Nicht nur schule kriselt
Warum die Lehre "ein Armutszeugnis" für Österreich ist
Die Lehre steckt in der Krise. International noch immer ein Aushängeschild, ist sie intern längst zum Problemkind geworden. Es hakt, es stockt, vieles stimmt nicht (mehr). Niki Glattauer sprach mit einem, der weiß, woran das liegt.
Diese Lehrberufe sind uns gemeinhin geläufig: Bäcker*, Bankkauffrau, Friseurin, KFZ-Mechanikerin, Elektrotechniker, Florist, Schuster, Köchin. Aber kennen Sie die? Applikationsentwicklung, Postpresstechnologie, Klimagärtnerei, Hörgeräteakustik, Chirurgieinstrumentenerzeugung, Faserverbundtechnik, Hohlglasveredelung, Fahrradtechnik? Und wussten Sie, dass man eine Lehre machen muss, wenn man "Schädlingsbekämpfer" werden will?
Exakt 213 (!) Lehrberufe sind es, die in Österreich zu ergreifen sind. Oder besser: zu ergreifen wären, würde nur jemand hin greifen …
Theoretisch ein Traumjob Nehmen wir die Chirurgieinstrumentenerzeugerin: 80 Prozent ihrer Ausbildung, 3,5 Jahre, findet im Betrieb statt, nur 20 Prozent in der Berufsschule. Das zieht (theoretisch). Mehr als 900 Euro verdient sie bereits im ersten Lehrjahr, knapp 1.900 Euro im letzten. Mit bis zu 2.650 Euro laut Kollektivvertrag steigt sie später in den Beruf ein. Ein Traumjob (theoretisch).
So heißt es denn auch auf der Homepage des AMS zum Chirurgieinstrumentenerzeuger jubilierend: "Im Lehrbetrieb erlernt der Lehrling den gewählten Beruf anhand der praktischen Arbeit. In der Berufsschule wird das Allgemeinwissen vertieft und theoretisches Hintergrundwissen für den gewählten Beruf vermittelt."
Praktisch kaum erlernbar Nur: Nach einer Berufsschule sucht man in acht von neuen Bundesländern vergeblich. Schließlich findet sich eine. Eine. Immerhin liegt die in einer Landeshauptstadt, nämlich in Graz. Aber wie viele, sagen wir Wiener MS-Abgänger, vielleicht noch solche mit sozial schlechtem Background, können mit einer Lehrstelle in Graz etwas anfangen? Für die (und ihre Familien) ist alles eine Weltreise, was nicht mit U1 oder U6 erreichbar ist.
Oder die Schädlingsbekämpferin Fünf sind es, die 2023 eine Lehre zur "Schädlingsbekämpfer/in" begonnen haben, eine junge Frau, vier junge Männer. Alle fünf in Kärnten. Die einzige Berufsschule liegt in St. Veit a. d. Glan.
Holz, Farbe, Lack und – Klavier Oder der Klavierbauer. Dringend gesucht. Denn seit Jahren fehlt es in Österreichs Klavierbau an hochqualifiziert ausgebildeten Fachkräften. Eine einzige Berufsschule für Instrumentenbau gibt es in Österreich – angesiedelt in der Berufsschule für "Holz, Klang, Farbe und Lack" in Wien. Der angehende Klavierbauer fällt unter "Klang". Und sitzt mit den angehenden Erzeugern und Erbauern anderer Klänge, den Geigen-, Orgel- oder Blasinstrumentenerzeugern, in einer einzigen Klasse zusammen. Zwischen fünf und zehn junge Menschen tun sich das in den letzten Jahren noch an.
Der Hammer mit Mozart Bleiben wir bei den Klavierbauern. Das nächste Problem ist, dass die Klavierbau-Betriebe in Österreich inzwischen so hochspezialisiert sind, dass der Lehrling die Hälfte von dem, was er oder sie für die Prüfung können sollte, dort gar nicht lernt. In der "Musikviertelstunde" auf Ö1 erzählte jetzt ein Lehrling, wie sie (eine junge Frau) in ihrem Ausbildungsbetrieb auf Hammerklaviere der Mozart-Zeit spezialisiert wurde – und ihr darüber hinaus einfach nichts beigebracht wurde. Ihr Ausweg: Den Kurs für die Meisterprüfung macht sie jetzt in Deutschland. Das ist in anderen Sparten nicht anders.
