Schwebender Mann
Warum dieses Olympia-Foto weltweit für Furore sorgt
Die Geschichte hinter dem Surfer, der scheinbar über das Meer gehen kann. Und weitere Fotos aus Paris, die Wellen machen, zum Durchklicken und staunen.
Es war eine weitsichtige Entscheidung, die Surf-Bewerbe bei den Olympischen Spielen von Paris nicht in Paris stattfinden zu lassen. Nicht allein wegen der fehlenden Wellen, sondern wegen der Wasserqualität – besser wegen der nicht vorhandenen Wasserqualität – der Seine. Am Dienstag durften die Triathleten nicht zu Wasser gelassen werden, weil der Fluss so verschmutzt ist, dass von ihm eine Gefährdung für die Gesundheit ausgeht.
Die Spiele erleben ihre erste Blamage, das auch deswegen, weil 1,4 Milliarden Euro investiert worden waren. Nicht um der Seine Trinkwasserqualität zu verleihen, sondern um sie in einen Zustand zu versetzen, in dem zumindest die Ausübung körpernaher Dienstleistungen, Schwimmen also, möglich erscheint. Das klappte bisher eher mittelgut. Zu Beginn der Spiele regnete es stark, die Kanalisationen gingen über, deren Sanierung war wohl in den 1,4 Milliarden nicht eingepreist. Also schwammen nicht Schwimmer in der Seine, sondern alles mögliche andere, Details spülen wir runter.
15.705 Kilometer entfernt stellt sich dieses Problem nicht. Vor Tahiti finden die Surf-Wettkämpfe statt. Das passt kulturgeschichtlich und wirkt naturnah. Dass mitten in ein Korallenriff ein Turm für die Jury und die Presse hineingebaut wurde, fügt sich zwar nicht ganz ins Bild, aber da die Wettkämpfe nach europäischer Zeit in der Nacht stattfinden, ist das Live-Publikum rar und auf den Fotos sieht alles sehr manierlich aus.
Dies trotz der Totenschädel. Die kraftstrotzenden Wellen von Teahupo'o, der Ort, an dem die Surfer surfen, gelten als anspruchsvoll gefährlich. Sich hier mit dem Wasser einzulassen, ist zwar nicht so riskant wie eine Zehe in die Seine zu halten, aber der Name Teahupo'o bedeutet übersetzt "die Wand aus Totenschädeln" und die Einheimischen werden sich schon was gedacht haben bei der Betitelung.
Es sind nicht allein die Wellen, die Respekt einflößen. Im recht flachen Wasser des Korallenriffs kann man sich böse Schnittverletzungen zufügen, wenn einen Seeigel der Hafer sticht, kann es ungemütlich werden. Die hohen Wellen bergen die Gefahr, dass es einen auf das Gestein prackt, deshalb tragen einige Athletinnen und Athleten Helme, was sonst eher als zu woke gilt.
48 Surfer treten an, gleich viele Frauen wie Männer, so ist das festgelegt. Es gibt drei Vorrunden, Viertelfinale, Halbfinale und Finale, aber den eigentlichen Höhepunkt haben die Tahiti-Festspiele schon erlebt. Der passierte, als Jerome Brouillet am Montag für die Agence France-Press Gabriel Medina fotografierte. Der 30-jährige Medina, dreimaliger World Surf League-Champion, hatte so etwas wie die perfekte Welle erwischt, wussten diesen Umstand zu nutzen, ein ikonisches Bild entstand.
Gabriel Medina verschwand also auf der einen Seite in der Welle und tauchte auf der anderen Seite wieder auf, entfernte sich von seinem Brett, dem er mit einer Schnur verbunden blieb. Genau in diesem Moment, nicht früher, nicht später, als er für die Augen der Welt über das Wasser schwebte, streckte er den Zeigefinger in die Höhe. Besser hätte das Donald Trump auch nicht hinbekommen.
Der Höchstwert beim Surfen ist 10, die bekam der 30-jährige Brasilianer von einigen Kampfrichtern (es gibt nur männliche, auf den Turm hat es die Emanzipation noch nicht geschafft). Gesamt erreichte Medina eine Punktzahl von 9,90, was einen neuen olympischen Rekord für einen einzelnen Wellenlauf bedeutete.
"Das hat mich nicht überrascht, ich war darauf vorbereitet", sagte der 39-jährige Fotograf aus Frankreich zur "Washington Post". Jerome Brouillet ist seit fast einem Jahrzehnt Sportfotograf mit Spezialgebiet Surfen. "Die anderen auf dem Boot und ich gingen davon aus, dass er einen Kick-out machen würde, und genau das hat er getan. Also habe ich den Knopf gedrückt."
Das Bild verbreitete sich rasant via Fotoagenturen und Social Media über den ganzen Erdball. „Ich hätte nie gedacht, dass diese Aufnahme so viel Anklang finden würde, aber ich kann verstehen, warum", sagt Brouillet. „Ich habe mein Telefon herausgeholt und hatte so viele Benachrichtigungen, über Instagram und solche Sachen.." Viele dachten, das Bild sei mit Photoshop bearbeitet. Stimmt nicht!
Auf eine Wiederholung muss die Welt nun warten. Nach den Aufnahmen schlug das Wetter um, der Damenbewerb musste am Dienstag aussetzen.