Politik-Experte

Wann bekommen wir eine neue Regierung, Herr Hajek?

Wie er die Steiermark-Wahl sieht ("war immer schon ein bisschen anders"), was er von Blau-Rot hält ("fast schon ein Kulturbruch"), wann eine neue Bundesregierung steht (und welche): Meinungsforscher Peter Hajek im Podcast-Interview.

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Die Steiermark hat gewählt und Stoßwellen Richtung Wien geschickt. Dort verhandeln ÖVP, SPÖ und NEOS über eine neue Regierung. Kann das unter diesen Umständen noch klappen? Peter Hayek, Meinungsforscher und Politikexperte analysiert die Lage.
Die wichtigsten Passagen aus dem Podcast-Interview:

Was in der Steiermark passiert ist
Naja, die Steiermark war immer schon ein bisschen anders. Ich meine das auch positiv. Und jetzt ist sie wieder anders. Wobei das gar nicht so neu ist, weil 2015 hat Mario Kunasek schon zum Sprung angesetzt (er erreichte damals 26,8 Prozent).

Also nicht überraschend …
Es ist einiges passiert, man liegt im Trend und trotzdem ist es irgendwie doch überraschend, ja.

Warum die FPÖ in "seiner" Umfrage vor einem Monat 30 Prozent hatte und nun fast 35 Prozent
Für uns stellt sich das anders dar, weil die damalige Umfrage schon die höchste Ausprägung mit 34 Prozent angezeigt hat. Dementsprechend hat sich für uns gar nicht viel verschoben. Jetzt können wir sagen, da hat man nochmals ein bisschen zugelegt. Aber grundsätzlich waren die Trends von vor fünf Wochen schon ziemlich genau eingepreist.

Peter Hajek, Meinungsforscher, Politologe, Uni-Lektor und Politik-Experte
Peter Hajek, Meinungsforscher, Politologe, Uni-Lektor und Politik-Experte
Helmut Graf

Was dann überraschend war
Dass die Grünen so abgebaut haben. Wir haben sie eigentlich bei acht bis neun Prozent eingeschätzt, nun haben sie nur sechs Prozent gemacht.

Und die Freiheitlichen?
Sie haben vielleicht einen kleinen Schub bekommen durch die Diskussionen auf Bundesebene, aber es ist nicht so, wie Landeshauptmann Drexler gesagt hat, dass das der Hauptgrund für die Niederlage der ÖVP ist.

Ob der Bundespräsident schuld am Wahlergebnis ist
Der Meinungsforscher braucht nur die Zahlen anschauen und sagen, das kann nicht stimmen. Eben, weil wir ja schon im Mai eine Umfrage hatten. Da war die Freiheitliche Partei bei 29 Prozent, damals schon mit sieben Punkten Abstand zur ÖVP. Das hat sich dann fortgesetzt.

Ob der Einfluss überschätzt wird
Wir haben eine Wahltagsbefragung für Puls24/ATV gemacht. Bei der spontanen Fragestellung, warum man denn die freiheitliche Partei gewählt hat, haben nur fünf Prozent als alleinigen Grund das Übergehen von Kickl bei der Regierungsbildung genannt.

FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunasek, hier mit Ehefrau Sabrina, hat nun alle Trümpfe in der Hand
FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunasek, hier mit Ehefrau Sabrina, hat nun alle Trümpfe in der Hand
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Was dann das Hauptmotiv war
Dass man mit den Regierungsparteien unzufrieden war. Dass man eine Änderung möchte. Dass man Protest ausdrücken wollte. Auch sehr interessant: Erstmalig war das Thema Migration nicht an erster Stelle bei den Freiheitlichen.

Was den Ausschlag gab
Der Wahltag war bestimmt davon, dass die Wähler jemand anderen nicht wollten. Das war nämlich nicht nur bei den freiheitlichen Wählern so, sondern auch bei den Grünwählern. Die wollten Schwarz -Blau verhindern. Die ÖVP-Wähler haben gesagt, sie wollen Kunasek als Landeshauptmann verhindern.

Ob die Regierungsverhandlungen eine Rolle gespielt haben
Ich glaube nicht, dass sich Bundesländerwahlen von diesen Dingen im großen Stil beeinflussen lassen.

Ob sich das belegen lässt
Nehmen wir ein Beispiel her, den Spitalsstandort Rottenmann. Da hat die ÖVP jetzt fünf Prozent erreicht. Bei der letzten Landtagswahl waren es 15 Prozent. Trotzdem gibt es da einen ÖVP-Bürgermeister. Je kleiner die Wahleinheit wird, desto mehr kommen Personen und Persönlichkeiten zum Tragen und weniger die Parteien. Also, ich würde das nicht überschätzen.

