wurde 1945 vernichtet

Verbrannt! So heilte KI zerstörtes Klimt-Gemälde "Medizin"

Das Wiener Belvedere und Google rekonstruierten mit KI-Hilfe die Farbgestaltung von drei der bekanntesten Bilder von Gustav Klimt. Die Originale verbrannten in den letzten Kriegstagen 1945. Jetzt ist eines davon als Fassadengemälde zu bestaunen.

Eine überdimensionale Reproduktion des Gemäldes "Medizin" von Gustav Klimt schmückt seit 13. November die Fassade des Anna Spiegel Forschungsgebäudes am MedUni Campus Wien
Eine überdimensionale Reproduktion des Gemäldes "Medizin" von Gustav Klimt schmückt seit 13. November die Fassade des Anna Spiegel Forschungsgebäudes am MedUni Campus Wien
Helmut Graf
Martin Kubesch
Akt. Uhr
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Dass Künstliche Intelligenz einer der entscheidenden Schlüssel für die Weiterentwicklung der Medizin ist, ist kein Geheimnis. KI hat das Potenzial, unzählige Aspekte des Gesundheitswesens zu verändern, von Diagnostik und Therapie bis hin zur Patientenversorgung und Medikamentenentwicklung. Aber dass KI sogar zu neuem Leben zu erwecken vermag, ist wahrscheinlich auch für die glühendsten Verfechter der Künstlichen Intelligenz ein Novum.

Wien hat es vorgemacht Doch genau das ist jetzt geschehen. Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz wurde in Wien ein vor Jahrzehnten eigentlich unwiederbringlich zerstörtes Gemälde von Maler-Genie Gustav Klimt quasi neu geschaffen. Dass es sich bei diesem Gemälde auch noch um die Allegorie "Medizin" handelt, ist ein schöner Zufall.

Am Mittwoch, dem 13. November, wurde nun eine überdimensionale Reproduktion des Gemäldes auf einer Fassade des Anna Spiegel Forschungsgebäudes am MedUni Campus im Alten AKH feierlich enthüllt. Was Sie dazu wissen müssen:

Worum handelt es sich konkret?
Es geht um das allegorische Klimt-Gemälde "Medizin", dass der Maler um die vorletzte Jahrhundertwende geschaffen hat. Es wurde im Zweiten Weltkrieg restlos zerstört, man hatte nur mehr Schwarzweiß-Fotografien sowie Entwürfe dafür.

Und was ist damit jetzt geschehen?
Das Wiener Belvedere hat gemeinsam mit Experten der Google-Kunstplattform "Arts & Culture" das Gemälde im Rahmen des Projektes "Klimt versus Klimt" mit Hilfe Künstlicher Intelligenz in jenen Farben reproduziert, die der Künstler seinerzeit auch dafür verwendet hat.

Die erhaltene Schwarzweiß-Fotografie von Klimts Allegorie "Medizin" (links oben) und das Ergebnis der Farbreproduktion durch die eigens trainierte KI (rechts unten)
Die erhaltene Schwarzweiß-Fotografie von Klimts Allegorie "Medizin" (links oben) und das Ergebnis der Farbreproduktion durch die eigens trainierte KI (rechts unten)
Österreichische Galerie Belvedere, Wien / Image by GoogleGrafik: SCHIENERL D/AD, Wien

Wie hat man das gemacht?
Indem modernste Technologie für maschinelles Lernen zum Einsatz kam. Diese KI wurde anhand von Datensätzen aus anderen Bildern Gustav Klimts darauf trainiert, die Technik des Malers zu verstehen und anzuwenden. So wurde es möglich, das Gemälde von den vorhandenen Schwarzweiß-Fotos am Computer zu reproduzieren und dann im Stile des Künstlers einzufärben.

Heißt das, es wurde ein neues Bild nach den alten Vorgaben gemalt?
Nein, der Algorithmus hat ein historisches Foto koloriert, und zwar mit Hilfe von Farbangaben, die die Forschenden ihm für bestimmte Motive vorgegeben haben. Dieses wiedererstandene Kunstwerk existiert als Computerdatei und kann als solche in jeder beliebigen Form reproduziert werden.

