Trumps "Paradies": Was auf die USA und die Welt zukommt

Es war eine bezeichnende Szene: Als Donald Trump am Montag knapp vor Mittag die Rotunde im US-Kapitol betrat, zeigte er mit dem Daumen nach oben. Dann blickte er auf die Handvoll Sicherheitspersonal und Mitarbeiter im Raum und sagte: "Ein ganz normaler Tag im Paradies."

Nicht alle in den USA glauben, dass sich ihnen nun die Tore zum Paradies öffnen, aber Proteste blieben am Tag der Angelobung weitgehend aus. Anders als noch vor acht Jahren dominierten Fans von Trump die Straßen in Washington. Sie erlebten einen eisigen Tag und einen neuen Präsidenten, der in aller Kühle ansagt, wohin die Reise nun geht. Das müssen Sie über die Angelobung wissen.

Welche Bilder blieben vom Tag übrig?
Das Outfit von First Lady Melania, das an Jackie Kennedy erinnerte. Der Hut mit der breiten Krempe, der verhinderte, dass ihr Donald nach dem Eid einen Kuss geben konnte – er blieb ein paar Zentimeter vor der Wange unvollendet. Joe Biden, der während der TV-Übertragung ein kleines Nickerchen machte.

Und politisch?
Die Trump-Rede, doppelt so lang wie beim ersten Mal. Von der Tonalität her wie ein Saunagang, ein ständiger Wechsel zwischen Aufguss und Gletscherdusche. Die Sitzordnung mit den Techno-Giganten auf den besten Plätzen. Und natürlich die Ankündigungen der Executive Orders, der Blitzdekrete.

Was fiel bei der Rede auf?
Sie dauerte 29 Minuten, Trump las sie von zwei Telepromptern ab. Er verwendete laut American Presidency Project 2.885 Wörter, vor acht Jahren waren es 1.433. Am längsten redete bei einer Amtseinführung William Henry Harrison 1841. Er brauchte 8.460 Wörter. Trump reihte von der Länge her auf Platz 16 ein.

Das wird Melania begeistert haben, oder?
Wenn, dann war es ihr jedenfalls nicht anzusehen. Sie war der Blickfang des Events, saß in der Rotunde meist versteinert da, stand zum Applaus nicht auf. Die meiste Zeit wirkte sie wie ein Eisblock, den man aus der Kälte nach innen gebracht hatte.

Wie kam ihr Outfit an?
Es wurde von den meisten sehr gelobt. Melania trug einen langen, maßgeschneiderten marineblauen Mantel des US-Designers Adam Lippes, ein Paar marineblaue Wildlederpumps von Manolo Blahnik und schwarze Lederhandschuhe. Der eigentliche Star der Show war ihr marineblauer, breitkrempiger Hut mit weißem Besatz, entworfen von Eric Javits.

Und Usha Vance?
Die Frau des Vizepräsidenten trug einen maßgeschneiderten Kaschmirmantel in Pfingstrosa von Oscar de la Renta, dazu einen Wickelschal und ein knielanges Kleid. Die Lina-Stiefel steuerte Manolo Blahnik bei. Die Männer trugen einfach Männersachen, man kann es nicht anders sagen. Jill Biden setzte ganzkörperlich auf Ralph Lauren.

Wer haute daneben?
Lauren Sanchez, die Verlobte von Amazon-Gründer Jeff Bezos. Sie trug ein weißes Kostüm, unter dessen Jacke ein Spitzenkorsett-BH hervorschaute – ein gewagter Akzent, urteilte der Hollywood Reporter.

Aber zurück zur Politik: Wie begann Trump II?
Vollmundig, schon am Vorabend. Auf einer "Siegeskundgebung" in Washington kündigte Trump für den ersten Tag im Amt eine Flut von Executive Orders an. "Für uns steht Amerika an erster Stelle", rief Trump am Sonntag seinen Tausenden Fans zu. "Sie werden morgen viel Spaß beim Fernsehen haben." Er sagte die Unterzeichnung von mehr als 200 Präsidenten-Dekreten vorher.

Was sind Executive Orders?
Das mächtigste Instrument eines US-Präsidenten. Es handelt sich um schriftliche Befehle an Bundesbeamte oder eine Verwaltungsbehörde, eine bestimmte Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen. Die Dekrete bedürfen keiner Zustimmung des Kongresses, müssen aber auf Basis der Verfassung erlassen werden.

Wie sind Executive Orders in der Verfassung verankert?
Dem Wort nach gar nicht nicht, aber Artikel II wird in ihre Richtung interpretiert. Abschnitt 1 besagt: "Die Exekutivgewalt liegt beim Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika."

