EXPERTISE: DIE ÖBAG-KRISE

"Warum der Vamed-Verkauf ein Weckruf für Österreich ist"

Alexander Wrabetz über den Gesundheits-Milliardenkonzern. Warum er den Deal peinlich findet, wieso die ÖBAG endlich wieder in die Gänge kommen muss und warum dabei der Hut brennt.

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Wieder einmal wird die ÖBAG heftig kritisiert. Diesmal aber geht es ausnahmsweise nicht um fragwürdige Personalbestellungen. Vielmehr soll die "Österreichische Beteiligungs AG" bei der Filetierung des österreichischen Erfolgsunternehmens "Vamed" und dem Verkauf wichtiger Leitbetriebe des heimischen Gesundheitswesens an einen internationalen Private-Equity-Fonds als Minderheitsaktionär angeblich tatenlos zugesehen haben.

Wie die Vorgeschichte war Die "Vamed" befand sich ursprünglich zu 100 Prozent im Staatsbesitz. 1996 wurden 77 Prozent der Anteile an den deutschen Gesundheitskonzern "Fresenius" abgegeben und 10 Prozent an die  "B&C Holding". "Fresenius" hat das österreichische Management bei der Entwicklung der "Vamed" zur einer wesentlichen Säule des österreichischen Gesundheitswesens und zu einem global agierenden, profitablen Health Care Dienstleistungs- und Managementunternehmen unterstützt.

Wie sich das Geschäft in der Folge entwickelte Österreichische Gebietskörperschaften vertrauten als Auftraggeber und Partner einer stabilen Unternehmensgruppe mit österreichischen Minderheitsaktionären. Milliardenprojekte wurden im Rahmen der geplanten Kosten, Qualitäten und Termine abgewickelt und eine Vielzahl für die Entwicklung der Regionen wichtiger Thermen, Pflege-und Gesundheitseinrichtungen geschaffen und erfolgreich gemanaged.

Alexander Wrabetz war von 2007 bis 2021 Generaldirektor des ORF. Seit November 2022 ist der studierte Jurist Präsident des SK Rapid
Alexander Wrabetz war von 2007 bis 2021 Generaldirektor des ORF. Seit November 2022 ist der studierte Jurist Präsident des SK Rapid
Helmut Graf

Was die "Vamed" überhaupt ist Sie wurde 1982 von der Voest Alpine gegründet, um das Allgemeine Krankenhaus Wien (AKH) fertig zu stellen. In den darauffolgenden Jahren expandierte die "Vamed" in die ganze Welt, realisierte über 1.000 Projekte in 98 Ländern. Das Unternehmen mit Sitz in Wien ist heute ein internationaler Player mit vier Geschäftsbereichen – Prävention, Akutmedizin, Rehabilitation und Pflege –, betreibt etwa in Österreich 10 Reha-Kliniken. 2022 wurde ein weltweiter Umsatz von knapp 2,4 Milliarden Euro erzielt. Ich war  von 1987 bis 1992 für die ÖBAG-Vorgänger ÖIAG und Austrian Industries in verschiedenen Funktionen, zuletzt als Generalsekretär und bei VAMED GesmbH als Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender tätig. Von 1995 bis 1998 war ich Geschäftsführer der VE Planungs- und Errichtungsgesellschaft und dann Mitglied des Vorstandes der VAMED-AG. Der guten Ordnung halber sei festgehalten, dass diesem Kommentar nur öffentlich zugängliche Fakten zu Grunde liegen.

Warum die "Vamed" in Schieflage geriet Pandemie, Lieferkettenprobleme, Inflation, globale Krisen und einzelne Projekte führten temporär zu Schwierigkeiten und Verlusten. Unabhängig davon, geriet auch der gesamte "Fresenius"-Konzern in erhebliche Probleme. Ein neues, ausschließlich an kurzfristigen bilanzpolitischen Lösungen orientiertes "Fresenius"-Management beschloss die Zerschlagung der "Vamed"-Gruppe. Nur ein kleiner Teil mit Betrieb und Weiterentwicklung des AKH ging am 8. Mai 2024 an eine vertrauenswürdige, österreichische Gruppe, bestehend aus "Strabag" und "Porr". Hier hatte wohl die Stadt Wien deutlich gemacht, dass man nicht akzeptieren werde, diese Schlüsselbereiche des Wiener Gesundheitswesens internationalen Spekulanten zu überlassen.

"Verhaltensauffällig kommunizierender Pressesprecher": Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid
"Verhaltensauffällig kommunizierender Pressesprecher": Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid
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Wieso das Ende traurig und peinlich ist Es ist nicht bekannt, ob die ÖBAG versucht hat, diese Entwicklung im Sinne des österreichischen Gesundheits- und Wirtschaftsstandortes zu verhindern, oder dabei gescheitert ist. Eine selbstbewusster und initiativer Minderheitsaktionär mit dem Backing der Republik hätte hier jedenfalls Möglichkeiten gehabt. Letztlich ließ man sich für einen offenbar peinlichen und deshalb geheim gehaltenen Kaufpreis aus der Eigentümerrolle drängen. Fast zeitgleich verkündete "Fresenius" bereits Verkaufserlöse in Höhe von fast einer halben Milliarde Euro. Ein trauriger, kaum mehr zu korrigierender Schlusspunkt einer österreichischen Erfolgsgeschichte.

