app droht bann
TikTok-Aufstand: Wieso US-Politiker ihr Handy ausschalten mussten
Der US-Kongress berät über ein "Verbot" für TikTok. Also riefen die Betreiber der App ihre Nutzer zum Telefon-Protest auf. Was dann los war.
Am Ende ging der Schuss nach hinten los. 50 zu 0, mit diesem Ergebnis stimmte der "Energie- und Handelsausschuss" des US-Repräsentantenhauses für den Gesetzesentwurf. Ein Ende für TikTok in den USA rückt näher.
Rufen Sie Ihren Politiker an! Donnerstag dieser Woche. Plötzlich wird Benutzern in den gesamten USA auf ihrer TikTok-App eine Nachricht angezeigt. Im Vollbild, weiße Schrift auf schwarzem Grund. "Lassen Sie den Kongress wissen, was TikTok für Sie bedeutet, und sagen Sie den Abgeordneten, dass sie mit NEIN stimmen sollen", ist auf dem Bildschirm zu lesen. Darüber liegt eine rote Schaltfläche: "Jetzt anrufen"! TikTok hat in den USA 170 Millionen Abonnenten.
Wie beim Schul-Massaker Über ein Pop-up-Fenster werden die User nach ihrer Postleitzahl gefragt. Wer die Ziffern eingetippt hat, erhält die Namen der Kongress-Abgeordneten aus seinem Bezirk ausgespuckt. Samt Telefonnummer. Offenbar ein neuer Trend. Nach demselben System hatten zuletzt die Eltern eines bei einem Schul-Massaker ermordeten Buben versucht, Menschen für den Kampf um strengere Waffengesetze zu mobilisieren (Newsflix berichtete hier). TikTok sammelt, wie andere Social-Media-Apps auch, über ihre IP-Adressen Informationen über die groben Standorte der Benutzer, verwendet aber keine genaueren GPS-Daten.
TikTok ließ es an diesem Donnerstag nicht bei einem schwarzen Screen bewenden. Die App schickte ihren Benutzern auch eine Push-Benachrichtigung, in der es hieß: "TikTok läuft Gefahr, aus den USA verbannt zu werden. Rufen Sie jetzt Ihren Vertreter an."
Die Folgen waren massiv Handys überall im Land begannen zu klingeln. Die Telefonleitungen einiger Kongressbüros gingen in die Knie. Abgeordnete wurden mit Fragen bombardiert, viele schalteten nach einiger Zeit ihre Smartphones ab. Die Kampagne von TikTok hatte eine kleine Armee mobilisiert. Die Informationen über die Anrufer waren widersprüchlich. Einige sprachen davon, ausschließlich von jungen Leute kontaktiert worden zu sein, andere wiederum, dass alles dabei gewesen sei, vom Teenager bis zu Senior.
Worum es eigentlich geht Der US-Kongress berät derzeit über einen Gesetzesentwurf. Er soll TikTok-Eigentümer ByteDance zwingen, die App zu verkaufen. Andernfalls werde der Dienst aus den USA verbannt, weil es eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstelle, so die Unterstützer. Die chinesische Regierung könne ByteDance zwingen, Tiktok für Spionage zu nutzen oder um die öffentliche Meinung zu manipulieren. Die erste Hürde wurde am Donnerstag genommen. Der "Energie- und Handelsausschuss" stimmte mit 50 zu 0 Stimmen für den Gesetzentwurf. Wird er tatsächlich im Repräsentantenhaus und im Senat verabschiedet und von Präsident Biden in Kraft gesetzt, dann verschwindet TikTok irgendwann aus den App-Stores in den USA. Außer der jetzige Besitzer gibt das Unternehmen her.
Wem TikTok gehört Die Betreiber von TikTok weisen Bedenken zurück, wonach chinesische Behörden über den Dienst Daten abgreifen könnten. Die Muttergesellschaft ByteDance – tatsächlich eine chinesische Gründung – sei inzwischen zu 60 Prozent im Besitz westlicher Investoren (wie "Blackrock", "General Atlantic" und "Susquehanna International Group"), zu 20 Prozent im Besitz der Unternehmensgründer und zu 20 Prozent im Besitz seiner Mitarbeiter – darunter über mehr 7.000 Amerikaner. Der Firmensitz liege auf den Cayman-Inseln in der Karibik.
Aber: Kritiker kontern TikTok werde weiter von Chinas Kommunisten kontrolliert, in Wahrheit werde in Peking entschieden, welche Videos online gehen und welche zu löschen sind. TikTok sei ein Progpaganda-Organ, ein Manipulator, eine Fake News-Schleuder.
TikTok klagte – und gewann Diese Vorwürfe gibt es weltwelt und das schon länger. In den USA fand 2023 eine heftige Anhörung vor dem US-Kongress statt, Unis verbannten die App. Manche US-Bundesstaaten verboten Mitarbeitenden, TikTok auf ihren Diensthandys zu nutzen, EU-Kommission und EU-Parlament schlossen sich an. Der US-Bundesstaat Montana verbot im April des vergangenen Jahres TikTok. Sowohl die Betreiber des Dienstes, als auch Nutzer reichten dagegen Klage ein - mit Erfolg.
Trump dafür und dagegen Der Streit hat inzwischen auch den US-Wahlkampf erreicht – mit reichlich verwirrenden Folgen. Im "Energie- und Handelsausschuss" des Kongresses stimmten Republikaner und Demokraten für einen Bann. Der republikanische Ex-Präsident Donald Trump war in seiner ersten Amtszeit für einen Bann, nun ist er dagegen. Der demokratische Präsident Joe Biden ist dafür.
Und Österreich? Klassische Lösung Hier wurde die Nutzung von TikTok auf Diensthandys im öffentlichen Dienst verboten, das gilt auch für Regierungsmitglieder. Also wichen die Betroffenen auf ihr privates Smartphone aus – oder auf Handys der Pressesprecher.