Wie ist das, Herr Kommerzialrat? Es ist ein Wirtschaftskämmerer, Titel Kommerzialrat, selbst seit vielen Jahren Lehrherr, der mich auf diese Probleme aufmerksam gemacht hat. Ich treffe ihn, um die Hintergründe zur aktuellen Situation der Lehre im Allgemeinen und des Lehrlingsmangels im Besondern zu verstehen.
"Ist das nicht ein Armutszeugnis?", fragt er rhetorisch. Auf dem Papier biete man "mehr als 200 wirklich nachgefragte Lehrberufe" an, in der Praxis seien 80 Prozent dieser Berufe für 90 Prozent der potenziellen Lehrlinge "gar nicht erlernbar", weil entweder die Berufsschulen oder die entsprechenden Betriebe oder beide fehlen würden. "Orchideen-Lehrberufe", nennt er sie und sagt pointiert, was sie für ihn wirklich sind: "Das Hintergrundleuchten für die Statistik."
Eine heilige Kuh Womit er zu den Lehrberufen kommen wolle, sagt er, die "wirklich gehen". Die könne man an zwei Händen abzählen, vom Pflasterer über den Elektrotechniker bis zur, nun ja, "Einzelhandelskauffrau", sprich: Verkäuferin. "2.700 Euro verdient der Pflasterer im dritten Lehrjahr. Kein Wunder, dass Porr und Co. die Türen eingerannt werden." Namentlich will Herr Kommerzialrat nicht genannt werden. Auch nicht, wo sein Betrieb ist. Warum? "Weil die Lehrlingsausbildung in Österreich eine heilige Kuh ist. Reformen unter Kritik kommen einer Nestbeschmutzung gleich."
Aber ein Problemkind International ein Aushängeschild (Anm.: fast jährlich Medaillen in mehreren Sparten), sei sie intern längst ein Problemkind. Darum klage man zwar werbewirksam über Lehrlingsmangel, aber Reformen, um diesen zu beheben und um die Probleme drumherum zu lösen, würde man, wo überhaupt, "nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit" angehen. Er nehme sich nicht aus. "Geheimnisse werden Sie von mir nicht erfahren." Schade. Aber immerhin Antworten bekomme ich.
Stichwort Lehrlingsmangel Frage an den Auskenner: Gibt es einen solchen überhaupt? Die Antwort. "Einerseits ja und andererseits nein." Aha? Die Erklärung folgt auf den Fuß: In Wien gebe es, Stand Herbst 2024, ein dramatisches Überangebot an Kandidaten. Auf rund 850 offene Plätze kämen 4.000 "Interessenten". Bei dem Wort "Interessent" zeichnet der Herr Kommerzialrat die sprichwörtlichen Gänsefüßchen in die Luft. Warum das? "Weil sich 90 Prozent nur auf dem Papier für eine Lehrstelle interessieren."
Zigaretten und Handy statt Gas "Wenn da einer schon am zweiten Tag nicht mehr pünktlich in den Betrieb kommt, die Adresse seiner Berufsschule nicht kennt und zuerst Zigaretten und Handy zückt, statt Gas zu geben, wenn er eine Aufgabe aufgetragen bekommt … so einen braucht keiner." Von den vielen Schulabgängern, die vorher "mit einem Mittelschulabschluss wacheln", dann aber das Einmaleins nicht beherrschen und kaum Deutsch sprechen können, "vom Schreiben ganz zu schweigen", rede er gar nicht.
