Covid-Comeback

"Sollen wir jetzt wieder Masken tragen, Herr Professor?"

Sommerwelle, Impfung, Vogelgrippe: Während der Pandemie war Virologe Andreas Bergthaler einer der gefragtesten "Corona-Erklärer" des Landes. Wie er die aktuelle Lage sieht: "Relativ entspannt, um ehrlich zu sein."

Andreas Bergthaler ist  Virologe und Immunologe an der MedUni Wien
Andreas Bergthaler ist Virologe und Immunologe an der MedUni Wien
CeMM
Christian Nusser
Uhr
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Andreas Bergthaler ist Virologe und seit 2022 Professor für molekulare Immunologie an der MedUni Wien. Während der Pandemie hat er über 1.000 Medien-Interviews gegeben. Im Podcast-Interview erzählt er, wie er diese Zeit erlebt hat, erklärt das Corona-Comeback und was man dazu wissen muss. Andreas Bergthaler über:

Wie die über 1.000 Interviews während der Pandemie waren
Gute Frage. Ich habe mich nie aufgedrängt und auch eine ganze Anzahl abgesagt. Spannend habe ich erlebt, dass es nicht nur eine Veränderung beim Virus gab, sondern auch bei den Interviews.

Welche Veränderung er da wahrgenommen hat
Anfangs ging es um wissenschaftliche Fragen, zu bestimmten Mutationen und so weiter, dann zusehends um bestimmte Maßnahmen. Viele meiner Kollegen und ich sind nicht unbedingt Experten etwa bei Masken. Dann wurde ich trotzdem in Interviews um meine Meinung gefragt. Das ist dann manchmal so ein Balance-Akt. Die eigene Expertise ist das eine, eine persönliche Einschätzung das andere.

Was von der Pandemie bei ihm haften geblieben ist
Es war eine intensive Zeit. Auf einmal war doppelt so viel zu tun. Zuerst rein wissenschaftlich, dann auch zusehends auf der Ebene von beratenden Aktivitäten und nicht zuletzt auch die Wissenschaftskommunikation mit Medien, was einige Herausforderungen geboten hat, da man als Wissenschaftler nicht unbedingt darauf vorbereitet ist.

Wie man dabei die Politik erlebt
Es ist eine Mischung aus Gefühlen. Überraschend! Merkwürdig! Man fühlt sich natürlich auch manchmal geschmeichelt, dass man gefragt wird. Und gleichzeitig erkennt man dann auch hier und da, wie von der Politik versucht wird, die Wissenschaft zu instrumentalisieren oder zumindest einzubauen in das Narrativ.

Andreas Bergthaler, Rudolf Anschober am Rande einer Pressekonferenz zum Thema neue Corona-Mutationen 2021
Andreas Bergthaler, Rudolf Anschober am Rande einer Pressekonferenz zum Thema neue Corona-Mutationen 2021
Helmut Graf

Was er Menschen sagt, die Covid-19 für Panikmache halten
Das gab es auch von Fachexperten, zum Teil von Leuten, die ich eigentlich schätze. Die haben gesagt, wenn wir es nicht messen würden, würden wir gar nicht merken, dass wir gerade eine Pandemie durchlaufen. Dieser Meinung bin ich nicht.

Wie seine Einschätzung aus dem heutigen Blickwinkel ist
Das Besondere an dem Ereignis war, dass wir es auf einmal mit einem neuen Virus zu tun hatten, das in die menschliche Bevölkerung eingedrungen ist, die darauf nicht vorbereitet war. Das war der Grund, warum wir initial zum Teil sehr hohe Todesraten hatten, warum es sehr viele schwere Verläufe gegeben hat, auch die Unsicherheit sehr groß war, wie man mit dem Gefährdungspotenzial umgeht.

Wie sich die Pandemie mit der Zeit verändert hat
Die wichtigste Veränderung war, dass die Impfung relativ früh verfügbar war. Da gibt es unterschiedliche Standpunkte. Aber die Impfungen waren sehr wesentlich, weil das die Möglichkeit geboten hat, unsere Immunantwort anzuwerfen und das Risiko von schweren Verläufen aufgrund von Covid auszusetzen.

