Action-feuerwerk
"The Fall Guy": Keiner ist so cool wie Colt
Im Remake der 80er-Serie "Ein Colt für alle Fälle" spielt Ryan Gosling dem Stuntman Colt Seavers. Nostalgiker kommen nur bedingt auf ihre Kosten, Action-Fans umso mehr. Jetzt im Kino.
Film zu Serie, Serie zu Serie, Film zu Film oder Serie zu Film – Hollywoods Remake-Repertoire ist nahezu unerschöpflich und die Möglichkeiten, was man in welcher Form wieder aufleben lässt, sind vielfältig. Aktuellstes Beispiel für den Hunger der Filmmetropole nach bewährten Stoffen im neuen Outfit ist der Actioner "The Fall Guy" mit Ryan Gosling. Der Film ist – ein bisschen – ein Remake der 80er-Jahre-Serie "Ein Colt für alle Fälle", aber vor allem ein Action-Feuerwerk erster Güte, das sich nicht weniger zum Ziel gesetzt hat, als das Stuntman-Handwerk ins Rampenlicht zu stellen und gebührend zu feiern.
Darum geht es in "The Fall Guy" Colt Seavers (Ryan Gosling) ist das Stunt-Double des Action-Stars Tom Ryder (Aaron Taylor-Johnson, von dem bis jetzt unklar ist, ob er neuer 007 wird oder nicht) und soll ihn bei einem Filmdreh in Australien, den Seavers' Ex-Freundin Jody (Emily Blunt) als Regisseurin leitet, doublen. Doch dort angekommen, ist Tom Ryder auf einmal verschwunden und Colt muss ihn möglichst rasch wiederfinden, um erstens den Film seiner Ex (die er natürlich immer noch liebt) zu retten und zweitens seine eigene berufliche Zukunft nicht zu gefährden. Dabei kommt der Stuntman einer fiesen Verschwörung auf die Spur …
Alter Name, neuer Plot Mit der ursprünglichen Idee der Serie "Ein Colt für alle Fälle" (im US-Original "The Fall Guy", 1981 bis 1986), die im deutschsprachigen Raum ab 1983 im Fernsehen lief und rasch eine riesige Fangemeinde fand, hat das außer dem Namen des Hauptdarstellers nicht mehr viel gemein. Denn der von Lee Majors (Ex-Mann von "Charlies Engel" Farrah Fawcett-Majors) dargestellte Stuntman Colt Seavers musste darin neben seinen Jobs beim Film für ein Kautionsbüro flüchtige Mandanten aufspüren und zurückholen. Unterstützt wurde er dabei von seinem Cousin Howie und seiner Assistentin Jody (Heather Thomas).
Nostalgie (fast) Fehlanzeige Doch von all diesen Handlungsfäden fehlt im neuen Film jede Spur. Es gibt, neben dem Titel und dem Namen des Protagonisten, nur zwei Elemente, die ein bisschen Nostalgie aufkommen lassen: Einerseits die Musik – US-Country-Superstar Blake Shelton steuert eine zeitgemäße Version des damaligen Serien-Titelsongs "The Unknown Stuntman" bei, die seinerzeit Hauptdarsteller Lee Majors selbst gesungen hat.
Hollywood-Veteranen Und der mittlerweile 85-jährige Majors und Heather Thomas haben im Film einen kurzen Cameo-Auftritt als Polizisten – ein beliebter Move bei US-Remakes, der etwa auch bei "Starsky & Hutch" mit Ben Stiller und Owen Wilson gut funktioniert hat, als die beiden "Ur-Cops" (Paul Michael Glaser und David Soul) am Ende des Films ihren modernen Epigonen ihr schnittiges Auto verkaufen.