Sind Executive Orders öffentlich einsehbar?
Ja, sie werden in aufsteigender Reihenfolge nummeriert und mit "EO XXXXX" abgekürzt. Das Nationalarchiv führt eine Liste der Dekrete aller Präsidenten.

Können Executive Orders gestoppt werden?
Theoretisch ja, sie werden rechtlich geprüft (zumindest die meisten), auch der Kongress kann sie außer Kraft setzen. Der Präsident hat aber immer noch ein Vetorecht.

Das heißt, sie sind unkaputtbar?
Naja, der Präsident selbst oder sein Nachfolger kann sie aufheben. Und sie können gerichtlich angefochten werden.

Wie häufig setzen Präsidenten das Mittel ein?
Joe Biden erließ 160 Executive Orders, Ronald Reagan 381, Bill Clinton 364. Donald Trump kam in seiner ersten Amtszeit auf 220 Präsidenten-Dekrete. Wenn er jetzt 200 erlassen will, hat er sich bald selbst eingeholt.

Welche Executive Orders kommen nun?
Ein wilder Mix aus allen möglichen Bereichen.

Die meisten Dekrete beziehen sich aber auf Migration, oder?
Ja. Trump kündigte die Ausrufung des nationalen Notstandes an der Grenze zu Mexiko an. Die Mauer wird weitergebaut, die Nationalgarde an die Grenze entsandt. Asylverfahren müssen in Mexiko abgewartet werden, die Aufnahme von Flüchtlingen wird radikal eingeschränkt. Clan-Kriminalität wird in Hinkunft behandelt wie Terrorismus.

Will Trump nicht auch die Staatsbürgerschaft durch Geburt abschaffen?
Schon, aber da stößt er an rechtliche Grenzen. Denn: Wer in den USA auf die Welt kommt, erhält automatisch die US-Staatsbürgerschaft. So steht es in der Verfassung.

Wurde nicht auch Razzien angekündigt?
Ja, mit Beginn in Chicago, es sollte Massenrazzien gegen Einwanderer geben. Aber die Pläne wurden verschoben, weil "Einzelheiten an die Medien durchgesickert sind", sagte Trumps "Grenzzar" Tom Homan.

Wie starteten die Trumps am Montag in den Tag?
Sie übernachteten im Blair House, der offizielle Gästeresidenz des Präsidenten. Eine Autokolonne brachte sie ab 8.30 Uhr Ortszeit (14.30 Uhr MEZ) zu einem Gottesdienst in der St. John's Episcopal Curch. An der Messe nahmen auch Sohn Barron, der designierte Vizepräsident JD Vance und seine Frau Usha, die Trump-Kinder Ivanka und Eric und weitere Familienmitglieder teil. Melania hielt bei der Ankunft die Hand ihres Mannes umklammert, wirkte teils regungslos, die tiefe Hutkrempe verdeckte ihre Augen.

Was passierte danach?
Es war Teatime, so ist das Tradition. Die Trumps fuhren ins Weiße Haus zum Tee-Empfang von Joe Biden und First Lady Jill. Um 11.15 Uhr (17.15 Uhr MEZ) trafen Trump und Biden im Kapitol ein, betraten das Gebäude Seite an Seite.

Wie war der letzte Arbeitstag von Joe Biden so?
Voll der Gnade, könnte man sagen. Als eine der letzten Amtshandlungen sprach er mehrere Begnadigungen aus. Sie betrafen den Immunologen Anthony Fauci, der sich in der Pandemie gegen Trump gestellt hatte, den pensionierten General Mark Milley, der Trump einen Faschisten nannte, und Mitglieder des Untersuchungsausschusses im Repräsentantenhaus.

Warum?
Biden kann viel angelastet werden, ein Gottvertrauen an Donald Trump aber hat er nicht. Der hatte gedroht, in seiner zweiten Amtszeit gegen jene vorzugehen, die ihn politisch oder angegriffen hatten. Die Begnadigungen sollen vor "grundlosen und politisch motivierten Ermittlungen" schützen", schrieb Biden. Sie erfolgten präventiv, es gab bisher weder Verurteilungen noch Anklagen.

Biden hatte zuletzt viel begnadigt, oder?
Ja, in der vergangenen Woche 2.500 Drogenkriminelle. Am Sonntag gab es fünf Begnadigungen, eine posthum. Der schwarze Bürgerrechtler Marcus Garvey, der 1940 starb, saß drei Jahre wegen Postraubs im Gefängnis, dürfte aber unschuldig gewesen sein.

Das gilt für seinen Sohn nicht, oder?
Nein! Die Begnadigung von Hunter Biden war die umstrittenste. Er war wegen Verstößen gegen das Waffenrecht verurteilt worden und hatte sich in mehreren Steuerverfahren für schuldig erklärt.

