Gentherapie

Warum teuerstes Medikament der Erde 3,9 Millionen Euro kostet

Eine einzelne Dosis kann Kleinkindern das Leben retten – wenn die Erkrankung rechtzeitig entdeckt wird.

Für die Therapie von seltenen Krankheiten werden immer astronomischere Preise verlangt (Symbolbild)
Für die Therapie von seltenen Krankheiten werden immer astronomischere Preise verlangt (Symbolbild)
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Newsflix Redaktion
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Das Leben kann so brutal grauslich und gleichzeitig so brutal schön sein. Olivia ist nicht in der Lage zu gehen und zu sprechen. Sie wird über eine Sonde ernährt, braucht rund um die Uhr Pflege, ist nicht ansprechbar, dämmert vor sich hin. Jede Woche kommen Physiotherapeuten und Ergotherapeuten ins Hospiz, in dem sie nun wohnt. Sie ist fünf Jahre alt.

Ihr Schwester Keira ist ein Jahr jünger und dieses eine Jahr Unterschied sorgt dafür, dass Keira ein Leben vor sich hat und auf Olivia nur der Tod wartet. 

Seltener Gendefekt Keira und Olivia leiden an Metachromatischer Leukodystrophie (MLD), einem Gendefekt. Er ist nicht unmittelbar zu bemerken, wenn ein Kind auf die Welt kommt. Mit zwei Jahren setzen die ersten Symptome ein. Wer MLD in sich trägt, wird selten älter als sieben. In den USA werden pro Jahr etwa 40 Kinder mit der seltenen Krankheit geboren. Den Eltern von Olivia war das erste Mal etwas aufgefallen, als ihre Tochter noch klein war. Sie bekam Probleme beim Gehen und neigte ihren Kopf regelmäßig zur Seite, wenn sie fernsah. "Wir dachten, wir bräuchten nur etwas Physiotherapie", sagte ihre Mutter Kendra Riley zu CNN.

Britische Firma hat "Wundermittel" Aber es gibt eine Therapie, ein Medikament namens "Lenmeldy". Die ersten Patienten wurden damit vor zwölf Jahren behandelt, es geht ihnen gut. Hersteller "Orchard Therapeutics", ein in Großbritannien ansässiges Biotech-Unternehmen, das kürzlich vom japanischen Pharmakonzern Kyowa Kirin gekauft wurde, gibt keine Garantie ab, dass die Wirkung für immer und ewig anhält, den bisher Behandelten hat die Gentherapie jedenfalls ein verlängertes Leben geschenkt.

Kinder fallen ins Wachkoma MLD ist eine Erbkrankheit. Kindern, die damit geboren werden, fehlt ein Enzym, das Fettsubstanzen, sogenannte Sulfatide, abbaut. Die Ansammlung dieser Fettstoffe "vergiftet" die Nerven und führt zu einem fortschreitenden Verlust der Fähigkeit sich zu bewegen, zu denken. Die Erkrankung schreitet rasant voran. Betroffene fallen in einen vegetativen Zustand, ins Wachkoma. Sie können sich Reflexe bewahren, die Augen bewegen, gähnen, aber sie nehmen ihre Umgebung nicht mehr bewusst wahr.

Behandlung in Italien In Europa ist "Lenmeldy" schon seit vier Jahren zugelassen (unter dem Markennamen "Libmeldy") und deswegen packten die Eltern der beiden Mädchen 2020 ihre Siebensachen und übersiedelten von Phoenix, Arizona, nach Italien. Die 500.000 Dollar, die dafür nötig waren, trieben sie über eine Spendensammlung auf, das Medikament gab das Unternehmen gratis ab. In Italien konnte Keira erfolgreich behandelt werden, bei ihrer Schwester Olivia war die Krankheit bereits ausgebrochen, eine Therapie nicht mehr möglich.

3,9 Millionen für eine Dosis. Am Montag dieser Woche wurde "Lenmeldy" von der "Food and Drug Administration" (FDA) auch für die USA zugelassen. Großhandelspreis 4,25 Millionen Dollar (rund 3,9 Millionen Euro), es ist nun das teuerste Medikament der Welt. Bisher war das "Hemgenix", das 2022 zur Behandlung einer Blutgerinnungsstörung namens Hämophilie B zugelassen wurde. Der Listenpreis für eine einmalige Behandlung damit beträgt 3,5 Millionen US-Dollar.

"Lenmeldy" stellt den bisherigen Höhepunkt in der Entwicklung teurer Medikamente dar. Vor allem für Gen- und Zelltherapien werden immer astronomischere Preise verlangt, die Hersteller verteidigen sie mit dem Argument, dass für eine sehr kleine Gruppe von Menschen eine sehr aufwändige Forschung betrieben werden müsse.

So wird "Lenmeldy" hergestellt Für die Therapie von MLD ist eine einzige Infusion nötig. Den Patienten werden Stammzellen entnommen, die dann genetisch manipuliert und den Patienten schließlich zurücktransplantiert werden. Im Körper setzen sich die genveränderten Stammzellen im Knochenmark fest und vermehren sich dort. 

"Keira geht es großartig, sie hat kein Symptome", sagt ihre Mutter. "Es ist kaum zu glauben".

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