentur bewerten. Der Flüchtlingsstatus wird regelmäßig überprüft. Antragsteller auf Schutz dürfen das Gebiet des Mitgliedstaates, der für ihren Antrag verantwortlich ist, nicht verlassen.

Die FPÖ (im Bild Harald Vilimsky) stimmte zwei Punkten zu, einhielt sich bei einer Abstimmung
Die FPÖ (im Bild Harald Vilimsky) stimmte zwei Punkten zu, einhielt sich bei einer Abstimmung
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9. Einheitliche Normen für Antragsteller

So stimmte das EU-Parlament ab

  • Ja-Stimmen: 398
  • Nein-Stimmen: 162
  • Enthaltungen: 60

Darum geht es Die Mitgliedstaaten müssen in Zukunft sicherstellen, dass für die Aufnahme von Asylsuchenden gleichwertige Normen gelten. Das betrifft unter anderem Unterkunft, Schulbildung und Gesundheitsversorgung. Registrierte Asylbewerberinnen und Asylbewerber können künftig spätestens sechs Monate nach Antragstellung eine Arbeit aufnehmen. Asylbewerber werden durch Beschränkungen der Bewegungsfreiheit davon abgehalten, sich in der EU zu bewegen.

10. Sicherer und legaler Weg nach Europa

So stimmte das EU-Parlament ab

  • Ja-Stimmen: 452
  • Nein-Stimmen: 154
  • Enthaltungen: 14

Darum geht es Mitgliedstaaten können vom UNHCR anerkannte Flüchtlinge aus Drittländern freiwillig aufnehmen und ihnen damit die legale, organisierte und sichere Einreise in die EU ermöglichen.

So geht es jetzt weiter Das Paket muss nun vom Europäischen Rat genehmigt werden, die Gesetze treten nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft. Die Verordnungen sollen in zwei Jahren anwendbar sein. Für die Richtlinie zu den Aufnahmebedingungen haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Änderungen in ihre nationalen Gesetze einzuführen.

Und wie haben Österreichs Politiker abgestimmt?

Österreich stellt 19 Abgeordnete im EU-Parlament. Die ÖVP ist mit sieben Mandataren am stärksten vertreten, die SPÖ hat fünf Delegierte, die FPÖ drei, die Grünen ebenfalls drei, die Neos stellen eine Abgeordnete. Bei der SPÖ und bei der ÖVP (bei der Alexander Bernhuber fehlte) stimmten alle Mandatare allen zehn Dossiers zu, ebenso Claudia Gamon (Neos). Die drei Grünen-Abgeordneten stimmten nur bei zwei Dossiers mit "Ja", die FPÖ-Delegierten ebenfalls (allerdings für andere Dossiers als die Grünen), bei einem Dossier enthielten sie sich. Im Detail:

1. Asyl- und Migrationsverwaltung

  • ÖVP: Ja
    SPÖ: Ja
    FPÖ: Nein
    Grüne: Nein
    Neos: Ja
Die Grünen (im Bild Thomas Waitz) stimmten zwei Punkten zu, die weiteren acht lehnten sie ab
Die Grünen (im Bild Thomas Waitz) stimmten zwei Punkten zu, die weiteren acht lehnten sie ab
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2. Bewältigung von Krisensituationen

  • ÖVP: Ja
    SPÖ: Ja
    FPÖ: Nein
    Grüne: Nein
    Neos: Ja

3. Überprüfung an EU-Grenzen

  • ÖVP: Ja
    SPÖ: Ja
    FPÖ: Ja
    Grüne: Nein
    Neos: Ja

4. Strafregisterauskunft

  • ÖVP: Ja
    SPÖ: Ja
    FPÖ: Ja
    Grüne: Nein
    Neos: Ja

5. Neues Asylverfahren

  • ÖVP: Ja
    SPÖ: Ja
    FPÖ: Nein
    Grüne: Nein
    Neos: Ja
Die Neos-Abgeordnete Claudia Gamon stimmte allen zehn Punkten des Asylpakts zu
Die Neos-Abgeordnete Claudia Gamon stimmte allen zehn Punkten des Asylpakts zu
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6. Rückführung an der Grenze

  • ÖVP: Ja
    SPÖ: Ja
    FPÖ: Nein
    Grüne: Nein
    Neos: Ja

7. Fingerabdruck-Regulierung

  • ÖVP: Ja
    SPÖ: Ja
    FPÖ: Enthaltung
    Grüne: Nein
    Neos: Ja

8. Einheitliche Qualifikationsstandards

  • ÖVP: Ja
    SPÖ: Ja
    FPÖ: Nein
    Grüne: Nein
    Neos: Ja

9. Einheitliche Normen für Antragsteller

  • ÖVP: Ja
    SPÖ: Ja
    FPÖ: Nein
    Grüne: Ja
    Neos: Ja

10. Sicherer und legaler Weg nach Europa

  • ÖVP: Ja
  • SPÖ: Ja
  • FPÖ: Nein
  • Grüne: Ja
  • Neos: Ja
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