Klappte alles bei der Angelobung?
Trump legte am Montag um 12.04 Uhr Ortszeit (18.04 Uhr bei uns) den Amtseid ab. Alles lief planmäßig. Er war bereits der 45. und wurde jetzt der 47. Präsident der Vereinigten Staaten.

Was war diesmal anders?
Angelobungen finden üblicherweise an der Westfassade des US-Kapitols statt. Diesmal musste die Zeremonie wegen der Kälte in die Rotunde des US-Kapitols verlegt werden. Sie erlangte zuletzt Weltberühmtheit, weil es Trump-Fans bei der Erstürmung am 6. Jänner 2021 gelang, bis dorthin vorzudringen.

Wofür für die Rotunde sonst genutzt?
Für feierliche nationale Zeremonien, vor allem aber werden hier Präsidenten aufgebahrt, Anfang Jänner Jimmy Carter. Die Rotunde ist dem Pantheon in Rom nachempfunden.

Wie viel Platz bietet die Rotunde?
Es gibt nur für etwa 700 Gäste Sitzplätze.

Hatte den Eid bisher jeder fehlerfrei hinbekommen?
Nein, zuletzt gab es bei der Vereidigung von Barack Obama 2009 Probleme. Der Eid wird häppchenweise vorgesprochen, im damaligen Fall machte das John Roberts (es war sein erstes Mal). Der Oberste Richter der USA verhaspelte sich aber, das brachte auch Obama aus dem Tritt. Obama wurde sicherheitshalber am Tag danach im Weißen Haus noch einmal angelobt.

Wer nahm Trump diesmal den Eid ab?
Erneut John Roberts, es war sein fünftes Mal. Rekordhalter ist Richter John Marshall, der neun Angelobungen durchführte. Wie schon beim ersten Mal 2017 hielt Melania Trump die Bibel. Die Tradition geht auf Lyndon B. Johnson (1963 bis 1969) zurück. Er bat seine Frau Lady Bird Johnson (ihr Kindermädchen nannte sie Marienkäfer) als Erster darum.

Warum schwörte Trump auf zwei Bibeln?
Das hielt er bei der ersten Angelobung auch schon so. Eine Bibel bekam er von seiner Mutter 1955 zum Schulabschluss geschenkt. Trumps Name ist im unteren Teil der Vorderseite eingeprägt. Die zweite Bibel wurde von Abraham Lincoln 1861 erstmals benutzt. Das in burgunderfarbenen Samt gebundene Buch ist Teil der Sammlungen der Library of Congress.

Was auffiel?
Trump legte die Hand diesmal nicht auf die Bibeln. Warum, ist unklar. Melania stand daneben wie bestellt und nicht abgeholt und hielt beide Bücher in der Hand.

Wer hatte diesmal die besten Plätze?
Es gab ein dreistufiges System. Hinter Trump saßen die Super-VIPS. Senatoren, Maye, die Mutter von Elon Musk, Tucker Carlson, gefeuerter Fox News-Moderator und Trump-Berater. Und natürlich die neuen Techno-Kumpel von Trump.

Wer davon war anwesend?
Fast alle CEOs kreuzten auf: Shou Zi Chew von TikTok, Sundar Pichai von Google Meta-CEO Mark Zuckerberg, Amazon-Gründer Jeff Bezos, Apple-Boss Tim Cook Elon Musk, Chef von X und Tesla. Es war ein deutliches Signal.

Wie schauten die anderen zu?
Die zweitwichtigste Gruppe saß Trump gegenüber und sprang gefühlt alle zehn Sekunden auf, um zu jubeln und zu applaudieren. In einem vorgelagerten Raum gab es eine Art Public Viewing für Gouverneure, hochrangigen Beamte, Podcaster.

Warum wurde die Angelobung nach innen verlegt?
Weil es in Washington am Montag saukalt war. Trump selbst hatte auf Truth Social darum geben. Dem wurde entsprochen, vor allem auch auf Rücksicht auf das Alter der ehemaligen Präsidenten (und des aktuellen).

Was ist damit gemeint?
Joe Biden ist 82. Witzigerweise sind zwei ehemalige und der neue Präsident gleich alt. Bill Clinton, von 1993 bis 2001 im Amt, George W. Bush, von 2001 bis 2009 Präsident, und Donald Trump sind 78 Jahre alt.

Und wie kalt war es wirklich?
Ziemlich! Minus 5 Grad und ein ekeliger Wind.

Gab es schon einmal eine solche Kälte?
Ja. bisherigen Kälterekord hält Ronald Reagan. 1985 hatte es bei seiner zweiten Angelobung minus 13 Grad. Sie wurde damals ebenfalls ins Kapitol verlegt, die Parade abgesagt.