Das gesamte Fassadengemälde "Medizin" von Gustav Klimt am Anna Spiegel Forschungsgebäude der MedUni Wien
Das gesamte Fassadengemälde "Medizin" von Gustav Klimt am Anna Spiegel Forschungsgebäude der MedUni Wien
Helmut Graf

Und was ist jetzt damit geschehen?
Das Gemälde wurde auf Kunststoffplatten gedruckt, die dann an der Fassade des Anna Spiegel Forschungsgebäudes der MedUni Wien angebracht wurden. So fand das eigentlich vernichtete Gemälde "Medizin" ein zweites Leben als originalgetreue Reproduktion in überdimensionaler Form – passenderweise an einem Gebäude der MedUni Wien.

Und dieses Wandgemälde wurde nun präsentiert?
Richtig, es wurde am 13. November im Beisein von Bürgermeister Michael Ludwig, MedUni-Rektor Markus Müller, Belvedere-Generaldirektorin Stella Rollig und der Vorsitzenden des Universitätsrats der MedUni Wien, Eva Dichand, der Öffentlichkeit vorgestellt.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, MedUni-Rektor Markus Müller, Belvedere-Generaldirektorin Stella Rollig und die Vorsitzende des Universitätsrats der MedUni Wien, Eva Dichand
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, MedUni-Rektor Markus Müller, Belvedere-Generaldirektorin Stella Rollig und die Vorsitzende des Universitätsrats der MedUni Wien, Eva Dichand
Helmut Graf

Was macht dieses Gemälde eigentlich so besonders?
Seine wilde Geschichte. Es war eines von drei monumentalen Werken, mit denen Gustav Klimt im Jahr 1894 beauftragt wurde. Die Gemälde sollten verschiedene Fakultäten der Wiener Universität darstellen, nämlich die "Medizin", die "Jurisprudenz" sowie die "Philosophie". Sein Maler-Kollege Franz Matsch wurde mit weiteren Werken beauftragt. Alle Bilder hätten dann gemeinsam die Decke des Festsaals der damals neu errichteten Universität Wien (die heutige Hauptuni) zieren sollen. Aber es kam ganz anders.

Klimts zweite Allegorie, die "Philosophie", ebenfalls ursprünglich als Deckengemälde für den Festsaal der Hauptuni Wien geschaffen. Auch dieses Gemälde wurde 1945 zerstört und nun von mit Hilfe von KI neu erschaffen
Klimts zweite Allegorie, die "Philosophie", ebenfalls ursprünglich als Deckengemälde für den Festsaal der Hauptuni Wien geschaffen. Auch dieses Gemälde wurde 1945 zerstört und nun von mit Hilfe von KI neu erschaffen
Österreichische Galerie Belvedere, Wien / Image by Google

Was ist geschehen?
Klimts Gemälde stießen bei ihrer Präsentation auf heftige Ablehnung, sowohl in Universitätskreisen, als auch bei den Politikern, die den Maler beauftragt hatten. Man hatte sich eher klassizistische Gemälde mit erhabenen Motiven vorgestellt. Mit den düsteren,  expliziten Darstellungen Klimts konnten die Auftraggeber nichts anfangen. Es kam zum Streit, der so heftig wurde, dass Klimt schließlich im Jahr 1905 seine Gemälde zurückzog, den Honorarvorschuss zurückzahlte und die Gemälde (jedes über 4 Meter hoch) für sich behielt.

