Trumps große Show: So feierte Notre-Dame Auferstehung

Er ist noch gar nicht im Amt, aber schon der Star in der Manege. Als Paris am Samstag zum Kopfbahnhof für die Polit-Prominenz der Welt wurde, stand Donald Trump im Zentrum aller Aufmerksamkeit. Sichtbarer Höhepunkt: Während der Zeremonie saß Trump in der ersten Reihe, vor allen anderen Geladenen.

Beförderung für Trump Den Platz hatte er Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu verdanken. Vom Protokoll her hätte Trump in den hinteren Reihen sitzen müssen, er wird formal ja erst mit 20. Jänner US-Präsident. Aber sein künftiger Amtskollege Macron verpasste ihm ein Upgrade.

Ein Lichtschein für Macron … Der kann ein wenig Aufmunterung gerade gut gebrauchen. Innenpolitisch läuft es in der Grande Nation nach dem Sturz der aktuellen Regierung vor wenigen Tagen eher unrund, es gibt in Frankreich auch Stimmen, die meinen, Macron selbst sollte zurücktreten, um das politische Vakuum im Parlament aufzubrechen. Das schlägt aufs Gemüt.

… und Frankreich Die feierliche Wiedereröffnung der bei einem verheerenden Feuer 2019 massiv beschädigten Kathedrale kommt da gerade zur rechten Zeit. Es ist nach den Olympischen Sommerspielen heuer bereits das zweite Ereignis von Weltrang, das in der französischen Kapitale über die Bühne geht. Und es wird das sportliche Messen der Nationen an Feierlichkeit locker überbieten. Denn Notre-Dame ist nicht nur die wichtigste Kirche Frankreichs, sondern eine der bedeutendsten Kathedralen der Welt.

Der Papst hat leider abgesagt Seine Heiligkeit stand naturgemäß ganz oben auf der Einladungsliste des Elyssée-Palastes für die Wiedereröffnungsfeier der Pariser Kathedrale Notre-Dame am 7. und 8. Dezember. Aber nach langem hin und her kam aus Rom schließlich eine Absage. Der Pariser Erzbischof verlas eine Botschaft von Franziskus.

Aus dem Kirchentreffen wurde ein Polit-Gipfel Trump traf bei seiner Rückkehr auf die Weltbühne den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski im Élysée-Palast. In der Residenz des britischen Botschafters plauderte er mit Großbritanniens Thronfolger Prinz William. "Er macht einen fantastischen Job", sagte Trump danach. In der Kathedrale unterhielt er sich mit First Lady Jill Biden.

Nehammer in Paris Österreichs Kanzler nahm an der Zeremonie der Wiedereröffnung teil. Er war mit Ehefrau Katharina nach Paris geflogen, traf sich am Rand ebenfalls mit Selenski,

So lief die Wiedereröffnung

Samstag, 7. Dezember: Feier im Regen
Um 17 Uhr begannen die Feierlichkeiten vor der Kirche. Zunächst hielt Präsident Emmanuel Macron vor hunderten geladenen Gästen eine Ansprache und ließ dabei auch Revue passieren lassen, welche Mühen nötig waren, um die Kirche in so kurzer Zeit neu aufzubauen.

Im Anschluss daran fand eine liturgische Zeremonie statt, bei der der Erzbischof von Paris, Laurent Ulrich, symbolisch den Wiedereinzug der katholischen Kirche in Notre-Dame zelebrierte. Darauf folgt ein katholischer Wiedereröffnungs-Gottesdienst.

Ab 21 Uhr sollte schließlich ein Konzert vor der Kathedrale stattfinden. Das Wetter machte einen Strich durch die Rechnung.

Welche Gäste waren bei der Eröffnungsfeier?
Neben dem zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump, reisten etwa 40 Staatschefs aus aller Welt an.

Und wer sollte bei dem Konzert auftreten?
Zahlreiche Größen der Klassik-Welt wie die Pianisten Khatia Buniatishvili und Lang Lang oder der Cellist Yo-Yo Ma. Das französische Radio-Philharmonieorchester wird unter der Leitung von Gustavo Dudamel spielen. Den zeitgenössischen Part bestreiten werden US-Superstar Pharrell Williams oder die Singer-Songwriterin Angélique Kidjo.

