Neue Studie

Warum es 32 Minuten braucht, um das perfekte Ei zu kochen

Sogar die New York Times berichtete über diesen bahnbrechenden Durchbruch. Ein Team von Forschern ermittelte wissenschaftlich, wie man das ideale Frühstück-Ei zubereitet. Nach 300 Versuchen stand fest, was dafür vor allem nötig ist: Zeit.

So sieht also angeblich das perfekte Ei aus (das Grünzeug ist optional)
So sieht also angeblich das perfekte Ei aus (das Grünzeug ist optional)
Ernesto Di Maio
Christian Nusser
Akt. Uhr
Teilen

Am Beginn stand ein häufiges Problem: Buben, wenn auch in diesem Fall schon ältere, hatten Langeweile. Ernesto Di Maio ist eigentlich Materialwissenschaftler aus Neapel in Italien und Experte für Kunststoffschäume mit Renommee. Eines Tages kam ein Kollege zu ihm und machte ihm einen Vorschlag: "Lass uns doch etwas Cooles machen." Mit "cool" war allerdings nicht irgendein Schabernack mit Kunststoffschaum gemeint.

Vielmehr wurde ein Team aus Wissenschafterinnen und Wissenschaftern zusammengestellt, es widmete sich der Erforschung eines elementaren Lebensbedürfnisses der Menschheit: wie kocht man ein Ei richtig?

Für den Versuch wurden rund 300 Eier verwendet, aber nicht alle gegessen
Für den Versuch wurden rund 300 Eier verwendet, aber nicht alle gegessen
Ernesto Di Maio

Das klingt trivialer als es ist, jeder Küchen-Hobbysportler weiß das. Zu hart, zu weich, zu aufgesprungen, es gibt viel, was mit einem Ei passieren kann, wenn man es heißem Wasser überlässt. Wer sich aufs Meer begibt, hat es nicht in der Hand, schrieb schon Erasmus von Rotterdam, und der Satz behält seine Gültigkeit, wenn das Meer in einem Topf stattfindet.

Insofern ist nachvollziehbar, dass die Weltpresse am Donnerstag einen Eisprung hatte. Von allen Winkeln der Erde aus wird seither über die sensationellen Ergebnisse der Eierbären aus Italien berichtet. Dann wollen wir Sie jetzt auch nicht abschrecken und kehren den Schalenberg zusammen:

Was war eigentlich die Motivation der Forscher?
Streng genommen Carlo Cracco, nicht verwandt mit Kater Karlo aus dem Disney-Imperium. Nein, Cracco ist ein recht bekannter Koch in Italien, er betreibt ein Restaurant in der noblen Galleria Vittorio Emanuele II in Mailand, ist mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet und Star der TV-Show "Hell's Kitchen Italia".

Was hat das nun mit den Wissenschaftern zu tun?
Die New York Times nennt Cracco "Eier-Evanglist", das schlägt sich im Preis nieder. Für eine Eierspeis aus Dottern nimmt er 50 Euro. Ernesto Di Maio und seine Mitstreiter setzten sich also ein Ziel: besser zu sein als Gottes Eierkoch auf Erden.

Für den Versuch waren zwei Töpfe nötig (die kaputten Eier übersehen wir jetzt einmal=
Für den Versuch waren zwei Töpfe nötig (die kaputten Eier übersehen wir jetzt einmal=
Ernesto Di Maio

Wie stellten sie das an?
Nun, das Expertenteam des Instituts für Chemie und Polymertechnologie des Nationalen Forschungsrats (Cnr-Ictp)  tat, was es sonst auch tut: wissenschaftlich arbeiten. Beteiligt waren etwa auch Emilia Di Lorenzo von der Universität Neapel Federico II als Co-Autorin der Studie, oder Pellegrino Musto, ein Polymerexperte des Nationalen Forschungsrats von Italien.

Was wurde für die Versuche benötigt?
Abgesehen von den Eiern ein Topf mit kochendem Wasser mit 100 °C und eine Schüssel mit Wasser mit 30 °C.

Wozu der Zinnober?
Man muss dem Ei, um es perfekt zu machen, buchstäblich kalt-warm geben. Dotter und Eigelb haben nämlich unterschiedliche Kocheigenschaften, sie müssten eigentlich getrennt zubereitet werden. Da das nicht geht, muss getrickst werden.

Und das Ei?
Es muss am Beginn Zimmertemperatur haben und wird dann alle zwei Minuten von einem Topf in den anderen gelupft, vom Topf mit dem kochendem Wasser in die Schüssel mit lauwarmem Wasser und wieder zurück also.

Präzision: Der kühlere Topf sollte 30 Grad haben
Präzision: Der kühlere Topf sollte 30 Grad haben
Ernesto Di Maio

Wie lange?
Insgesamt 32 Minuten, acht Zyklen sind nötig. Wenn Sie also von Ihrem Lebenspartner eines Morgens gebeten werden, doch ein Frühstücksei zuzubereiten, dann sollten Sie vielleicht nicht Perfektion anstreben. Ihre Richtschnur sollte eher der Überlebenswille sein, vor allem der ihrer Beziehung.

