ARD Tagesschau

Warum TV-Nachrichten nun "Gartenzaun-Deutsch" reden

Pult weg, Sprache vereinfachen: Die wichtigste deutsche Nachrichtensendung möchte "im Umgangston" zum Publikum sprechen. 

Marcus Bornheim, Erster Chefredakteur von ARD-aktuell, im Newsroom
Marcus Bornheim, Erster Chefredakteur von ARD-aktuell, im Newsroom
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Newsflix Redaktion
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Das Interview hält nicht ganz, was es verspricht. Man könnte aber auch sagen, es übererfüllt die Erwartungen. "Ich bin total dagegen, eine Revolution zu starten", sagt Marcus Bornheim im Interview mit der Medien-Plattform DWDL.de. Er ist Erster Chefredakteur von ARD-aktuell, verantwortet also auch die wichtigste deutsche Nachrichtensendung, die "Tagesschau", Deutschlands "Zeit im Bild" also. 7,3 Millionen schauten sich das etwa am Sonntag ab 20 Uhr an.

"Sprechsprachlicher werden" Die Revolution zog dann doch ein, gegen Ende des langen Interviews, denn da kam Bornheim auf die Inhalte der Sendung zu sprechen, vor allem aber, wie diese Inhalte in Zukunft vermittelt werden sollten. Das Zauberort heißt "einfache Sprache", es ist derzeit sehr in Mode, so wie bei Politikern Phrasen wie "auf Augenhöhe" oder "da bin ich ganz bei Ihnen". "Unser Ziel ist es, die Verständlichkeit zu stärken", sagt der Erste Chefredakteur, die "Tagesschau" soll "sprechsprachlicher werden". "Sprechsprachlicher" werden sie dann dort auch nicht mehr sagen, wenn sie auf Augenhöhe mit dem Publikum reden wollen.

Universität berät Was er darunter versteht, erläutert Bornheim so: "Wir wollen die Nachrichten deshalb so texten, wie man sie seinen Nachbarn am Gartenzaun oder der Familie beim Abendessen erzählen würde. Damit wolle man auch jenen ein Angebot machen, "für die Deutsch nicht die Muttersprache ist oder für diejenigen, die Probleme haben, komplizierte Satzstrukturen zu erfassen." Die ARD arbeitet diesbezüglich mit der Universität Hildesheim zusammen, die steht "beratend zur Seite". Sprechsprachlich gesagt.

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Auch Pult soll weg Wenn die Sprache schon ein bisschen was von ihrer Eleganz hergeben muss, dann soll das auch räumlich zum Ausdruck gebracht werden, und deshalb wird umgebaut. "Wir bekommen von unseren Zuschauerinnen und Zuschauern in Umfragen regelmäßig gespiegelt, dass sie der "Tagesschau" zwar vertrauen", sagt Bornheim – die Erlangung dieses Vertrauen hat aber offenbar einen hohen Preis. Das Publikum habe nämlich den Eindruck, "als würden wir von einer Kanzel predigen. Es steht immer ein Tisch zwischen Sprecher und Publikum, sie wollen aber lieber eine Sendung auf Augenhöhe. All diese Aspekte versuchen wir im neuen Studio umzusetzen." Also soll das Pult weg.

"Scheißwetter", "verarscht" Das ist vermutlich einfacher als die bisherige Sprache zu entsorgen, denn wenn Nachrichten-Moderatoren sprechen sollen wie "am Gartenzaun", dann fangen sich nicht nur Schneewittchen und die 7 Zwerge zum Fürchten an. Die Pläne des Ersten Chefredakteurs ziehen inzwischen ziemliche Kreise, sogar die Schweiz beschäftigt sich damit. Wie dieses "Gartenzaun-Deutsch" klingen soll, wurde Bornheim nicht gefragt, aber die "Neue Zürcher Zeitung" hat eine Vorstellung davon entwickelt: "Wird man in Zukunft also hören, dass ein Flugzeug 'gecrasht' ist oder ein 'Knacki' aus dem Gefängnis 'türmte'?", schreibt sie. "Vielleicht ist vom Buchhalter die Rede, der für sich etwas 'abgezwackt hat'. Der Meteorologe spricht von 'Scheißwetter'. Berlin bekommt zehn neue 'Bushalte', die Deutsche Bahn 'verarscht' ihre Kunden, Biden ist 'tatterig', und Scholz hat Merz 'angepflaumt'."

"Die haben einen an der Waffel" Auch die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" sieht sich in freudiger Erwartung des "Gartenzaun-Deutsch", bei ihr klingt das so: "Der Biden is’ echt alt geworden, oder, meine lieben Damen und Herren? Aber Trump kannste eigentlich auch nich’ ernst nehmen. Das Problem ist: musste aber. Was ich sagen will, ist, die haben insgesamt echt total einen an der Waffel, die Amis."

Und wir? Also Tarek Leitner und Nadja Bernhard? Wenn am Sonntag schon die neuen Regeln gegolten hätten, wie wären die Beiträge dann moderiert worden? "Oida, der Putin räumt echt 88 Prozent ab? Na hawedere!" Oder: "Bist du deppert, der Trump hat wirklich Blutbad gesagt? Lecko mio!" Soweit wird es nicht kommen, aber lebensecht wäre es.

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