In Wien wurde 2020 auf dem Gelände der Messe ein Not-Spital eingerichtet
In Wien wurde 2020 auf dem Gelände der Messe ein Not-Spital eingerichtet
PID

Wie die aktuelle Lage ist
Im Jahr 2024 haben wahrscheinlich die allermeisten von uns eine sogenannte Hybrid-Immunität aufgebaut. Sie sind einerseits geimpft, manche nicht, aber viele haben auch die Infektion schon mehrmals durchlaufen. Damit haben wir eine relativ gute Immunantwort aufgebaut. Das hat dem Virus zum großen Teil den Schrecken genommen.

Ob die Pandemie vorbei ist
Das ist eine Definitionssache. Das Virus ist da, das wird bleiben. Aber ich denke, dieses Gefährdungspotenzial auf gesellschaftlicher Ebene, die hohen Infektionszahlen, die hohe Anzahl an schweren Erkrankungen, die dazu führen, dass unser Gesundheitssystem nicht mehr damit zurechtkommt, das ist nicht mehr gegeben. Ich würde sagen, zumindest seit ein-, eineinhalb Jahren.

Was als Risiko geblieben ist
Die sogenannten Vulnerablen haben nach wie vor ein erhöhtes Risiko, schwerer zu erkranken. Für diese Gruppe ist eine Impfung nach wie vor überlegenswert. Das andere Thema ist sicherlich Long Covid, das auch noch nicht wirklich verschwunden ist.

Ein Bild, das um die Welt ging: Der Wiener Primar Christoph Wenisch erhielt als einer der Ersten eine Covid-Impfung
Ein Bild, das um die Welt ging: Der Wiener Primar Christoph Wenisch erhielt als einer der Ersten eine Covid-Impfung
Denise Auer

Ob wir heuer eine Sommerwelle bekommen
Ja, wenn wir zurückschauen, im Juli 2022 hatten wir auch eine recht hohe Sommerwelle, im Juli 2023 war es flach. Wir haben unglaublich viel in der Forschung zu Covid-19 gemacht, aber manche Sachen verstehen wir immer noch nicht. Es wäre zu erwarten, dass respiratorische Erkrankungen normalerweise eher in der kälteren Jahreszeit vorkommen. Bei Covid haben wir in der Vergangenheit gesehen, dass es auch zu Sommerwellen kommen kann.

Wie übel die Sommerwelle wird
Die wesentliche Frage ist, ob man erkrankt, klinische Symptome zeigt. Wir wissen, dass die aktuellen Varianten unserer Immunantwort wieder ein Stück weit entkommen, das nennt man Immunflucht. Aber es gibt keine Anhaltspunkte, dass die aktuellen Varianten uns kränker machen. Es haben sich auch die Symptome nicht geändert. Ich erwarte auch nicht, dass es zu einer Welle von sehr vielen schwer Erkrankten kommt.

Was man über die neuen Omikron-Varianten, KP.2 und KP.3 weiß
Wir haben es seit Winter 2021 ausschließlich mit Omikron-Varianten zu tun. Man muss sich das vorstellen wie bei einem Baum, der sich immer mehr verästelt. KP.3 ist mittlerweile in Österreich die dominante Variante, Mitte Juni hatte die Variante einen Anteil von 40 Prozent. Es wiederholt sich. Die neue Variante entkommt unserer Immunantwort ein bisschen besser. Das ist wahrscheinlich einer der Treiber für die derzeitige Infektionswelle.