Aber: Weil für Paris schwere Regenfälle angesagt waren, musste die Show voraufgezeichnet werden.

Waren vor Ort Zuschauer erlaubt?
Obwohl die Kathedrale weiträumig abgesperrt und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich war, wurden mit Abstand Besucher-Zonen eingerichtet, in denen bis zu 40.000 Menschen dem Geschehen in und vor der Kathedrale auf Großbildschirmen folgen können. Sie konnten auch die animierten Lichtprojektionen verfolgen, die Notre-Dame während des Konzerts in bunte Farben tauchten.

Wo kann man die Eröffnung nachsehen?
Der französische Sender France TV zeigte die gesamte Zeremonie live. Auf Youtube übertrug ebenfalls zahlreiche Medien die Feier per Livestream, etwa "Spiegel TV", "CNN", "Sky" oder "Associated Press".

Sonntag, 8. Dezember
Der zweite Advent-Sonntag war heuer zufällig auch der katholische Feiertag Mariä Empfängnis. Ab 10 Uhr fand der erste reguläre Gottesdienst in Notre-Dame statt, im Zuge dessen auch der neue Altar eingeweiht wurde. Staatspräsident Macron nahm auch an dieser Messe teil. Dieser Gottesdienst wurde u.a. auch live in ORF 2 übertragen.

Ab 17.30 Uhr wird Notre-Dame schließlich wieder für alle Menschen geöffnet.

Ab Montag, 9.Dezember
In der ersten Woche nach der Eröffnung wird Notre-Dame täglich von 8 bis 22 Uhr geöffnet haben, um dem erwarteten Besucher-Ansturm Herr zu werden. Die Termine sind aber bereits "ausgebucht".

Was man über die Wiedereröffnung von Notre-Dame wissen muss

Worum geht es konkret?
Um die Wiedereröffnung der Kathedrale von Notre-Dame im Zentrum von Paris. In der war im April 2019 ein Brand ausgebrochen, der den gesamten Dachstuhl des Gebäudes zu Einsturz brachte. In einer vielbeachteten Rede hatte Präsident Macron nur einen Tag nach dem Feuer angekündigt, dass die Kathedrale "innerhalb von 5 Jahren" wieder aufgebaut sein werde, und das "schöner als zuvor". Entsprechend groß war Macrons Ehrgeiz, den ambitionierten Sanierungsplan fristgerecht durchzuziehen und als Macher dazustehen.

Und ist das gelungen?
Es sieht jedenfalls sehr danach aus. Bei einem Besuch zwei Wochen vor der feierlichen Eröffnung konnte der Präsident ein strahlend helles und mustergültig sauberes Gotteshaus bewundern, quasi eine Hochglanz-Kathedrale. So gepflegt und adrett sah das Bauwerk vermutlich überhaupt noch nie in seiner knapp 900-jährigen Geschichte aus. Und es wurde nicht nur renoviert, sondern auch dort und da sanft modernisiert – gerade das war dem Präsidenten auch ein großes Anliegen.

Sind fünfeinhalb Jahre Bauzeit nicht ohnedies sehr viel?
Das kommt immer darauf an, was man baut bzw. renoviert. Für eine mittelalterliche Kathedrale, deren Errichtung mehr als 180 Jahre lang dauerte, ist das gar nichts. Dazu kommt: Die ersten beiden Jahre nach dem Brand wurde vor allem Schutt weggeräumt, erhalten Gebliebenes gesäubert und geforscht. Der wirkliche Neubau der beschädigten Abschnitte begann erst im September 2021.

Und ab wann kann man die Kirche wieder besuchen?
Seit Montag, dem 9. Dezember, ist Notre-Dame wieder für alle Besucher geöffnet. Besucher sollten sich vorher online für ein Zeitfenster anmelden, aber es werde immer auch eine Schlange für unangemeldete Besucher geben, teilte die Diözese mit. Eine neue App, die verschiedene Besucherparcours für Pilger, Kulturinteressierte oder Familien vorschlägt, soll ab Anfang Dezember verfügbar sein.

Weshalb sollte Macron am 7. Dezember eigentlich vor und nicht in der Kirche sprechen?
Weil die Trennung zwischen Kirche und Staat in Frankreich etwas rigider gehandhabt wird als in den meisten anderen europäischen Ländern. Kirche ist in Frankreich strikte Privatsache, die Politik macht davor halt.

