Rätselraten

Was will uns der Himmel mit diesem Lichtstreifen sagen?

Ein Laserstrahl? Marsmännchen, die mit ihrem Raumschiff den Weltraum ausleuchten? Fotos einer Politikerin aus dem Burgenland sorgen für Spekulationen. Tatsächlich flog ein Asteroid arschknapp an der Erde vorbei. Physiker Werner Gruber klärt auf.

Himmelsschauspiel am 1. Dezember über dem Gesäuse in der Steiermark: Es wird angenommen, dass das die Spur eines besonders erdnahen Asteroiden gewesen ist
Himmelsschauspiel am 1. Dezember über dem Gesäuse in der Steiermark: Es wird angenommen, dass das die Spur eines besonders erdnahen Asteroiden gewesen ist
Florian Tanczos
Martin Kubesch
Akt. Uhr
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Ein Lichtstreifen am nächtlichen Himmel, der vergangenes Wochenende über Österreich und Süddeutschland zu sehen gewesen ist, sorgt für Rätselraten unter Astronomen. Ob es sich dabei tatsächlich um einen besonders nahen Asteroiden gehandelt hat, wie einige Medien berichteten, oder ob auch ein anderes (Himmels-)Phänomen dafür verantwortlich sein könnte, steht letztlich noch nicht fest.

Kommt der Komet? Sicher ist nur so viel: Das beeindruckende Schauspiel führt uns wieder einmal vor Augen, wie klein und verletzlich unser Planet doch ist. Denn die Menschheit ist inzwischen relativ gut darin, zu berechnen, welche Himmelskörper der Erde nahekommen werden. Viel dagegen ausrichten können wir indes nicht. Was man über den Lichtstreif bisher weiß:

Die erste Aufnahme des möglichen Asteroiden
Die erste Aufnahme des möglichen Asteroiden
Florian Tanczos

Was ist geschehen?
Am Wochenende 30. November / 1. Dezember kam es über dem Ostalpenraum zu einem beeindruckenden Himmelsschauspiel, als ein weißer Lichtstreif am nächtlichen Himmel auftauchte und für gute eineinhalb Stunden zu sehen gewesen ist. Sichtungsmeldungen dazu kamen aus Österreich und Süddeutschland. Seither wird gerätselt, worum es sich dabei gehandelt haben könnte.

Nur kurz darauf wurde der Lichtstreif schwächer
Nur kurz darauf wurde der Lichtstreif schwächer
Florian Tanczos

Woher wissen wir, wie das ausgesehen hat?
Messerscharfe Bilder dieses Ereignisses gelangen dem Fotografen Florian Tanczos, der gemeinsam mit der burgenländischen SPÖ-Landesgeschäftsführerin Jasmin Puchwein und einer Gruppe Hobby-Astronomen im Gesäuse unterwegs gewesen ist, um Fotos der Milchstraße zu machen. Die Region gilt unter Himmelsbeobachtern als besonders wenig lichtverschmutzt und deshalb sehr geeignet.

Eineinhalb Stunden später schien der Lichtstreifen gewandert zu sein - verantwortlich dafür ist die Erdrotation
Eineinhalb Stunden später schien der Lichtstreifen gewandert zu sein - verantwortlich dafür ist die Erdrotation
Florian Tanczos

Was ist hier zu sehen?
Ein Lichtstreif, der einmal wie ein starker Lichtstrahl und dann wieder wie der Kondensstreifen eines riesigen Flugzeugs wirkt. "Zuerst dachten wir an einen Scheinwerfer, der in den Nachthimmel strahlt, aber dann haben wir erkannt, dass sich der Streifen langsam bewegt", so Jasmin Puchwein.

Was könnte das gewesen sein?
Rasch kam am Montag danach die Idee auf, dass es sich bei der Himmelserscheinung um einen Asteroiden gehandelt haben könnte, der der Erde ganz besonders nahe gekommen ist. Tatsächlich verzeichnete die US-Weltraumbehörde NASA auf ihrer Seite für Asteroiden-Beobachtung CNeos (Center for Near Earth Object Studies) einen Asteroiden namens "2024 XA" mit einem Durchmesser von 1,3 bis 2,8 Metern, der der Erde ganz besonders nahe gekommen ist, konkret bis auf etwa 1.355 Kilometer (gemessen von der Erdoberfläche).

Der Asteroid "2024 XA" (ganz oben in der Liste) auf der Asteroiden-Sichtungs-Seite der NASA. Die Entfernung zwischen Objekt und Erde (7.726 Kilometer) wird hier vom Erdmittelpunkt aus gerechnet
Der Asteroid "2024 XA" (ganz oben in der Liste) auf der Asteroiden-Sichtungs-Seite der NASA. Die Entfernung zwischen Objekt und Erde (7.726 Kilometer) wird hier vom Erdmittelpunkt aus gerechnet
NASA CNeos

Ist das nahe?
Sogar sehr. Das ist in etwa die Luftlinien-Entfernung von Wien nach Oslo (1.351 km). Nur einmal seit Beginn der entsprechenden Beobachtungen im Jahr 1900 sei ein Asteroid noch ein Stückchen näher gekommen, ohne auf die Erde zu stürzen, berichtet der "Standard", nämlich im November 2020 der Asteroid "2020 VT4". Zum Vergleich: Die Raumstation ISS umkreist die Erde in etwa 400 Kilometern Höhe, Satelliten fliegen in mindestens 150 Kilometern und maximal etwa 36.000 Kilometern Höhe um die Erde-

Der Asteroid "2024 XA", wie er laut Berechnungen der NASA die Erde passierte …
Der Asteroid "2024 XA", wie er laut Berechnungen der NASA die Erde passierte …
NASA CNeos
… und sein berechneter Weiterflug am Mond vorbei auf seiner riesigen Umlaufbahn
… und sein berechneter Weiterflug am Mond vorbei auf seiner riesigen Umlaufbahn
NASA CNeos

Woher kommt der Asteroid?
Er bewegt sich auf einer Umlaufbahn um die Sonne, genauso wie die Erde auch. Dabei näherte er sich offenbar der Erde ungewöhnlich nah an. Zum Vergleich: Der Asteroid "2024 WN4", der am Montag, dem 2. Dezember die Erde passierte, flog in etwa 1,7 Millionen Kilometern Abstand an uns vorbei.

