historische entscheidung
Sogar rechte Le Pen stimmte für Verfassungsrecht auf Abtreibung
Frankreich schrieb als erstes Land der Welt das Recht auf Abtreibung in der Verfassung fest. Wie es zu der Entscheidung kam, warum 85 Prozent der Franzosen sie richtig finden.
Es war das symbolische Ende eines historischen Tages. Am Abend wurde ein Spruch auf den Pariser Eiffelturm projiziert. "My Body My Choice" war zu lesen, "mein Körper, meine Wahl". Das am häufigsten verwendete Wort des Montags war wohl "historisch", und das schien nicht einmal aus der Luft gegriffen, sondern dem Anlass geschuldet. Als weltweit erstes Land schrieb Frankreich das Recht auf Abtreibung in der Verfassung fest. "Wir senden eine Botschaft an alle Frauen: Ihr Körper gehört Ihnen und niemand kann für Sie entscheiden", sagte Premierminister Gabriel Attal in seiner Rede im Parlament.
780 stimmten mit Ja Es war ein Beschluss mit einer überwältigenden Mehrheit. Die "garantierte Freiheit" der Abtreibung wurde mit 780 Ja-Stimmen, 72 Nein-Stimmen und 50 Enthaltungen angenommen. Damit wurde problemlos die für eine Änderung des Grundgesetzes erforderliche Mehrheit von drei Fünftel der abgegebenen Stimmen erreicht. In einem Nebenraum wurde das Siegel des Kongresses auf dem Text angebracht. Der Beschluss wird nun zu Artikel 34 der Verfassung.
Öffentliche Zeremonie Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron lobte den "französischen Stolz" und die "universelle Botschaft", die von der Entscheidung ausging. Er kündigte für den 8. März, dem Internationalen Tag der Frauenrechte, eine öffentlich zugängliche Siegel-Zeremonie an. Auch das ist historisch, also erstmalig. Eine Explosion der Freude löste das Ergebnis der Abstimmung schon am Montag aus. Vor dem Eiffelturm trafen sich Befürworterinnen und feierten in die Nacht hinein.
Krankenkasse zahlt Abtreibung ist in Frankreich seit 1975 legal, zunächst galt als Limit dafür die zehnte Schwangerschaftswoche. Seit 1975 wurde das Gesetz neunmal aktualisiert – und jedes Mal mit dem Ziel, den Zugang zu erweitern. Mittlerweile können Schwangere in Frankreich bis zur 14. Woche abtreiben, die Kosten übernimmt die Krankenkasse. Umfragen zeigen, dass rund 85 Prozent der Bevölkerung die Änderung der Verfassung zum Schutz des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch befürworten.
Sogar Rechte stimmten dafür Wohl auch deshalb trat keine der größeren Parteien gegen das Abtreibungsrecht auf. Zumindest nicht öffentlich. Nicht einmal der extrem rechte Rassemblement National (RN). Dessen Fraktionschefin Marine Le Pen zögerte lange, stimmte am Montag aber schließlich doch für die Festschreibung. Sie halte die Verfassungsbestimmung allerdings für "sinnlos", sagte sie, denn das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche sei nicht gefährdet.
Das sehen viele anders In Frankreich war die Entscheidung der USA aus dem Sommer 2022 als Schockwelle angekommen. Der Supreme Court hatte das Grundsatzurteil "Roe v. Wade" von 1973 gekippt - und damit auch das bundesweite Recht auf Schwangerschaftsabbrüche. Nach Angaben der amerikanischen Nichtregierungsorganisation "Center for Reproductive Rights" (CRR) verbieten weltweit 21 Länder, darunter Ägypten, Irak, Senegal und die Philippinen, offiziell jeden Schwangerschaftsabbruch. In nur vier Ländern wurde in den letzten 30 Jahren das Recht auf Abtreibung zurückgenommen, neben Nicaragua, Polen und El Salvador eben auch in den Vereinigten Staaten.
230.000 Abtreibungen im Jahr In Frankreich gab es zuletzt Proteste und Mahnwachen gegen die Verfassungspläne. Auch die Kirche stemmte sich dagegen. "Es kann kein Recht geben, einem Menschen das Leben zu nehmen“, äußerte sich der Vatikan. Nach offiziellen Angaben hat es 2022 in Frankreich rund 230.000 Abtreibungen gegeben, 17.000 mehr als im Jahr davor.