Und gleichzeitig ist Macron oberster Bauherr in Notre-Dame?
Ja, weil im Gesetz über die Trennung von Kirche und Staat aus dem Jahr 1905 festgehalten ist, dass der Staat Eigentümer aller Kirchen ist, die bis dahin errichtet wurden. Und deshalb muss er sich auch um deren Erhalt kümmern.

Das heißt, der Staat hat auch die komplette Renovierung bezahlt?
Nein, das war nicht nötig. Unmittelbar nach der Renovierung langten zahlreiche Spendenzusagen von Unternehmen und Privatpersonen ein. So erklärten etwa die Familien Arnault (Luxusgüterkonzern LVMH) und Bettencourt (L'Oreal), jeweils 200 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, die Familie Pinault (Luxusgüterkonzern Kering) wollte 100 Millionen spenden. Insgesamt gab es schon einen Tag nach dem Feuer Spendenzusagen über 900 Millionen Euro für den Wiederaufbau.

Und das wurde auch alles ausgegeben?
Nein, man geht davon aus, dass alle Arbeiten an Notre-Dame bisher etwa 700 Millionen Euro gekostet haben.

Wie viele Menschen waren am Wiederaufbau beteiligt?
Es waren etwa 2.000 Menschen, die direkt am Wiederaufbau der Kathedrale gearbeitet haben. Ihnen zu danken war auch eines der Ziele bei Präsident Macrons letztem "Baustellenbesuch". Er sprach dabei zu mehr als 1.300 Menschen, unter ihnen zahlreiche Handwerker, aber auch Feuerwehrleute, die seinerzeit an den Löscharbeiten beteiligt gewesen sind, sowie Geldgebern für den Wiederaufbau.

Wie sieht denn Notre-Dame nun aus? Hat sich etwas geändert?
Vor allem ist die Kirche extrem viel heller und wirkt dadurch auch ungleich freundlicher als zuvor. Das liegt primär daran, dass der Schmutz von vielen hundert Jahren (und dem Feuer) entfernt worden ist. Die Schmutzschicht an den Wänden war, so berichten Restaurateure, einen guten halben Zentimeter dick und wurde mit flüssigem Latex entfernt, ein bisschen wie bei Peeling-Strips fürs Gesicht. Außerdem wurden auch sämtliche Statuen und Möbel, die das Feuer "überlebt" haben, aufwändig gesäubert.

Ist beim Feuer vieles zerstört worden?
Von der baulichen Substanz vor allem der gesamte hölzerne Dachstuhl aus dem 12. Jahrhundert sowie der am Treffpunkt von Längs- und Querschiff sitzende sogenannte "Vierungsturm", der aufgrund seiner Form in Paris Flèche, also Pfeil genannt wurde. Er stammte aus dem 19. Jahrhundert, da der ursprüngliche Turm bereits einmal eingestürzt war, allerdings ohne Zutun eines Feuers. Die ins Kirchenschiff herabstürzenden Trümmer beschädigten unter anderem auch den Altar und das große Taufbecken.

Und was wurde jetzt modernisiert?
Der Wiederaufbau des Dachstuhls und des Vierungsturmes wurde originalgetreu umgesetzt. Der Dachstuhl ist wieder aus Eichenholz ohne metallische Hilfsmittel wie Nägel oder Schrauben, insgesamt wurden dafür etwa 2.000 Bäume aus mehreren Wäldern verwendet. Für die Handwerker war es dabei eine große Herausforderung, die alten Bautechniken zu kopieren. Der Altar, das Taufbecken sowie der Reliquien-Schrein für die Dornenkrone Christi wurden komplett neu gestaltet.

Wie, Dornenkrone?
Seit dem 13. Jahrhundert befindet sich eine Reliquie, nämlich die angebliche Dornenkrone, die Christus bei der Kreuzigung getragen haben soll, in Paris. Zunächst war diese in der Saint Chapelle verwahrt, doch Napoleon ließ sie schließlich nach Notre-Dame bringen, wo sie auch das Feuer unbeschadet überstanden hat. Ihr wurde nun ein ganz neuer Reliquien-Schrein errichtet.