Wie viele Asteroiden gibt es eigentlich?
Aktuell sind etwa 1,4 Millionen in unserem Sonnensystem bekannt, es werden aber im Schnitt monatlich einige tausend weitere neu erfasst. Man muss davon ausgehen, dass es viele Millionen sind, die pausenlos die Sonne umkreisen.

Der Asteroid Dimorphos, vom Hubble Weltraumteleskop aus gesehen. Millionen Asteroiden umkreisen die Sonne, immer wieder stürzen auch welche davon auf die Erde, die meisten davon sind zum Glück sehr klein und verglühen in der Atmosphäre
Der Asteroid Dimorphos, vom Hubble Weltraumteleskop aus gesehen. Millionen Asteroiden umkreisen die Sonne, immer wieder stürzen auch welche davon auf die Erde, die meisten davon sind zum Glück sehr klein und verglühen in der Atmosphäre
HANDOUT / AFP / picturedesk.com

Und davon stürzt keiner auf die Erde?
Doch, laufend. Nur sind die meisten so klein, dass sie in der Atmosphäre verglühen. Nur größere Asteroiden schaffen es, je nach Eintrittswinkel in die Atmosphäre, bis zur Erdoberfläche zu gelangen.

Kommt es dabei häufig zu Schäden?
Das hängt immer davon ab, wie steil oder flach ein Asteroid in die Erdatmosphäre eintritt und wo er schließlich aufschlägt, erklärt der Physiker Werner Gruber. Die meisten Asteroiden, die durch die Atmosphäre kommen, würden ohnedies im Meer oder in unbesiedeltem Gebiet aufschlagen. Nur selten werde es wirklich gefährlich, so wie etwa beim Asteroiden Tscheljabinsk, der 2013 in Russland abstürzte.

"Wenn ein Asteroid im falschen Winkel in die Atmosphäre eintritt, kann es schon brenzlig werden", sagt der Physiker Werner Gruber
"Wenn ein Asteroid im falschen Winkel in die Atmosphäre eintritt, kann es schon brenzlig werden", sagt der Physiker Werner Gruber
Robert Newald / picturedesk.com

Was ist damals geschehen?
Ein Asteroid "von der Größe eines Bungalows", so Werner Gruber, stürzte in der Nähe der gleichnamigen Stadt in Russland zur Erde. Der Himmelskörper hatte einen Durchmesser von etwa 19 Metern und trat zum Glück in sehr flachem Winkel in die Atmosphäre ein.

"In etwa 80 Kilometern Höhe ist er dann explodiert", sagt Gruber. "Die Explosion hatte eine Sprengwirkung von etwa 500 Kilotonnen des Sprengstoffs TNT, das ist das 40-fache der Hiroshima-Atombombe." Durch die Druckwelle am Boden gab es dennoch mehr als 1.500 Verletzte. Im Internet finden sich zahlreiche Videos des Ereignisses, da viele Russen die Explosion mit ihren Dashboard-Kameras aufgezeichnet haben, während sie mit ihren Autos unterwegs waren (siehe unten).

Welchen Schaden hätte "unser" Asteroid verursacht?
Wenn er steil zur Erde gestürzt wäre, "wären schon 2, 3 Häuser kaputt gewesen", so die Einschätzung von Physiker Werner Gruber.

Weshalb kann man sich nicht davor schützen?
Weil man oft nicht einmal weiß, dass ein Asteroid im Anflug ist, obwohl es inzwischen mehrere Überwachungssysteme gibt. Man weiß ja noch nicht einmal sicher, ob der Lichtstreif vom Wochenende wirklich der Asteroid "2024 XA" gewesen ist.

Was hätte es noch sein können?
Eine deutsche Wissenschafts-Sendung auf Youtube (siehe unten) erläutert das Phänomen ausführlich und kommt zu dem Schluss, dass es der Asteroid hätte sein können, es aber bislang keine Beweise dafür gäbe. Als Alternative wird erläutert, dass es im selben Zeitraum einen Raketenstart gegeben hätte, der einen Satelliten mit Ionenantrieb in eine geostationäre Umlaufbahn gebracht hätte und der Ionenantrieb des Satelliten ebenfalls diese Lichtsignatur in den Nachthimmel hätte zeichnen können.

Und sonst?
Wieder andere Astronomie-Fans meinen, dass der Lichtstreifen viel zu diffus ist für ein so kleines Objekt wie "2024 XA". Bei Langzeitbelichtung des Fotos müsste der Lichtstreifen wesentlich dünner und "schärfer gezeichnet" sein. Sie tippen eher auf eine weit entfernte und sehr starke Lichtquelle, die in den Himmel gerichtet worden ist.

Werden wir jemals erfahren, was es wirklich war?
Das ist wahrscheinlich, ja. Spätestens wenn die NASA ihre Daten dazu ausgewertet hat sollte klar sein, welches Zeichen uns hier am nächtlichen Himmel erschienen ist. Und was es uns zu sagen hat.

Akt. Uhr
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