Köchin und Kellner verzweifelt gesucht Anders sei die Situation in den Bundesländern: Hier sei die "Lehrlingsknappheit" tatsächlich darauf zurückzuführen, dass es an den nötigen Lehrlingen fehle. Inzwischen sogar in den Sektoren Tourismus und Gastronomie. In Tirol, Kärnten, Salzburg, aber auch Oberösterreich und dem Burgenland würden sich die Betriebe um Koch, Küchenhilfe, Kellnerin, Schankkraft, Zimmermädchen oder Rezeptionisten regelrecht reißen, "aber da gibt es immer weniger, die mit einer Lehre überhaupt beginnen."
Was nicht nur, aber auch an den oft harten Ausbildungsbedingungen liege. Der letzte Lehrlingsmonitor spreche Bände. Ob ich den kenne? Nein? Dann werde er ihn mir zeigen (dazu mehr später im Text).
1.000 Euro Lohn vs. 100 Euro Taschengeld Einen finanziellen Grund kann die Zurückhaltung nicht haben. Lehrlinge werden in Österreich gut bezahlt. Um den benötigten Nachwuchs zu finden, wurde jetzt im November im Zuge der jüngsten KV-Verhandlungen das Lehrlingsentgelt im Handel auf monatlich 1.000 Euro angehoben – bereits im ersten Lehrjahr. Sag das einmal einem gleichaltrigen Gymnasiasten in der 6. Schulstufe, der 100 Euro Taschengeld kriegt.
Mädchen verdienen weniger Wobei es allerdings auch hier einen Gender-Gap gibt, Stichwort Equal Pay Day: (Auch) weil sie in einkommensschwächeren Sparten überrepräsentiert sind, verdienen Lehrlinge, weiblich, im Jahr um satte 2.314 Euro weniger als Lehrlinge, männlich. Berufseinstieg und späterer Erwerb sind für Lehrlinge – zumindest dem Papier nach – so leicht wie für niemanden sonst, ausgenommen lediglich Uni-Abgänger mit Master-Abschluss.
500 Euro mehr als mit AHS … So brauchen Lehrlinge mit Abschlussprüfung im Schnitt nur 1,3 Monate, bis sie einen Job haben. Gymnasiasten warten die vierfache Zeit. Das monatliche Bruttomedianeinkommen beträgt bei Lehrlingen mit Abschlussprüfung (LAP) bereits nach 18 Monaten 2.418 Euro, um satte 500 Euro mehr als bei AHS-Absolventen (1.905 Euro). Und sogar noch um 32 Euro mehr als Absolventinnen einer "berufsvorbereitenden höheren Schule" (BHS), in der man immerhin 5 Jahre lang die Oberstufen-Bank gedrückt hat und 19 Jahre alt ist, wenn man sie verlässt (2.386 Euro Einkommen nach 18 Monaten).
… und seltener arbeitslos Ein Informationsdefizit ortet der Vorstandsvorsitzende des AMS, Johannes Kopf. Er ruft dazu auf, bereits in Kindergärten und Volksschulen über Ausbildungsmöglichkeiten zu informieren. "Wenn junge Leute mit 15 oder 16 beim AMS landen, ist es recht spät." Unzufrieden ist er vor allem mit der Berufsinformation an Gymnasien. Dort gebe es offenbar die Angst, Schüler zu verlieren.
Dabei, so Kopf, sei die Lehre eine zentrale Maßnahme gegen Jugendarbeitslosigkeit. Im Oktober seien 61.174 Personen unter 25 Jahren arbeitslos gemeldet gewesen, um 12,1 Prozent mehr als im Sommer. Aber: Die Arbeitslosenquote liegt bei Personen mit Lehrausbildung bei 5,6 Prozent und damit deutlich niedriger als bei Personen, die nur einen Pflichtschulabschluss hätten, wo sie fast 20 Prozent beträgt.
Immer weniger Lehrlinge Einen anderen "Point of View" hat naturgemäß die Gewerkschaft. Laut ÖGB-Chef Wolfgang Katzian geht es weniger um Information oder Eignung als vielmehr darum, dass "es einfach zu wenige Betriebe gibt, die ausbilden". Das sagte Katzian im vergangenen März anlässlich der Präsentation des "5. Lehrlingsmonitors" von AK und Gewerkschaft.