Warum der Fall "Vamed" ein Weckruf ist Es ist höchste Zeit, über Aufgabe, Aufstellung und Ziele der ÖBAG zu diskutieren. Die Zukunft der wichtigsten ÖBAG-Beteiligungen wie "OMV", "Verbund", "Telekom Austria" und "Casinos Austria" mit den "Österreichischen Lotterien" entscheidet sich in der nächsten Legislaturperiode. Derzeit haben die Anteile noch einen Wert von 30 Milliarden Euro. Aber wie bei der "Vamed" steht man meinungs-, verhandlungs- und durchsetzungsstarken Mehrheits- oder Miteigentümern gegenüber. Werden nur einige Weichen übersehen oder falsch gestellt, droht die Aushöhlung österreichischer Leitbetriebe ebenso wie erheblicher Wertverlust.

Die "Vamed" wurde für die Errichtung des AKH in Wien gegründet
Die "Vamed" wurde für die Errichtung des AKH in Wien gegründet
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Wieso jetzt Mut gefragt ist ÖBAG-Ereignisse, wie die Bestellung eines verhaltensauffällig kommunizierenden Pressesprechers zum Alleinvorstand, haben ein halbes Dutzend Regierungskarrieren vorzeitig beendet. Seither wurden die Staatsbeteiligungen zur "heißen Kartoffel", an der sich niemand mehr die Finger verbrennen wollte.

Statt Menschen mit strategischer Top-Managementerfahrung zu bestellen, setzte man auf eine hervorragende Wirtschaftsanwältin. Korrekte Abläufe eines juristisch unfallfreien Beteiligungsmanagements waren sichergestellt. Um notwendige, mit den ÖBAG-Beteiligungen verbundene Maßnahmen wie zum Beispiel die zeitgerechte Ausschreibung der Glücksspiel-Lizenzen machte man einen großen Bogen.

"Politische Entscheidung": Magnus Brunner, Minister für Finanzen und Digitalisierung
"Politische Entscheidung": Magnus Brunner, Minister für Finanzen und Digitalisierung
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Was die Politik nun tun muss Die nächste Regierung wird Strategie und Ziele für die ÖBAG klar formulieren müssen. Die Aufsichtsräte der ÖBAG sind selbstverständlich von der Regierung zu bestellen. Hier ist Finanzminister Magnus Brunner zuletzt mit der Bestellung der Großkaliber Michael Höllerer und Sabine Herlitschka in die richtige Richtung gegangen. Der Vorstand ist um eine Persönlichkeit mit Vorstandserfahrung in Großunternehmen zu erweitern.

Auch wer in der Regierung mit welchem Pouvoir die Verantwortung übernimmt, ist zu klären. Das derzeit zuständige Finanzministerium wird naturgemäß lieber die üppigen Dividenden zur Linderung der Budgetnöte verwenden, als für teilweise strategische Reinvestition durch die ÖBAG. Ein gewisser Handlungsspielraum für die ÖBAG wäre verbindlich zu vereinbaren.

Was die Politik nicht tun darf Politische Verantwortung heißt natürlich: keine politischen Postenbesetzungen und Detaileingriffe ins operative Geschäft. Dagegen muß der ÖBAG-Schutzschild bleiben. Das betrifft auch Zugriffe auf strategisch wichtige Unternehmensdaten zu Wahlkampfzwecken durch Last Minute-Kommissionen.

Jetzt muss Klarheit her Die Begründung der Aufrechterhaltung von staatlichen Unternehmensbeteiligungen ist festzulegen und auch gegenüber anderen Aktionären transparent zu machen. Die Beteiligung an Energieunternehmen soll z. B. dazu beitragen, langfristig, zuverlässig und kostengünstig Energie für Haushalte und Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Ob "Verbund" und "OMV" hier, wie es der frühere "OMV"-Generaldirektor Gerhard Roiss vorgeschlagen hat, zu einer neuen Aufgabenverteilung kommen, könnte eine wesentliche Richtungsentscheidung sein.

Alexander Wrabetz war von 2007 bis 2021 Generaldirektor des ORF. Seit November 2022 ist der studierte Jurist Präsident des SK Rapid
Alexander Wrabetz war von 2007 bis 2021 Generaldirektor des ORF. Seit November 2022 ist der studierte Jurist Präsident des SK Rapid
Helmut Graf

Was nicht passieren darf Der drohenden Aushöhlung von Unternehmen durch Mehrheitsaktionäre, wie bei der Telekom befürchtet und bei der "Vamed" realisiert, ist entgegenzutreten. Grund einer staatlichen Beteiligung kann es ja nur sein, Player für Digitalisierung und Energieversorgung zu sein sowie  die zentralen Bereiche Forschung und Entwicklung sowie das Headquarter im Lande zu halten. Das ist nicht einfach bei selbstbewussten und hochprofessionell agierenden Partnern wie Carlos Slim oder der ADNOC ("Abu Dhabi National Oil Company"), die naturgemäß einen anderen Fokus haben. Die Entscheidung, ob und zu welchen Konditionen es zu einem Zusammenschluss der "Borealis" mit "Borouge" kommt, ist zentral, nicht nur für den Kunststoffbereich selbst, sondern für die gesamte Zukunft der OMV.

Die Liste der Aufgaben und Themen ist lang, die Zeit drängt Daher müssen diese schon, parallel zu einer Regierungsbildung, parteiübergreifend und unter Einbindung von Sozialpartnern und WissensträgerInnen in einem Zielkatalog festgehalten werden. Dabei kann es nicht darum gehen, wer, was, wann vielleicht hätte besser machen können, sondern wie die ÖBAG einen Beitrag zur langfristigen Stärkung des Wirtschafts- und Wohlstands-Standortes Österreich leisten kann.

Alexander Wrabetz war lange Jahre Manager in verschiedenen Unternehmen und von 2007 bis 2021 Generaldirektor des ORF. Seit November 2022 ist der studierte Jurist Präsident des SK Rapid

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