Was ist so schwer daran, ein Ei zu kochen?
Vor allem der Umstand, dass diese Dinge aus zwei Teilen bestehen, wenn man die Schale einmal außen vor lässt, was sie ja tatsächlich ist. Das Eiweiß muss bei 85 °C gekocht werden, das Eigelb aber bei 65 °C. Es muss also ein Kompromiss her, das ist nicht nur bei Regierungsbildungen schwierig.

Wie geht das bei der klassischen Zubereitung vor sich?
"Der eigentliche Unterschied liegt im Dotter", sagte Emilia Di Lorenzo der Londoner Times. "Das Eigelb eines herkömmlichen weich gekochten Eis wird insgesamt sechs Minuten lang bei einer Temperatur gekocht, die langsam von 20 °C auf 72 bis 80 °C ansteigt." Am Ende hat man bestenfalls einen Mix vor sich liegen: in der Mitte fast flüssig bis recht flüssig, nach außen hin kompakt bis hart.

Was ist beim Ei mit wissenschaftlichem Beirat anders?
Beim "periodisch gekochten Ei", so die akademisch korrekte Bezeichnung, wird der Dotter insgesamt 32 Minuten bei einer konstanten Temperatur von 67 °C gekocht, das Eiweiß aber bei Temperaturen zwischen 35 °C und 100 °C. "So entsteht ein Eigelb, das in der Mitte und am Rand überall die gleiche Konsistenz hat und weder ausrinnt noch zu flüssig ist," sagt Emilia Di Lorenzo. Der Dotter ist gelartig, cremig.

Herzlich willkommen, so sieht also das perfekte Ei aus, mit einem gelartigen Kern
Herzlich willkommen, so sieht also das perfekte Ei aus, mit einem gelartigen Kern
Ernesto Di Maio

Wie viele Eier waren für die Versuche nötig?
"Rund 300", sagte Pellegrino Musto der New York Times. Das Forschungsteam legt aber Wert auf die Feststellung, nicht alle gegessen zu haben.

Warum brauchte man so viele Eier?
Wie gesagt, Wissenschaft. Es wurden also auch Versuche mit 12 Minuten lang durchgekochten Eiern gemacht, die "Sous Vide"-Methode wurde ebenfalls ausprobiert. Dabei werden die Eier eine Stunde lang in 65 °C heißes Wasser gelegt. Der Dotter wurde auch cremig, das Eiweiß aber nicht durchgegart.

So kocht man also ein "Perioden-Ei"

  • Nehmen Sie einen Topf mit kochendem Wasser (100 °C) und eine Schüssel mit Wasser (30 °C)
  • Legen Sie ein Ei mit Zimmertemperatur in das kochende Wasser
  • Geben Sie das Ei alle zwei Minuten aus dem Topf in die Schüssel.
  • Wiederholen Sie diesen Vorgang insgesamt 32 Minuten lang.
  • Genießen Sie Ihr perfekt gekochtes Ei.
Und so kann man es etwas appetitlicher servieren, wir sind schließlich  immer noch in Italien
Und so kann man es etwas appetitlicher servieren, wir sind schließlich  immer noch in Italien
Ernesto Di Maio

Wurden die Eier danach in Ruhe gelassen?
Mitnichten, dann wurde sie erst so richtig gepellt. Sie wurden auf "Textur und sensorische Eigenschaften" getestet, ihre chemischen Eigenschaften mithilfe der Kernspinresonanz und hochauflösender Massenspektrometrie ausgewertet. Es sollte festgestellt werden, welche Verbindungen vorhanden waren und wie sich die Moleküle im Inneren des Eis verhielten.

Und?
Die chemische Analyse deutete darauf hin, dass periodisch gekochtes Eigelb auch mehr Polyphenole enthielt – Mikronährstoffe, die eine gesundheitsfördernde Wirkung entfalten. Die 32 Minuten sind also nicht ganz für die Katz'.

Wo wurde das Ergebnis veröffentlicht?
In der Fachzeitschrift Communications Engineering. Die Autoren machen auch klar, worum es ihnen eigentlich ging, nämlich ihre tägliche Arbeit zu erklären. Das geht mit Eiern besser als mit Polymerschaum.

Hat sich der Versuch gelohnt?
Das ist Ansichtssache. Emilia Di Lorenzo hält sich aus der Debatte raus. "Ich mag eigentlich keine Eier", sagte sie der Times. Für den Rest des Teams sei das Geständnis ein "Schock" gewesen. Ernesto Di Maio aber war hingerissen: "Wenn Sie das periodische Ei einmal probiert haben, werden Sie nie wieder darauf verzichten wollen."

Akt. Uhr
#Besser Leben
Newsletter
Werden Sie ein BesserWisser!
Wissen, was ist: Der Newsletter von Newsflix mit allen relevanten Themen des Tages und den Hintergründen dazu.