Gewerkschaftsboss Katzian, der jetzt bekanntlich im Sondierungsteam der SPÖ für die neue Regierung sitzt, sprach dabei klare Worte: Es seien heute erschreckenderweise rund 10.000 Lehrlinge weniger tätig als noch vor 10 Jahren. Konkret sind es übrigens derzeit rund 108.000 Lehrlinge österreichweit, mit den höchstenZahlen in OÖ (knapp 22.500 Lehrlinge), Wien (18.200) und NÖ (17.300).
Immer weniger Lehrbetriebe Schlimmer noch: In den letzten 20 Jahren sei die Zahl der Ausbildungsbetriebe um 10.000 gesunken. Katzian sinngemäß zur "Krone": "Und von den Betrieben, die Lehrlinge aufnehmen, glauben immer noch zu viele, Lehrlinge sind billige Hilfskräfte."
Noch eine Frage Was mich nach der Eingangsfrage in diesem Text eine weitere Frage stellen lässt, die ich nach einer kurzen Nachdenkpause gern beantworte: Was ist der große Unterschied zwischen den Ausbildungen zum Industriekaufmann, Kunststofftechniker oder Konstrukteur, verglichen mit den Ausbildungen zur Friseuse, zur Optikerin, zum Koch oder Maler?
Nachdenkpause.
Und hier die Antwort In den erstgenannten Sparten halten die Lehrlinge ihre "Ausbildungsbedingungen für zumindest "Gut", in den zweitgenannten für höchstens "mäßig". Womit bereits eines der Ergebnisse des "5. Lehrlingsmonitors 2024" genannt ist. Knapp 5.000 Lehrlinge im letzten Lehrjahr waren für den "Lehrlingsmonitor" befragt worden.
Dem Grunde nach realistisch Für mich öffnet der bereits genannte Kommerzialrat – wie gesagt selbst Lehrherr und das "in einer Branche, in der es keinen Lehrlingsmangel gibt" – den "Lehrlingsmonitor" auf dem Tablet. Nicht, dass man jede Aussage eines Lehrlings für bare Münze nehmen dürfe, sagt er. Aber "dem Grunde" nach zeige der Monitor die Situation sehr realistisch, vor allem in Wien.
Wien ist TOP, sagt er In Wien sei die Zahl der Lehrlinge zuletzt auf über 15.000 gestiegen. Allein der Wiener Magistrat bilde in knapp 20 Betrieben – Ämtern, Großküchen, Spitälern, Parks, Werkstätten –jährlich zwischen 500 und 600 Lehrlinge aus. Dort achte man auch auf anständige Verhältnisse, nicht ohne Grund hätte die Stadt Wien heuer wieder das Qualitätssiegel "TOP-Lehrbetrieb" bekommen (Anm.: eine Auszeichnung von Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung, ÖGB und Arbeiterkammer gemeinsam mit der Stadt selbst).
Nachlaufen ist nicht Die Zahl, so der Kommerzialrat, sei in Wien gestiegen, weil es ein "Überangebot" gebe, allerdings zu 90 Prozent in den immer gleichen Lehrberufen. Dort könne sich ein Lehrherr aussuchen, wen er behalte und wen nicht. "Entsprechend ist dann der Umgang mit den jungen Damen und Herren. Das sage er wertfrei. "Nachlaufen braucht man in Wien einem Lehrling jedenfalls nicht."
Früher kein Aufmucken, heute baba Mit Folgen, denn: "Wer schlecht behandelt wird oder sich schlecht behandelt fühlt, steigt heutzutage einfach aus." Nachsatz: "Und beim AMS wieder ein." Denn: "Früher hat das Mädel, das Friseurin werden wollte, nicht aufgemuckt, wenn sie wochenlang fünf Stunden am Tag nur Haare aufgekehrt hat. Heute will sie am Nachmittag den Haarschnitt lernen, den sie am Vormittag auf TikTok gesehen hat."
Und hier ein paar Zahlen aus diesem "Lehrlingsmonitor"
- Jeder zehnte Befragte bewertete die "betrieblichen Rahmenbedingungen" als "sehr schlecht". Wahrlich kein Ruhmesblatt für die Betriebslandschaft.