Wie ging es weiter?
Es blieb abenteuerlich. Die "Medizin" gelangte 1919 in den Besitz des Belvedere, die anderen beiden Bilder, "Philosophie" und "Jurisprudenz", wurden an das jüdische Ehepaar Lederer, leidenschaftliche Klimt-Sammler, verkauft. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden die Gemälde "arisiert" und konfisziert. Sie wurden 1943 noch einmal alle drei im Rahmen einer Klimt-Retrospektive in der Secession gezeigt und danach, gemeinsam mit anderen Klimt-Gemälden und weiteren Kunstschätzen, in das Schloss Immendorf bei Hollabrunn in Niederösterreich verbracht, um vor den Luftangriffen der Alliierten geschützt zu sein.

Klimts Allegorie "Jurisprudenz", ebenfalls ursprünglich für die Universität Wien geschaffen, 1945 verbrannt und nun als Reproduktion mit KI-Hilfe neu koloriert
Klimts Allegorie "Jurisprudenz", ebenfalls ursprünglich für die Universität Wien geschaffen, 1945 verbrannt und nun als Reproduktion mit KI-Hilfe neu koloriert
Österreichische Galerie Belvedere, Wien / Image by Google

Und was ist dort geschehen?
Im Jahr 1945 kam es zu einem verheerenden Brand, bei dem sämtliche im Schloss eingelagerten Kunstschätze zerstört wurden. Es gibt die Variante, dass SS-Truppen, die sich vor den herannahenden sowjetischen Soldaten zurückzogen, das Schloss und die Kunstwerke anzündeten, damit sie nicht den Bolschewiken in die Hände fallen. Doch es gibt auch Berichte, die eine gänzlich andere Ursache für den Brand annehmen. Letztlich bleibt die Tatsache, dass sämtliche Kunstschätze auf Schloss Immendorf, darunter insgesamt 15 Klimt-Gemälde, verbrannten und auch das Schloss selbst durch das Feuer unwiederbringlich verloren war. es wurde 1955 abgerissen.

Das heißt, von allen drei Klimt-Allegorien blieben nur Fotografien?
Richtig, sowie diverse Skizzen und Entwürfe. Im Jahr 2005 wurden schließlich Schwarzweiß-Reproduktionen der drei Fakultätsgemälde auf Basis der Fotografien angefertigt und sind seither im Festsaal der Universität zu sehen.

Wurden nun neben der "Medizin" auch die beiden anderen Fakultätsbilder am Computer neu koloriert?
Ja, es wurden alle drei Bilder auf Basis anderer Klimt-Gemälde mit KI-Hilfe am Computer originalgetreu eingefärbt.

Klimts berühmtes Gemälde "Freundinnen", auch bekannt als "Wasserschlangen I". Seine Art, echtes Blattgold in seine Bilder zu integrieren, ist einer der Aspekte der Ausstellung "Pigment & Pixel", die am 20. Februar 2025 im Belvedere eröffnet
Klimts berühmtes Gemälde "Freundinnen", auch bekannt als "Wasserschlangen I". Seine Art, echtes Blattgold in seine Bilder zu integrieren, ist einer der Aspekte der Ausstellung "Pigment & Pixel", die am 20. Februar 2025 im Belvedere eröffnet
Foto: Belvedere, Wien

Und könnte man diese drei Farb-Varianten jetzt statt der Schwarzweiß-Reproduktionen in der Uni anbringen?
Ja, das wäre theoretisch möglich. Die Entscheidung darüber, ob das geschehen soll, liegt bei der Universität Wien. Genauso wäre es aber auch möglich, jede andere Form der Reproduktion zu wählen, wie es beim "Medizin"-Gemälde geschehen ist.

Das heißt, die drei rekonstruierten Fakultäts-Gemälde von Klimt existieren nur am Computer?
Richtig.

Und was soll weiter damit geschehen?
Von 20. Februar bis 7. September 2025 wird im Belvedere die Schau "Gustav Klimt | Pigment und Pixel" gezeigt, die sich den rekolorierten Werken Klimts widmen wird. Aber auch die Art, wie Klimt echtes Blattgold für seine späten Werke wie "Judith" oder "Der Kuss"verwendet hat, wird in der Ausstellung thematisiert. Wie es danach mit den "Fakultäts"-Repros weiter geht, wird sich zeigen.

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