Landeshauptmann Christopher Drexler will ebenfalls als Vize in die neue Regierung, auch wenn das im Wahlkampf noch anders klang
Landeshauptmann Christopher Drexler will ebenfalls als Vize in die neue Regierung, auch wenn das im Wahlkampf noch anders klang
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Die Spitalsreform wurde abgewählt. Ob das nicht ein bitteres Signal für die Regierungsverhandler nach Wien ist. Also Finger weg von Reformen
Das ist tatsächlich problematisch. Ich verstehe nur nicht, warum man den Menschen nicht erklären kann, dass das eigentlich auch ein medizinischer Vorteil für die Patientinnen und Patienten in diesem Bezirk ist.

Warum die Spitzenkandidaten von ÖVP und SPÖ noch im Amt sind, obwohl beide keine Vote-Getter waren
Das haben sie jetzt sehr schön gesagt, wobei man natürlich den Unterschied festhalten muss. Anton Lang war sehr selbstkritisch, hat die Verantwortung genommen. Er steht am Ende seiner politischen Karriere und leitet den Übergang ein.

Und Christopher Drexler …
Da wundert es mich, aber auch da setzt man offensichtlich auf Zeitgewinn.

Es könnte auf Blau-Rot hinauslaufen. Warum der Widerstand in der SPÖ nicht lauter hörbar ist
Erstens die normative Kraft des Faktischen. Es geht natürlich auch um Einfluss und Macht. Man weiß natürlich, dass mit den Freiheitlichen einiges durchzusetzen ist. Und das zweite Thema ist, es gibt halt ein Machtvakuum in der Bundespartei.

Die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig am 23. März 2023 am Bundesparteitag in Linz
Die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig am 23. März 2023 am Bundesparteitag in Linz
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Ob das für die SPÖ nicht ein Tabubruch ist
Das ist in der Steiermark neu: Die SPÖ macht – nicht durch den Proporz bedingt – einen Blauen zum Landeshauptmann. Das ist fast schon ein Kulturbruch und insofern gebe ich Ihnen recht. Dafür ist es auffallend ruhig.

Aber ein Bundesparteichef, der die FPÖ im Wahlkampf "zum Speibn" findet und dann sagt, naja, in der Steiermark, da kann ich nichts machen, das ist doch eigentlich ...
Selbstaufgabe.

Ob die Brandmauer-Erzählung damit Geschichte ist, etwa für die Wien-Wahl
Das wird Michael Ludwig und Kollegen nicht kümmern, schlicht und ergreifend deshalb, weil sie sagen werden: Ja, aber bei uns in Wien wird es das nicht spielen.

Was das für Wien heißt
Die SPÖ in Wien hat seit der Nationalratswahl einen Wahnsinnsvorteil. Dominik Wlazny hat sich enorm geschwächt. Und die Freiheitliche Partei wird im städtischen, insbesondere im großen städtischen Bereich Wien natürlich nicht so reüssieren, wie sie das in den Bundesländern macht.

SPÖ-Spitzenkandidat Anton Lang will Vize-Landeshauptmann bleiben, auch unter einem blauen Landeschef
SPÖ-Spitzenkandidat Anton Lang will Vize-Landeshauptmann bleiben, auch unter einem blauen Landeschef
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Ob die Koalitionsverhandlungen im Bund klappen werden
Mein Podcast heißt ja "Das Orakel" …

Das muss jetzt liefern
Also was man so hört, ist, es ist natürlich alles andere als einfach, weil hier unterschiedliche Welten aufeinander stoßen. Auf der anderen Seite ist man an die Alternativlosigkeit, insbesondere bei Nehammer und Babler, gebunden.

Also ja?
Ich habe eher eine Befürchtung. Man einigt sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, gut flankiert von den Sozialpartnern, die sich ihre Themen, Felder und Einflussbereiche damit auch sichern und NEOS wird notgedrungen zustimmen. Am Ende ist es schon wahnsinnig hart, zu sagen, unter den Bedingungen machen wir es nicht.

Peter Hajek im Podcast-Interview mit Christian Nusser (Newsflix)
Peter Hajek im Podcast-Interview mit Christian Nusser (Newsflix)
Helmut Graf

Warum die NEOS zuletzt so massiv mit Kritik an den Verhandlungen an die Öffentlichkeit gegangen sind
Also ich glaube, man versucht halt die alte Ronald Reagan-Strategie, der gegen einen demokratisch dominierten Kongress regiert hat. Reagan hat sich immer die Unterstützung durch die Öffentlichkeit geholt.

Auf den Punkt gebracht, Dreierkoalition oder Türkis-Blau?
Dreierkollektion.

Wann?
Jänner.

Anfang Jänner, Mitte Jänner, Ende Jänner, 2025 oder 2026?
Ich berufe mich auf die Schwankungsbreite.

Peter Hajek ist Geschäftsführer und Eigentümer von "Unique Research", promovierter Politikwissenschafter und akademisch geprüfter Markt- und Meinungsforscher. Beschäftigt sich seit 25 Jahren mit empirischer Sozialforschung. Lehraufträge an Universitäten, Fachhochschulen

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