Und Präsident Macrons Modernisierungswünsche?
Altar, Taufbecken und Schrein wirken ohnedies recht modern. Der Präsident hatte jedoch auch vorgeschlagen, den neuen Vierungsturm moderner zu gestalten, was in Frankreich nur wenig Zustimmung fand. Traditionalisten waren grundsätzlich gegen jede Art von Modernisierung, Bau-Experten machten darauf aufmerksam, dass die Konstruktion des Dachstuhls keine schwereren Aufbauten zulasse. Und einen anderen Dachstuhl, etwa aus Stahl, hätte wiederum das Mauerwerk nicht getragen ohne zusätzliche Stützungsmaßnahmen. Ehe es uferlos wurde, macht Macron schließlich einen Rückzieher.

Und sonst?
Der Präsident hat auch angeregt, einige der Kirchenfenster, die durch das Feuer zerstört wurden, von zeitgenössischen Künstlern gestalten zu lassen. Diese Idee ist noch nicht vom Tisch, aktuell läuft dazu eine Ausschreibung, entschieden ist aber noch nichts.

Das heißt, die Kirche ist noch gar nicht ganz fertig?
Nein, es sind noch zahlreiche Arbeiten zu verrichten. Auch der Vorplatz der Kirche soll neu gestaltet werden. Und auch die ohnehin anstehende Restaurierung der Apsis und der Strebepfeiler steht noch an, wofür man das übrige Spendengeld verwenden möchte.

Weshalb hatte es der Präsident dann so eilig damit, Notre-Dame zu eröffnen?
Er wollte wohl das Versprechen, dass er dem Land in der ersten Emotion nach dem Brand gegeben hatte, nämlich Notre-Dame binnen fünf Jahren neu und schöner aufzubauen, nicht brechen. Und inzwischen ist für Macron - und wohl auch für Teile Frankreichs – diese Restaurierung so etwas wie ein Symbol für die Leistungsfähigkeit des ganzen Landes geworden. In den Statements dominieren daher auch Hinweise darauf, dass der Neuaufbau von Notre-Dame ein "französischer Erfolg" sei, auf den man zu Recht stolz sein könne.

Gar kein bisschen politischer Eigennutz dahinter?
Dass sich die Fernsehbilder gut machen und dem Präsidenten ein starkes Image verleihen, ist logisch. Andererseits: Macron kann bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2027 nicht nochmals antreten, sondern muss gemäß Verfassung mindestens eine Amtsperiode lang pausieren. Von da her gibt es jedenfalls keinen Boost für den Mann an der Spitze des Staates.

Wird man jetzt in Notre-Dame künftig Eintritt bezahlen müssen?
Das hatte Kulturministerin Rachida Dati angeregt, die Macron bei seinem "Baustellen-Besuch" in der Kathedrale übrigens begleitete. Sie argumentierte, dass sich pro Jahr 75 Millionen Euro einnehmen ließen, wenn jeder Tourist 5 Euro Eintritt bezahlen würde. Dieses Geld wollte die Ministerin in die Erhaltung anderer Gotteshäuser investieren. Doch nach heftiger Kritik vor alle seitens der katholischen Kirche, wurden diese Pläne vorerst wieder ad acta gelegt.

Was wurde während der Renovierung in der Kirche geforscht?
Für Kulturwissenschaftler und Archäologen war das Feuer ein Geschenk. Denn sie konnten jetzt Bereiche der Kathedrale erforschen, die ihnen sonst niemals zugänglich gewesen wären. Und es gab auch einige überraschende Funde und Erkenntnisse. So etwa wurden zwei Bleisärge unter dem Boden des Kirchenschiffs gefunden, von denen bislang niemand etwas wusste. Und auch die mehr als 2.300 Statuen und sonstigen Kunstschätze in der Kirche wurden  komplett erfasst, katalogisiert und gereinigt bzw. restauriert. Der Kultursender ARTE hat über die wissenschaftlichen Erkenntnisse während der Renovierung übrigens eine spannende Dokumentation gedreht (siehe unten).

Und falls es wieder einmal zu einem Feuer kommen sollte?
Hat man nun vorgesorgt. Es wurde ein hochmodernes automatisches Brandlöschsystem installiert, das Flammen mit gekühltem Sprühnebel ersticken soll. Notre-Dame ist bereit für die nächsten 900 Jahre.