- Mehr als ein Drittel der Befragten gab an, zumindest einmal "beleidigt, belästigt, bedroht, bloßgestellt" oder auf eine andere Art "gemobbt" oder "gebosst" worden zu sein, die Mädchen deutlich öfter als die Burschen, nämlich 40 zu 29 Prozent (Anmerkung: Bossing ist Mobbing, das von einer höhergestellten Person ausgeübt wird).
- 12 Prozent gaben Fälle von "sexueller Belästigung" an, immerhin 3 Prozent solche von "körperlicher Gewalt".
- Noch trauriger das Zeugnis für die Qualität der Ausbildung: 50 Prozent der Lehrlinge – wie gesagt, im letzten Lehrjahr – gaben an, dass nicht, wie vorgeschrieben, "dokumentiert" werde, "was sie im Betrieb lernten". 60 Prozent, dass es keinen Ausbildungsplan gebe bzw. sie nichts davon wüssten. Immerhin 35 Prozent stimmten folgender Feststellung ganz oder weitgehend zu: "Ich muss Tätigkeiten verrichten, die eindeutig nicht zu meiner Ausbildung gehören."
- Und 59 Prozent der Lehrlinge, die sich in ihrer Ausbildung "schlecht" oder "sehr schlecht" behandelt fühlten, gaben an, im gelernten Beruf erst gar "nicht einsteigen" zu wollen.
Mit Anlauf in die Krise Für den Wirtschaftsstandort Österreich seien solche Ergebnisse ein großes Problem, meint Herr Kommerzialrat, das jenes in der Industrie in den Schatten stelle. "Die Krise in der Industrie halte ich aus taktischen Gründen weitgehend für herbeigeredet. Aber die Handwerkerkrise gibt es wirklich." Gegengesteuert werde nur zaghaft.
Image-Kampagne in der Schule "Wir müssen den jungen Leuten sagen, dass sie mit einem Lehrabschluss, egal in welcher Sparte, nicht nur am Beginn, sondern auch über das ganze Leben gerechnet höhere Bruttoeinkommen haben als AHSler oder BHSler. Die Wirtschaftskammer kann das mit Zahlen der Statistik Austria belegen", so mein Gesprächspartner. Man müsse vor allem in den Schulen endlich an der Image-Schraube drehen. Und ins Internet gehen. "Zeitungsinserate sehen die Jungen nicht mehr."
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Meister ist Master "Keinem meiner Lehrlinge ist in der Mittelschule je gesagt worden, dass der Meistertitel dem Bachelor an einer Universität gleichgestellt ist." Stimmt das denn, Herr Kommerzialrat? Ja, es gebe da den so genannten Nationalen Qualifikationsrahmen, NQR. Auf Stufe 6 des NQR stünden "der Bachelor im Lehramt 'Deutsch und Geographie und Wirtschaftskunde' und der Meister in 'Schädlingsbekämpfung' auf der selben Stufe".
Warum dann nicht Schädlingsbekämpfer? Diesen Vergleich zieht Herr Kommerzialrat nicht zufällig. Er hat mich zu Beginn unseres Gesprächs nach meiner Ausbildung gefragt. Und jetzt: "Ein Unternehmen würde den fachkundigen Schädlingsbekämpfer gleich hoch entlohnen, wie Sie die Bildungsdirektion Wien entlohnt hat."
Warum, frage ich mich, bin ich dann nicht Schädlingsbekämpfer geworden? Aber das ist eine andere Geschichte.
* Wie stets, verwende ich die weibliche und männliche Form willkürlich wechselnd, alle anderen sind jeweils freundlich mit gemeint
Nikolaus "Niki" Glattauer, geboren 1959 in der Schweiz, lebt als Journalist und Autor in Wien. Er arbeitete von 1998 an 25 Jahre lang als Lehrer, zuletzt war er Direktor eines "Inklusiven Schulzentrums" in Wien-Meidling. Sein erstes Buch zum Thema Bildung, "Der engagierte Lehrer und seine Feinde", erschien 2010