Wer nahm an der Angelobung teil?
Alle fünf noch lebenden Ex-Präsidenten. Neben Biden, Clinton, Bush und klarerweise Trump auch Barack Obama (63), von 2009 bis 2017 im Amt. Alle kamen mit ihren Ehepartnern, nur Michelle Obama hatte schon davor abgesagt. Dafür kamen alle neun Richter des Obersten Gerichtshofs.

Welche internationalen Politiker waren da?
Italiens Premierministerin Giorgia Meloni, Javier Milei, rechtspopulistischer Präsident Argentiniens. Die Briten entsandten die Zwei-Monate-Premierministerin Liz Truss. Der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson nahm an der Messe teil. Chinas Präsident Xi Jinping schickte seine Vize Han Zheng.

Was ist mit Orbán, Le Pen, Bolsonaro?
Orbán will eine Einladung gehabt haben, sagte aber ab. Der rechte französische Rassemblement National schickte eine Delegation, Marine Le Pen allerdings fehlte. Jair Bolsonaro, der ehemalige Präsident Brasiliens und ebenfalls ein Rechtspopulist, wollte anreisen, doch sein Reisepass war zuvor von der brasilianischen Bundespolizei beschlagnahmt worden.

Wer war aus Österreich dabei?
Die österreichische Botschafterin in den USA, Petra Schneebauer. Die Teilnahme von Staats- und Regierungschef ist eher Ausnahme als Regel. Für die FPÖ reise Abgeordnete Susanne Fürst an. Sie vertrat Herbert Kickl, der eine Einladung erhalten hatte.

Wie war das jetzt mit den Zuschauern?
An die 250.000 Zuschauer hatten Karten. Wegen der Verlegung nach innen fiel das alles ins Eiswasser. Die teuersten Tickets (North/South Standing) waren vorab im Internet für 3.250 Dollar angeboten worden. Vor der Capital One Arena bildeten sich am Montag lange Schlangen. Tausende wollten sich hier die Live-Übertragung der Angelobung anschauen.

Wie viel Polizei war im Einsatz?
Die Rede war von 25.000 Polizisten, dazu mehreren Tausend Nationalgardisten, Sicherheitsleuten. Es gab 48 Kilometer Zaun, die Innenstadt von Washington war für Autos gesperrt. Da der Montag  auf den Martin Luther King Day fiel, einem Feiertag also, war arbeitsfrei.

Was sagte Trump in seiner Rede?
Es war ein wilder Ritt. Er vernichtete die Zeit der Biden-Jahre, malte ein düsteres Bild von Kriminalität und wirtschaftlichem Untergang. Diesem Bild setzte er sich gegenüber. Trump versprach "goldene Jahre" Statt zum Mond werde man zum Mars fliegen (Musk jubelte im Hintergrund). Bezogen auf die Attentate auf ihn sagte er: ""Ich wurde von Gott gerettet, um Amerika wieder groß zu machen". Einmal nannte er sich sogar "Friedensengel".

Wer war der Verlierer der Rede?
Neben den Migranten, die Trump zu Tausenden abschieben will, der Klimaschutz. Er will das Fracking forcieren, wieder schrankenlos nach Öl und Gas bohren lassen ("drill baby, drill"). "Wir werden wieder eine reiche Nation sein, und es ist das flüssige Gold unter unseren Füßen, das uns dabei helfen wird," sagte Trump. Er will E-Fahrzeuge nicht mehr fördern. Jeder soll das Auto seiner Wahl kaufen können.

Wer trat in der Rotunde auf?
Country-Star Carrie Underwood, Siegerin der vierten Staffel von American Idol, sang "America the Beautiful". Der Tenor Christopher Macchio, die Nationalhymne.

Gab es Rahmenveranstaltungen?
Ja, einige,. Etwa drei Bälle, den Commander-in-Chief Ball, den Liberty Inaugural Ball (hier traten die Village People auf) und den Starlight Ball. Trump wollte auf allen drei Bällen eine Rede halten.

Wer zahlte die Sause?
Das Trump-Team sammelte Spenden ein und die flossen reichlich. Die Mitglieder im inoffiziellen "Club der Millionenspender" schossen jeweils eine Million Dollar zu. Darunter die fünf größten Tech-Unternehmen der Welt (Google, Microsoft, Amazon, Meta und OpenAI) aber auch Konzerne aus der Autoindustrie wie Toyota, Ford oder General Motors.

Was hinterließ Joe Biden im Oval Office?
Einen Brief an seinen Nachfolger, so ist das Tradition. Was drinnen steht, wurde noch nicht verraten.