Ex-Stuntman als Regisseur Aber Nostalgie hin, Cameos her, der neue Film punktet vor allem mit seinen teils sagenhaften Actionszenen, bei denen auf computergestützte Bilder verzichtet wurde und für die sich die Stars (oder ihre Stuntleute) noch ganz altmodisch in Lebensgefahr brachten, um spektakuläre Aufnahmen zu ermöglichen. Man sieht "The Fall Guy" vom ersten Moment an, dass Regisseur David Leitch früher selbst als Stuntman und -koordinator tätig war (u.a. für die Jason-Bourne-Reihe), ehe er in den Regiestuhl wechselte und einschlägige Genre-Perlen wie "John Wick", "Atomic Blonde", "Deadpool 2" oder "Bullet Train" inszenierte.
State of the Art-Action … Entsprechend großer Wert wurde auf die Stuntsequenzen in "The Fall Guy" gelegt. "Mit dem Film ehre ich meine Wurzeln als Stuntdarsteller", so Regisseur David Leitch. "Wir wollten Action liefern, indem wir Techniken verwenden, die inzwischen so etwas wie eine verlorene Kunst sind", so der Regisseur. Worauf er anspielt: Das Überhandnehmen von von CGI-Bildern (Computer Generated Images, also Bilder, die am Computer erzeugt worden sind) in immer mehr Produktionen. Dem wollte der Stunt-Experte etwas entgegenhalten.
… und ein Weltrekord Das ist eindrucksvoll gelungen. Bei "The Fall Guy" spürt man in jeder Einstellung, dass hier echte Geschwindigkeit für Dynamik sorgt und die Stuntleute wirklich all das gemacht haben, was man auf der Leinwand sieht. Höhepunkt: Ein spektakulärer Auto-Überschlag an einem Strand bei Sydney. Diese "Cannon Roll" gehört zu den ältesten Stunt-Tricks im Filmgeschäft. Dabei wird bei einer gewissen Geschwindigkeit eine kanonenähnliche Vorrichtung am Unterboden des Wagens Richtung Fahrbahn abgefeuert, um das Fahrzeug auszuhebeln und in eine Reihe von Überschlägen zu bringen. Bei "The Fall Guy" schaffte Stuntman Logan Holladay insgesamt achteinhalb Überschläge, was einen neuen Weltrekord darstellt, der mittlerweile auch anerkannt worden ist.
Hollywoods Darling Das Tsching-Bumm-Donnerwetter wird wahrscheinlich vor allem die Buben im Publikum ansprechen, während die Mädchen möglicherweise mehr auf Ryan Gosling in der Rolle des Colt Seavers reflektieren werden. Dem 43-jährigen Kanadier ist geglückt, was nur wenige Schauspieler schaffen: Er ist attraktiv UND klug UND ein Kassenmagnet. Deshalb wird Gosling mittlerweile auch als jemand gesehen, der so gut wie jede Rolle annehmen und dennoch immer glaubwürdig agieren kann. Und weil er das auch selber längst erkannt hat, gehört er heute zu den experimentierfreudigsten und wandlungsfähigsten Stars Hollywoods.
Von Barbies Ken bis zu Neil Armstrong Ryan Gosling hat keine Scheu davor, auch auf den ersten Blick unpassende Rollen anzunehmen – und er hat dabei meist den richtigen Riecher. Als blondgefärbter Plastikboy Ken im grellrosa 2023er-Sommerhit "Barbie" war er ebenso überzeugend wie als Astronaut Neil Armstrong in "Aufbruch zum Mond" (2018). In "Drive" (2011) spielte er einen Stuntfahrer (sic!), der nebenbei Fluchtfahrzeuge bei Überfällen steuert, in "Das perfekte Verbrechen" (2007) legt er als Staatsanwalt den Mörder Anthony Hopkins herein und in "La-La-Land" singt und tanzt Gosling mit Emma Stone im Stile eines Vierzigerjahre-Musicals. Und immer ist Gosling in seiner Rolle überzeugend und wahnsinnig lässig.
Fazit: "The Fall Guy" ist lässige, kurzweilige Unterhaltung mit einem extra-coolen Ryan Gosling, tollen Stunts und einem exzellenten Soundtrack, kurz: Unkomplizierte Kinounterhaltung wie vor 30 Jahren, allerdings mit der Technik von heute. Empfehlenswert!
"The Fall Guy", USA 2024, 126 Minuten, ab 30. April im Kino