Impfpflicht: "Die Diskussion darüber war sicherlich kein Erfolgsprodukt"
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Helmut Graf

Ob er empfiehlt, wieder Masken zu tragen
Wir sind, was die Immunität betrifft, mittlerweile in einer veränderten Lage. Wir haben nicht mehr dieses gesellschaftliche Gefährdungspotenzial und das bedeutet, dass es in der Verantwortung, in der Selbstermächtigung jedes Einzelnen liegt. Ich finde es gut, dass wir nicht jedem vorschreiben, was er genau zu tun hat. Andererseits ist es gut, schon vernünftig zu sein, wenn man eine betagte Person ist, eine Reihe von Vorerkrankungen hat. Wie schütze ich mich selber, wie schütze ich den anderen? Es macht Sinn, die Bevölkerung zu informieren, damit letztlich dann jeder selber einschätzen kann: Welche Maßnahme, sei es die Maske, sei es die Boosterimpfung, möchte ich ergreifen?

Ob er im privaten Kreis noch Abstand halten und häufiges Händewaschen empfiehlt
Ich sehe das relativ entspannt, um ehrlich zu sein. Ich würde nicht behaupten, dass SARS-CoV-2 sich schon in jeglicher Hinsicht genauso wie eine Grippe verhält, aber es geht darum, eine gute Balance zu finden. Wenn wir uns mit gar nichts anstecken wollen, müssen wir uns einsperren.

Ob ich mich jetzt impfen lassen sollte
Die derzeitigen Impfstoffe basieren auf der Variante XBB.1.5, das ist eine Omikron-Variante, die vor JN.1 dominant war. Was wir wissen, ist, dass die JN.1-Variante und die Flirt-Variante der Immunantwort, die von der Impfung induziert wird, ein Stück weit besser entkommen können. Aber im Menschen ist das komplexer als in der Petrischale. Es gibt Hinweise, dass die derzeitigen Impfstoffe helfen.

Andreas Bergthaler ist  Virologe und Immunologe an der MedUni Wien
Andreas Bergthaler ist Virologe und Immunologe an der MedUni Wien
CeMM

Ob man mit der Impfung bis Herbst warten sollte
Man darf erwarten, dass im Herbst neue Impfstoffe vorliegen, basierend auf den aktuellen Varianten. Ich halte mich immer zurück mit konkreten Impfempfehlungen, aber ich glaube, es spricht nichts dagegen, die aktuellen Impfstoffe zu verwenden und es wird in ein paar Monaten upgedatete Impfstoffe geben.

Ob die Covid-Impfung für ihn ein Erfolgsprodukt war
Ja, das werden nicht wenige so nicht hören und akzeptieren wollen, aber aus wissenschaftlich-medizinischer Sicht ist es überraschend und unglaublich, wie schnell wir relativ effektive Impfstoffe hatten. Eine Impfung schützt nie zu 100 Prozent. Das war zumindest jedem Biologen davor schon klar. Es gibt auch nicht so viele Impfungen, die eine sogenannte sterile Immunität hervorrufen, das heißt, eine Infektion komplett unterbinden. Es war 2020 völlig unklar, wie die Impfstoffe dahingehend wirken. Und danach war die Erwartungshaltung übertrieben, dass man, wenn man geimpft ist, nicht mehr angesteckt werden kann.

Was er von der Impflicht hielt und hält
Die Diskussion darüber war sicherlich kein Erfolgsprodukt. Ich habe das schon 2021 kritisch gesehen. Mein Standpunkt war immer, ich bin eher dafür, dass man Leute informiert und sie quasi selbst ermächtigt, als ihnen etwas aufzuzwingen.

Für wie gefährlich er die Vogelgrippe hält
Eine neue Pandemie ist da jetzt erst einmal nicht zu sehen, aber man könnte sagen, dass das ein bisschen angerichtet ist. Wenn noch ein paar Zutaten dazu kommen, könnte das die Vorstufe sein für eine Pandemie. Bis vor kurzem waren nur vier Infektionen von der Kuh auf den Menschen bestätigt und alle hatten relativ milde Symptome.

Ob Österreich auf eine neue Pandemie besser vorbereitet wäre
Schwierig zu sagen. Ich hoffe, dass wir in den letzten Jahren einiges gelernt haben.

Uhr
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